US-Präsident: Kann Trumps Dekret-Welle noch gestoppt werden?

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    "Diktator" am ersten Tag:Wie grenzenlos ist Donald Trumps Macht?

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    von Nils Metzger
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    Donald Trump regiert durch mit einer beispiellosen Welle an Dekreten. Wie funktioniert dieses Machtinstrument des US-Präsidenten? Warum es jetzt auf die Gerichte ankommen könnte.

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    Die zweite Amtszeit von Donald Trump beginnt mit einem Knall. Während von seinem Team ausgewählte Beamte ihre Büros in Washington beziehen, drückt Trump der neuen Administration direkt seinen Stempel auf - mit einer Welle an Dekreten, sogenannten Executive Orders.
    Es ist ein Feuerwerk an populistischen Themen, das der 47. Präsident abfeuert - von der Umbenennung des Golfs von Mexiko, dem Erklären eines Notstands an der Grenze, der Begnadigung der Kapitol-Angreifer vom 6. Januar 2021, Einschränkungen der Rechte sexueller Minderheiten oder dem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Insgesamt rund 100 Einzelmaßnahmen. Christian Lammert, Professor für die politischen Systeme Nordamerikas an der Freien Universität Berlin, sagt ZDFheute:

    Trumps Flut an Exekutivverordnungen am ersten Amtstag ist in der jüngeren US-Geschichte beispiellos.

    Christian Lammert, Freie Universität Berlin

    Wie funktionieren solche Präsidenten-Dekrete und wo sind die Grenzen von Trumps Macht?
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    Setzt Trump um, was er im Wahlkampf angekündigt hat?

    Im Wahlkampf hatte Trump angekündigt, am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit durchregieren zu wollen. Bei einem Gespräch mit dem Fox-News-Moderator Sean Hannity im Dezember 2023 sagte Trump auf die Frage, ob er wie ein Diktator agieren werde: "Nein, nein, abgesehen von Tag eins nicht. Wir wollen die Grenze schließen, und wir wollen bohren, bohren, bohren. Danach bin ich kein Diktator."
    "Trumps Aussage, am ersten Tag ein 'Diktator' sein zu wollen, spiegelt sich in der aggressiven Nutzung von Exekutivverordnungen wider", sagt Lammert. "Das Team hatte mehr Zeit zur Vorbereitung und konnte aus den Erfahrungen der ersten Amtszeit lernen." Die Flut an Dekreten demonstriere Handlungsfähigkeit insbesondere gegenüber der eigenen Basis. "Auch wenn viele Anordnungen möglicherweise nicht umgesetzt werden können", so Lammert.

    Die hohe Zahl an Dekreten deutet auf eine bessere Vorbereitung des Trump-Teams hin.

    Christian Lammert, Freie Universität Berlin

    Während die Legislative aufwändig Gesetze ausarbeiten muss, kann Trump mit Dekreten schnell eine politische Marschrichtung vorgeben. Sie entfalten ihre Wirkung bereits nach wenigen Tagen, wenn die betroffenen Behörden auf einer Linie mit dem Präsidenten sind, teils sogar unmittelbar. Zu sehr auf Dekrete zu setzen, kann sich für Präsidenten rächen - denn anders als Gesetze können die vom Nachfolger ohne große Auflagen wieder rückgängig gemacht werden. Umgekehrt verlieren sie aber nicht automatisch ihre Gültigkeit, sobald ein neuer Präsident ins Amt kommt.
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    Wie funktionieren solche Präsidenten-Dekrete?

    Executive Orders sind Anordnungen des Präsidenten, die sich meist auf staatliche Behörden und deren Beamte beziehen. Sie haben zwar Gesetzeskraft, unterscheiden sich aber von regulär durch das Parlament verabschiedete Gesetze, indem sie sich primär auf das Handeln der Verwaltung selbst beziehen. Von Bürgerrechten bis zu Militärinterventionen wurden in vergangenen Jahrzehnten zu ganz unterschiedlichen Themen Präsidenten-Dekrete angeordnet und nicht selten kontrovers diskutiert - von Republikanern wie von Demokraten.
    Die Dekrete sind ein zentrales Machtinstrument des US-Präsidenten. Gänzlich frei reinschreiben, was er möchte, kann Trump in die Dekrete aber nicht. Der Oberste Gerichtshof der USA hat etwa geurteilt, dass die Verordnungen nicht gegen die Verfassung verstoßen dürfen. Präsidenten-Dekrete müssen nicht durch das Parlament bestätigt werden. Trotzdem hat der Kongress in Washington Mittel, um ihre Wirkung zu stoppen: "Der Kongress kann Gesetze verabschieden, die Exekutivverordnungen überstimmen oder deren Finanzierung blockieren", betont der Politikwissenschaftler Lammert.
    Auf Bundesebene verfügen die Republikaner aktuell über eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses. Daran dürften frühestens die Mid-Term-Wahlen im November 2026 etwas ändern. Darum ist es unwahrscheinlich, dass Trump hier auf signifikanten Widerstand stoßen wird.
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    Können die Gerichte Trumps Dekrete stoppen?

    Vor Gericht können zwei grundlegend verschiedene Aspekte von Trumps Dekreten angegriffen werden: Einmal die bereits erwähnte Frage, ob sie Grundrechte und die Verfassung verletzen. Und zusätzlich ob Trump hier Bereiche zu regulieren versucht, für die er gar nicht zuständig ist. Letzteres könnte eine Möglichkeit für demokratisch regierte Bundesstaaten sein, einzelne Trump-Dekrete zu stoppen. "Bundesstaaten können gegen Anordnungen klagen, die in ihre Zuständigkeiten eingreifen", sagt Lammert.
    Nicht wenige der rechtlichen Auseinandersetzungen dürften am Ende vor dem Obersten Gerichtshof landen, wo eine konservative Mehrheit Trump in manchen kontroversen Fragen den Rücken stärken dürfte. Hinzu kommt, dass die rechtlichen Auseinandersetzungen oft lange dauern - die Dekrete ungeachtet ihrer Legalität ihren intendierten Zweck unmittelbar entfalten, etwa indem sie Migranten von der Einreise abhalten.
    Der Experte Lammert nennt mehrere Exekutivverordnungen, die aus seiner Sicht juristisch besonders angreifbar sind:
    • Die Abschaffung des in der Verfassung verankerten Geburtsortprinzips bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft
    • Die Wiedereinführung von "Schedule F" zur Entlassung von Beamten
    • Die Ausrufung eines nationalen Energienotstands zur Förderung fossiler Brennstoffe
    • Die Massenbegnadigung von Beteiligten am Sturm auf das Kapitol

    Insgesamt zeigt sich, dass Trump zwar eine beispiellose Zahl an Exekutivverordnungen erlassen hat, deren Umsetzung und Bestand aber keineswegs gesichert sind. Das System der Gewaltenteilung und föderale Strukturen bilden weiterhin wichtige Kontrollmechanismen.

    Christian Lammert, Freie Universität Berlin

    Donald Trump und Melania
    Amtseinführung Trump
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    Donald Trump und Melania
    Elon Musk jubelt
    Carrie Underwood mit Kamala Harris
    Joe Biden Delivers
    Donald Trump (R) and First Lady Melania Trump, aufgenommen am 21.01.2025 in Washington)

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    Quelle: Kenny Holston/The New York Times via AP


    Wie viele Dekrete haben frühere Präsidenten unterzeichnet?

    Dass Präsidenten zu Beginn ihrer Amtszeit auf Dekrete setzen, ist nicht ungewöhnlich. Joe Biden unterzeichnete in der ersten Woche nach Amtseinführung 2021 insgesamt 22 Stück, etwa zur Bekämpfung der Corona-Pandemie oder zum Schutz ethnischer und sexueller Minderheiten. Insgesamt unterzeichnete Biden in seiner gesamten Amtszeit 160 Dekrete.
    Trump kam in seiner ersten Amtszeit auf 220 Dekrete., Barack Obama in zwei Amtszeiten auf 277, George W. Bush zwischen 2001 und 2009 auf 291 Dekrete. Damit setzte Trump in seiner ersten Amtszeit zwar etwas mehr auf dieses Werkzeug als seine direkten Vorgänger, lag aber deutlich unter dem Durchschnitt früherer Präsidenten. Den Spitzenplatz belegt Präsident Franklin D. Roosevelt mit 3.721 Executive Orders zwischen 1933 und 1945, was etwa zahlreiche Maßnahmen gegen die Weltwirtschaftskrise umfasste. Eine Fülle an Dekreten, zumal mit offensichtlicher ideologischer Schlagseite, wie sie Trump nun am ersten Tag erlassen hat, gab es zuvor noch nicht.

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