Interview
Bilanz zur Weltmeisterschaft:Fußball-WM in Australien setzt neue Maßstäbe
von Frank Hellmann, Sydney
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Nach der 9. Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen ist das Attribut vom größten und besten Turnier aller Zeiten nicht übertrieben. Nur das deutsche Team enttäuschte die Erwartungen.
Kaum anders zu erwarten, dass Gianni Infantino diese Bühne für sich zu nutzen wusste. Wenn schon Funktionäre, Experten und Legenden aus der ganzen Fußball-Welt die teils sehr weite Reise nach Sydney auf sich nehmen, um am "FIFA Women’s Football Convention 2023" teilzunehmen, dann darf der Präsident nicht fehlen.
Infantino sieht "Wendepunkt"
Ohne Ankündigung hielt der Impresario aus dem Kongresscenter am Darling Harbour die Eröffnungsrede zu dieser Frauenfußballtagung, die zugleich sein Abschlussstatement dieser WM sein sollte. Für Infantino war es ein "Wendepunkt" in der Geschichte des Frauenfußballs, eine "Inspiration für Millionen von Mädchen" - und natürlich die "beste und spektakulärste WM aller Zeiten". Das hat man vom Walliser schon oft gehört, aber diesmal wirkte das gar nicht so übertrieben.
Das verlorene Spiel um den dritten Platz gegen Schweden (0:2) ändert nichts daran, dass Australiens Fußballerinnen, die "Matildas", ein Vermächtnis hinterlassen. "Wir haben einen schlafenden Riesen geweckt", sagte Australiens Sportministerin Anika Wells. "Australien ist jetzt ein Fußballland." Die WM habe insgesamt den Blick auf den Frauensport verändert. Sie hätte nie gedacht, dass die Starstürmerin Sam Kerr einmal dieselbe Vorbildrolle wie die Leichtathletik-Ikone Cathy Freeman einnehmen würde, "aber jetzt werden sich die Kinder auch an sie noch in 40 Jahren erinnern".
Mehr als elf Millionen Australier vor den Fernsehern beim Halbfinale gegen England bedeuteten Allzeitrekord für eine TV-Übertragung – auf dem riesigen Kontinent leben ja nur rund 25 Millionen Menschen. Die Regierung versprach am Wochenende, 200 Millionen australische Dollar, umgerechnet 118 Millionen Euro, in die Verbesserung der Fußball-Infrastruktur zu stecken. Bald würden viel mehr Mädchen als Jungs kicken. Die Basis ist schon jetzt größer als im Rugby, Australian Football oder Cricket zusammen.
Mehr als elf Millionen Australier vor den Fernsehern beim Halbfinale gegen England bedeuteten Allzeitrekord für eine TV-Übertragung – auf dem riesigen Kontinent leben ja nur rund 25 Millionen Menschen. Die Regierung versprach am Wochenende, 200 Millionen australische Dollar, umgerechnet 118 Millionen Euro, in die Verbesserung der Fußball-Infrastruktur zu stecken. Bald würden viel mehr Mädchen als Jungs kicken. Die Basis ist schon jetzt größer als im Rugby, Australian Football oder Cricket zusammen.
Die fast zwei Millionen Stadionbesucher, rund zwei Milliarden in aller Welt am Fernseher - beides Rekordwerte - sind nur die eine Seite. Auf der anderen stehen Gelassenheit, Freundlichkeit und Gastfreundschaft der beiden Gastgeberländer Australien und Neuseeland, die für eine fröhliche, friedliche Grundstimmung sorgten. Davon soll der Frauenfußball nun weltweit profitieren.
Erstmals in der Gewinnzone
Die FIFA will von jedem Mitgliedsverband einen Masterplan sehen, um die Zahl der 16,6 Millionen Spielerinnen zu vervielfachen. Helfen könnte Geld vom Weltverband, der mit dieser WM erstmals die Gewinnzone erreichte. Gesamteinnahmen von 570 Millionen Dollar, rund 525 Millionen Euro, ergaben erstmals ein leichtes Plus.
Dass die FIFA mit dem Turnier so schnell in die schwarzen Zahlen kommt, hätte auch DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich nicht gedacht. Selbst bei der auch von ihr anfangs skeptisch betrachteten Ausweitung auf 32 Teilnehmer sei sie "eines Besseren belehrt" worden. "Alle Teams hatten es verdient, dabei zu sein."
Noch läuft die Analyse bei den DFB-Frauen
Nicht Deutschland, Kanada, Brasilien oder China, sondern Jamaika, Südafrika, Marokko oder Nigeria standen im Achtelfinale. Gerne hätte Ullrich, die in den 90er Jahren als Teammanagerin die ersten WM-Turniere deutscher Fußballerinnen begleitete, das DFB-Team wie bei der EM im vergangenen Sommer im Finale erlebt. Dass Deutschland mal die Benchmark bildete, daran erinnerte auf dem FIFA-Kongress nur noch das mehrfach gezeigte Golden Goal von Nia Künzer zum ersten WM-Titel 2003, das sich bald zum 20. Mal jährt.
Die Aufarbeitung für das Versagen erfordert eine Menge Gespräche. Wegen der Olympia-Qualifikation mit dem Nations-League-Auftakt am 22. September in Dänemark drängt die Zeit. DFB-Präsident Bernd Neuendorf holt sich von vielen Seiten Input ab. Sicher ist, dass Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bleibt.
Neues Interesse verankert
Am 15. September beginnt die Frauen-Bundesliga. Ullrich glaubt nicht, dass der erhöhte Zuspruch in der Liga gleich wieder abebbt, "da bin ich optimistisch, vielleicht gibt es eine kleine Delle". Für die frühere Frauenfußball-Direktorin des DFB sind die mehr als akzeptablen Einschaltquoten der Halbfinals - 2,2 Millionen im ZDF bei Spanien gegen Schweden - der Beleg, dass ein neues Grundinteresse hierzulande verankert ist.
Schwieriger könnte es werden, die Frauen-WM 2027 in das Dreiländereck Deutschland, Niederlande und Belgien zu holen. Das nachhaltige Konzept wäre das Kontrastprogramm zu den vielen Flugreisen dieser Endrunde, aber das interessiert die überwältigende Mehrheit der Fifa-Funktionäre vermutlich herzlich wenig.
Frauen-WM 2027 wohl in Südafrika
Selbst der DFB glaubt an eine "politische Abstimmung" am 17. Mai 2024 in Bangkok, wenn die 211 Mitgliedsverbände den nächsten Ausrichter unter den vier Kandidaten aus Südafrika, Brasilien, der Doppelbewerbung USA und Mexiko und dem europäischen Dreiländereck bestimmen.
Inzwischen gilt Südafrika als klarer Favorit; ihre auch "Banyana Banyana" genannten Fußballerinnen erreichten im Gegensatz zum deutschen Team das Achtelfinale. Infantino hat es in seiner Rede übrigens extra erwähnt, dass Marokko sich statt Deutschland durchgesetzt hat. "Wer hätte das gedacht? Niemand!"
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