Vor Halbfinale gegen England: Die Traumreise der "Matildas"

    Vor Halbfinale gegen England:Die Traumreise der "Matildas"

    von Frank Hellmann, Sydney
    |

    Australiens Fußballerinnen haben schon mit dem Einzug ins WM-Halbfinale gegen England etwas Besonderes vollbracht. Der fünfte Kontinent träumt von noch mehr.

    Australisches Fußballteam Matildas
    Die "Matildas" bereiten sich auf das Highlight gegen England vor.
    Quelle: Imago

    Irgendwie ist die Omnipräsenz der australischen Fußballerinnen in Sydney fast schon Alltag geworden. Wer an zentralen Punkten wie dem Hyde Park in den Bus steigt, wird unweigerlich vom Plakat mit der mehrzeiligen Botschaft begrüßt: "Go Matildas! Go Matildas!".
    Wer einige Haltestellen später aussteigt, erspäht gleich die nächste Reklame am Straßenrand. Unter dem WM-Slogan "Beyond Greatness" jubelt ein Knäuel australischer Fußballerinnen, leuchtend in Szene gesetzt.

    "Matildas" haben Sydney in Beschlag genommen

    Und wer immer noch nicht wahrhaben will, dass dieses Team vor dem Halbfinale gegen England im riesigen Australia Stadium (Mittwoch, 12 Uhr/MESZ) eine Weltstadt in Beschlag genommen hat, der muss nur raus zum Bondi Beach fahren, wo australischer Lifestyle auch im Winter gelebt wird.
    Graffiti, Matildas
    Die "Matildas", speziell Sam Kerr (re.), sind ins Sydney omnipräsent.
    Quelle: Imago

    Am Surferparadies locken nicht nur Riesenrad und Iceberg Pool, sondern neuerdings auch Graffiti: Eine australische Malerin hat ein wirklich gelungenes Kunstwerk an die Wand gepinselt, das ebenfalls den "Matildas" gewidmet ist, die aufgefordert werden, "unaufhaltsam" zu spielen. Das Konterfei der mit geballter Faust jubelnden Sam Kerr natürlich vornedran.

    Siegeswillen und Unterstützung führten ins Halbfinale

    Dabei hat die Torjägerin vom FC Chelsea erst zwei Teilzeiteinsätze vorzuweisen; sie hat bei der Traumreise auf dem fünften Kontinent weder ein Tor geschossen, noch eine Vorlage gegeben. Dennoch ist der Gastgeber auch ohne die 29-Jährige dank des großen Siegeswillens und der riesigen Unterstützung bei einer WM weiter gekommen als je zuvor.
    Nach dem Nervenkrimi im Viertelfinale gegen Frankreich (7:6 im Elfmeterschießen) bedankte sich Nationaltrainer Tony Gustavsson mit pathetischen Worten: "Hier geht es um das Herz, das in diesem Land schlägt."

    Trainer Gustavsson hat eine Einheit geschaffen

    Der empathische wie emotionale Schwede hat es geschafft, eine energiegeladene Einheit zu formen, die vielleicht die Wadenverletzung ihres Superstars Kerr und die damit verbundenen Irritationen vor dem Eröffnungsspiel gegen Irland (1:0) inklusive eines Rückschlags gegen Nigeria (2:3) gebraucht hat, um danach mit der Entschlossenheit eines kommenden Weltmeisters anzutreten.
    Die Aufgabe gegen die Europameisterinnen aus England wird nicht gerade einfach, denn auch das Team von Trainerin Sarina Wiegman fand bislang für alle Probleme eine Lösung. Aber Gustavsson versprach am Dienstag auf der bestens besuchten Pressekonferenz, dass sein Team "Geschichte schreiben wird".
    Abermals ließ sich der 49-Jährige nicht wirklich in die Karten blicken, ob seine Kapitänin Kerr von Beginn an spielt. "Die Art und Weise, wie sie sich durchgesetzt hat, war fantastisch und beeindruckend, sowohl in mentaler als auch in körperlicher Hinsicht."

    Sie hat sich gut erholt und trainiert, also ist sie verfügbar.

    Tony Gustavsson

    Die Offensive funktioniert auch ohne den Fixpunkt

    Doch es könnte besser sein, die Rekordtorschützin erneut in der Hinterhand zu behalten, um einen Push auf den Rängen und den Rasen zu erzeugen. Zudem ist offenkundig, dass die unterschätzte Hayley Raso, die durchsetzungsstarke Caitlin Foord oder die hochbegabte Mary Fowler in der Offensive auch den Fixpunkt Kerr funktionieren.
    Zeitweise wirkten die Australierinnen ein Stück weit unberechenbarer. Und warum sollte Gustavsson viel ändern, wo sich auch Kerr nicht über ihre neue Rolle beschwert.

    Einschaltquoten so hoch wie lange nicht mehr

    Um was es geht, machen die Begleitumstände der letzten Tage deutlich. Am Samstag schalteten 4,9 Millionen Australier den Fernseher beim Sender "Channel 7" ein - so viele wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr für eine Sportübertragung. Kein Finale der Rugby- oder Australian-Football-League erreichte eine solche Quote; und das will in Down Under was heißen.
    Und allen Ernstes hat Premierminister Anthony Albanese vorgeschlagen, den 20. August zum Nationalfeiertag zu machen, sollte am Sonntag im Olympic Park das WM-Finale gewonnen werden.
    Thema

    News zur Fußball-Weltmeisterschaft

    Mehr zur Fußball-WM