Rechtsverteidigerin Svenja Huth: Vielfältige Botschafterin

Es hat am Dienstag kaum verwundert, dass Svenja Huth für die Reporter noch einmal vors Hotel in den Melbourne Docklands getreten ist. Einer dieser pompösen Luxusbauten an der Waterfront im alten Hafen hatte für zwei Tage die deutschen Fußballerinnen beherbergt, ehe es nach dem 6:0-Auftaktsieg dieser WM gegen Marokko wieder auf die Rückreise an die Central Coast ins beschauliche Wyong ging.

Zur Lage der DFB-Frauen gab die stellvertretende Kapitänin Auskunft, denn mediale Pflichttermine spielt sie mittlerweile routiniert ab. "Voller Fokus aufs zweite Spiel", lautete die Botschaft der 32-Jährigen, die bereits im Rectangular Stadium von Melbourne ziemlich kritisch angemerkt hatte, "dass die leichten Ballverluste von anderen Gegnern bestraft werden".

Am Tag danach haben ihr erste Eindrücke am Fernseher ausgereicht, um das Gruppenspiel gegen Kolumbien in Sydney (Sonntag 11:30 Uhr MESZ) als Härtetest zu begreifen.

Die Körperlichkeit fürchtet die mit 1,63 Metern kleinste deutsche Nationalspielerin nicht: "Wir haben auch eine sehr robuste Mannschaft. Das wird uns nicht aus dem Konzept bringen." Denn der Stimmungsumschwung ist offensichtlich. "Girl on Fire" von Alicia Keys dröhnte durch den Bus.

Das Standing der 81-fachen Nationalspielerin hat sich mit Amtsantritt von Martina Voss-Tecklenburg deutlich verbessert. Schnell stieg "Speedy Gonzales" - diese Comicfigur hatte ihr Steffi Jones zur EM 2017 zugewiesen - unter der 2018 installierten Bundestrainerin zur Führungskraft auf.

Bei der EM in England führte die dribbelstarke Flügelspielerin das deutsche Team zum Finale mit der Kapitänsbinde auf den heiligen Rasen von Wembley, nachdem sich Kapitänin Alexandra Popp verletzt hatte.

Bei dieser WM allerdings hat sich Huths Wirkungsbereich erst einmal nach hinten verlagert. Sie ist diejenige, die nach dem Ausfall von Giulia Gwinn auf die Position der Rechtsverteidigerin gerückt ist. Kein Problem für Huth. "Wer mich kennt, weiß, dass ich eine sehr flexible Spielerin bin. Die Position ist mir aus Frankfurter Zeiten nicht unbekannt." Auch wenn es schon acht, neun Jahre her war.

Was gegen Marokko auffiel: Oft stieß die deutsche Nummer neun so weit vor, dass Jule Brand sichtlich Probleme hatte, ihre Position zu finden. "Nicht jeder Laufweg", erklärte Bundestrainerin Voss-Tecklenburg, könne einstudiert werden, das werde sich auf der rechten Seite schon finden.

Huth hat über den Fußball einen Reifeprozess durchlaufen, beim VfL Wolfsburg gehört sie zu den Wortführerinnen. Nur bei den vielen Quervergleichen zu den Männern macht sie nicht mit.

"Auch die Hinweise, dass wir nach der Negativserie der Männernationalmannschaft nun diejenigen seien, die für den DFB das neue Glanzlicht abgeben sollen. Das wollen wir gar nicht", sagte sie der FAZ. "Wir stehen für einen Fußball."

Dabei geht die stellvertretende Kapitänin als Symbolfigur für Offenheit voran. In der im ZDF ausgestrahlten Doku "Born for this" erzählt sie gemeinsam mit ihrer Frau Laura vom Kennenlernen bei einem Länderspiel in Halle, der Verliebtheit, der Partnerschaft und schließlich der Hochzeit.

Nun kündigt sich Nachwuchs an, nachdem eine künstliche Befruchtung in Spanien durchgeführt worden ist. Im September soll ein Junge zur Welt kommen.

Es gehöre übrigens zur schönsten Vorstellung des Paares, "dass ich mit unserem Sohn mal im Stadion sein kann und dass sie mal mit ihrem Sohn einläuft", verriet Laura in der Doku. Ein Ansporn für die Karriere.

Verabschiedet hat sie ihre Partnerin übrigens bei der Abreise vom Frankfurter Flughafen mit den Worten "bis in sechs Wochen". Das wäre dann erst nach dem Finale in Sydney.