Kreuzbandrisse im Fußball: Berufsrisiko der Fußballerinnen
Verletzungen im Fußball:Warum das Kreuzband bei Frauen häufiger reißt
von Elena Oser
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Frauen sind im Fußball häufiger von Kreuzbandrissen betroffen als ihre männlichen Kollegen. Doch warum ist das so und was können die Spielerinnen dagegen tun?
Betreuer begleiten die verletzte Carolin Simon, deren linkes Knie bandagiert ist, vom Platz beim Testspiel der DFB-Frauen gegen Sambia.
Quelle: IMAGO / HMB-Media
Sie krümmte sich, schlug mit der Hand auf den Boden und winkte die Team-Ärzte herbei. Nach einer harmlos aussehenden Aktion im WM-Spiel gegen Schweden wurde die argentinische Nationalspielerin Florencia Bonsegundo mit einer Liege vom Platz getragen. Zwei Tage später teilt der Verband die Diagnose mit: Kreuzbandriss. Ein Wort, das die meisten Sportler*innen erschaudern lässt, denn es bedeutet Schmerzen und eine lange Reha-Zeit.
Das Gesicht des aufstrebenden deutschen Frauenfußballs
28:37 min
Die Ausgangslage ist im Fußball wie folgt: Um die 30 Spielerinnen sind nicht bei der Fußball-WM 2023 mit dabei. Und auch im deutschen Team blieben die Spielerinnen nicht verschont. Mit Carolin Simon und Giulia Gwinn sind aktuell zwei Fußballerinnen aus dem DFB-Kader betroffen. Es scheint fast so, als wäre das ein besonderes Phänomen im Fußball der Frauen. Und der Schein trügt nicht. Laut Experte Dr. Ingo Tusk sind Frauen im Fußball vier- bis fünfmal anfälliger für Kreuzbandrisse als Fußballer.
Deshalb sagt er:
Der Sportorthopäde hat als ehemaliger Mannschaftsarzt der Frauen-Nationalmannschaft schon viel Erfahrung mit Kreuzbandrissen im Fußball der Frauen gesammelt. Doch warum müssen gerade Fußballerinnen damit rechnen einen Kreuzbandriss zu erleiden? Tusk nennt dafür eine Reihe von Ursachen.
Zu hohe Belastung, zu wenig Regeneration
Fußball-WM, Champions League und Bundesliga – so sehr sich die Fußball-Fans auch über die vielen Wettbewerbe freuen dürfen, für die Fußballerinnen bedeutet das vor allem eine steigende Trainings- und Spielbelastung.
Ein Problem, das aktuell auch im Männer-Fußball heiß diskutiert wird. Allerdings ist im Männer-Bereich die Regenerationszeit im Trainingsalltag bereits fest eingeplant. "Im Frauenfußball ist das zwar am Kommen, aber eben noch lange nicht so wie im Männerfußball", betont Ingo Tusk. Viele Spielerinnen haben noch andere Jobs oder befinden sich nebenbei im Studium - zum Nachteil der Regeneration des Körpers. Eine fatale Auswirkung, denn gerade der Körper ist im Sport das Kapital jeder Fußballerin.
Beim Punkt Körper ergibt sich ein weiterer möglicher Grund für einen Kreuzbandriss: Der anatomische Unterschied zwischen Männern und Frauen. Frauen haben ein breiteres Becken und dadurch von Natur aus eher zu einer X-Bein-Stellung neigen. Dies hat zur Folge, dass besonders bei Sprüngen die Spielerinnen leichter nach innen wegknicken.
Schnelle Richtungswechsel erhöhen ebenfalls das Risiko einer Verletzung. So auch bei Bonsegundo: In der 37. Minute versuchte sie an ihrer Gegenspielerin vorbeizudribbeln, knickte aber mit dem linken Knie bei einer Körpertäuschung nach innen weg. Es wird so eine Außenrotation im Unterschenkel erzeugt, die zum Riss im Kreuzband führt.
Florencia Bonsegundo aus Argentinien bei der Fußball-WM der Frauen 2023 vor ihrem Kreuzbandriss.
Aber auch der menstruelle Zyklus ist entscheidend. Denn:
Das Geschlechtshormon Östrogensetzt die Festigkeit der Bandstrukturen deutlich herunter. Unterschiede im Körperbau, hormoneller Einfluss durch den Zyklus und eine erhöhte Belastung: Das alles kombiniert, führt dazu, dass Frauen im Fußball häufiger betroffen sind als ihre männlichen Kollegen.
Kreuzbänder brauchen Zeit zu regenerieren
Gerade deshalb müssen die Fußballerinnen beim Stichwort Regeneration besonders hinhorchen. Nach einem Riss kehren sie oftmals zu früh in den Trainingsalltag zurück. "Es dauert in jedem Fall neun Monate, so eine Kreuzbandruptur ausheilen zu lassen", unterstreicht Tusk. Nachdem das Kreuzband gerissen ist, wird es mit Sehnen ersetzt. Diese müssen sich dann erst zu einem Band entwickeln, was mit langen Umbauprozessen verbunden ist.
Doch wie können sich die Spielerinnen vor einer Kreuzbandverletzungen schützen?
Statt der Muskulatur sei es sinnvoller das Sprung- und Landeverhalten zu verbessern. Bei Sprüngen solle möglichst gerade gelandet werden, so Tusk, da dort die höchste Gefahr eines Kreuzbandrisses herrsche.
Vereine nehmen Rücksicht auf ihre Spielerinnen
Das Problem des erhöhten Risikos für Fußballerinnen ist vielen Bundesligavereinen bereits bekannt und findet teilweise im Training Berücksichtigung. So unter anderem bei den Frauen des FC Bayern München. "Im Verein wird auf die Stimmungslage und das eigene Gefühl über den Fitnesszustand Rücksicht genommen. Morgens geben wir immer Feedback, wie wir uns fühlen und wie unser Leistungszustand ist", gibt Giulia Gwinn im ZDF-Interview einen Einblick in ihr Training.