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Für die "Rettung der Demokratie":Was Bidens Appell an die Nation zeigt
von Anna Kleiser, Washington D.C.
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US-Präsident Biden spricht in einer historischen Rede über seinen Rückzug: Schutz der Demokratie sei wichtiger als Titel. Er übergibt diesen Kampf an Harris, die muss nun liefern.
"Ich verehre dieses Amt, aber ich liebe dieses Land mehr", sagt US-Präsident Joe Biden am Anfang seiner emotionalen Rede an die Nation. Nach wochenlangen Diskussionen über seine Fitness und seine Chancen, die Wahl zu gewinnen, begründet er seinen Rückzug damit, dass er seine Partei vereinen musste.
Denn: Nichts, rein gar nichts dürfte der "Rettung der Demokratie im Weg stehen", sagt Biden. Auch keine persönlichen Ambitionen.
Biden: Wähler haben es in der Hand
Bidens Rede hat eine zentrale Botschaft: "Es geht nicht um mich" - keine Person ist wichtiger als die Nation, als das Volk. Damit zeigt er einen deutlichen Kontrast zu seinem Konkurrenten Donald Trump, dem er seit Jahren vorwirft, die amerikanische Demokratie zu zerstören. Bidens Rede ist auch ein Appell:
In wenigen Monaten entscheidet das amerikanische Volk über den Kurs der Zukunft Amerikas. Ich habe meine Wahl getroffen.
Joe Biden, US-Präsident
Amerika werde sich entscheiden müssen, so Biden, "ob es vorwärts oder rückwärts gehen will, ob es Hoffnung oder Hass, ob es Einheit oder Spaltung will. Wir müssen uns entscheiden. Glauben wir noch an Ehrlichkeit, Anstand, Respekt, Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie?"
Den Kampf dafür soll nun seine Vize-Präsidentin Kamala Harris führen. Er lobt sie in der Rede als "unglaubliche Partnerin".
Sie ist erfahren, sie ist zäh, sie ist fähig.
Joe Biden, US-Präsident
Während Biden ankündigt, sich auf das Präsidentenamt zu konzentrieren - Preise senken, Wirtschaft ankurbeln, gegen die Klimakrise ankämpfen, Oberstes Gericht reformieren, Nato zusammenhalten und Ukraine unterstützen - steht Harris vor einer Mammutaufgabe.
Ihr bleiben gut 100 Tage Zeit bis zur Wahl im November.
Kamala Harris reitet auf Euphorie-Welle
Der Start lief gut für Harris: großer Applaus bei Wahlkampfveranstaltungen, Unterstützung aus Hollywood, Einheit in der demokratischen Partei. Sie hat innerhalb kürzester Zeit die notwendige Mehrheit der Delegierten für die offizielle Nominierung hinter sich versammelt. Ernstzunehmende Herausforderer gibt es nicht.
Die schnelle und geräuschlose Machtübernahme der Vizepräsidentin ist beeindruckend. Sie bekommt mehr Spenden, mehr Aufmerksamkeit, mehr positive Unterstützung im Netz. Sie präsentiert sich Amerika als humorvolle Frau und knallharte Anwältin. Die Hoffnung auf junge Wählerinnen und sich bessernde Umfragewerte sind groß.
Riesige Herausforderungen warten
Doch die Freude über den Neustart und den Wechsel an der Spitze können nicht überdecken, dass die Herausforderung gegen Donald Trump zu gewinnen enorm ist. Harris blieb lange hinter den Erwartungen an sie zurück und die Republikaner haben gerade erst begonnen, ihre Attacken hochzufahren.
Sie werden Amerika Harris als eine Kandidatin verkaufen, die verantwortlich ist für illegale Migration, die "radikal" linke Ideen hat, die Teil eines "Cover-ups" war, Bidens Zustand zu verstecken. Trump ist bekannt für sexistische und rassistische Kommentare. Es ist nicht zu erwarten, dass er sich damit zurücknimmt bei einer schwarzen Frau als Konkurrentin.
Harris-Problem teils selbstgemacht
Dass Kamala Harris so lange profillos geblieben ist und jetzt das Rennen zwischen ihrem und Trumps Wahlkampfteam läuft, um ihr ein Profil zu geben, hat auch mit ihrem aktuellen Chef, Joe Biden zu tun. Er gab ihr mit Migration und Wahlrecht zwei schier unlösbare Aufgaben. Klassische Vize-Aufgaben wie Verhandlungen mit dem Kongress nahm der langjährige Senator Biden selbst in die Hand.
Dass Biden erst jetzt den Raum freimacht und Harris ohne klare Vision im Rampenlicht steht, könnte die Demokraten wichtige Stimmen kosten. So kann diese Rede nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Einschätzung, nur er könne gegen Trump gewinnen, wohl sein größter politischer Fehler war.
Anna Kleiser ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington.
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