Wie geht es nach dem Tod von Hamas-Chef Sinwar weiter?

    Interview

    Krieg in Nahost:Tod von Hamas-Chef Sinwar: Wie geht es weiter?

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    Er galt als Drahtzieher des blutigen Hamas-Überfalls auf Israel im Oktober 2023, nun ist Jihia al-Sinwar tot. "Das ist eine Zäsur für die Hamas", glaubt Nahost-Experte Steinberg.

    Schaltgespräch zwischen Slomka und Steinberg
    Sehen Sie hier das Gespräch mit Guido Steinberg in voller Länge.17.10.2024 | 3:51 min
    Israels Armee hat den Anführer der islamistischen Terrororganisation Hamas, Jihia al-Sinwar, getötet. Regierungschef Benjamin Netanjahu bezeichnete den Tod Sinwars als "Anfang vom Ende" des Krieges im Gazastreifen.
    Was heißt das für die Terrororganisation? Was bedeutet Sinwars Tod für die verbleibenden israelischen Geiseln? Und wie geht es im Nahost-Krieg weiter? Guido Steinberg, Nahost-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, hat im Gespräch mit dem heute journal über diese Fragen gesprochen.
    Sehen Sie das Gespräch mit Guido Steinberg in voller Länge oben im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Steinberg zu …

    … der Bedeutung von Sinwars Tod für die Hamas

    "Das ist eine Zäsur für die Hamas", glaubt der Nahost-Experte. Die Terrororganisation, so die Einschätzung von Steinberg, habe durchaus Kandidaten, um Sinwar zu ersetzen. Für die Rolle des Politbüro-Chefs stünden schon "zwei oder drei Kandidaten in Katar bereit". Auch seine Rolle im Gazastreifen könne ersetzt werden. Namentlich nennt Steinberg Sinwars jüngeren Bruder Mohammed.

    Sein Bruder Mohammed ist möglicherweise die erste Wahl für die Organisation, ganz einfach deshalb, weil er im militärischen Flügel der letzten Jahre schon eine wichtige Rolle gespielt hat.

    Guido Steinberg, Nahostexperte Stiftung Wissenschaft und Politik

    Der Chef der palästinensischen islamistischen Hamas-Bewegung im Gazastreifen, Yahya Sinwar, tritt  am 14.12. 2022 während einer Kundgebung zum 35. Jahrestag der Gründung der Gruppe in Gaza-Stadt vor seine Anhänger
    Hamas-Chef Sinwar wurde bei einem israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen getötet. 18.10.2024 | 2:27 min
    Steinberg betont aber, dass "jede Entscheidung, die jetzt getroffen wird von Seiten der Hamas, auch eine Richtungsentscheidung" sei. Die Terrororganisation steht laut Steinberg jetzt vor der Frage, wie sie reagiert, ob sie möglicherweise den Krieg sogar beenden wollen werde. Die große Hoffnung bei vielen Beobachtern sei, dass die Hamas nun möglicherweise gemäßigter auftreten werde als in den vergangenen Jahren.

    … einer möglichen Neuausrichtung der Hamas

    Mit dem Tod von Sinwar steht die Hamas nach Einschätzung von Steinberg womöglich auch vor einem Wendepunkt. Die Personen, die nun die Führung im Politbüro der Hamas übernehmen könnten, würden "mehrheitlich als etwas gemäßigter" gelten, erklärt der Experte.
    Nahost: Krieg ende wohl nicht
    "Benjamin Netanjahu hat den Tod Sinwars als Meilenstein dargestellt", so ZDF-Reporter Alexander Poel in Tel Aviv. Das Schicksal der Geiseln sei nun "ungewisser als je zuvor".18.10.2024 | 3:34 min
    Sinwar sei ein "absoluter Hardliner" gewesen, der einige Konkurrenten hinter sich gelassen habe, etwa den Politbürochef der Hamas, Chalid Maschal, so Steinberg. Der Nahost-Experte schränkt hier aber ein:

    Allerdings ist vollkommen unklar, inwieweit die Führung in Katar dann überhaupt noch Einfluss auf die letzten kämpfenden Kader der Organisation im Gazastreifen hat.

    Guido Steinberg, Nahostexperte Stiftung Wissenschaft und Politik

    Hier sei jetzt die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen der Führung in Katar und der verbleibenden Führung im Gazastreifen entwickeln werde. Schließlich komme es darauf an, ob im Gazastreifen nun überhaupt noch Strukturen existierten, die Verhandlungen ermöglichten.
    Sinwar ist der neue Anführer der Hamas
    Erst im August hatte die Hamas Jihia al-Sinwar zum Nachfolger des getöteten Ismail Hanija ernannt.07.08.2024 | 1:30 min

    … zu den Auswirkungen von Sinwars Tod auf die Geiseln

    Die Frage, was Sinwars Tod für die noch in der Gewalt der Hamas verbleibenden israelischen Geiseln bedeutet, ist für Steinberg nicht unbedeutend. Bei Sinwar seien viele Geiseln vermutet worden, erklärt der Experte. In welchen Händen sich diese nun befinden könnten, sei unklar.

    Guido Steinberg, Stiftung Politik und Wissenschaft
    Quelle: dpa

    … arbeitet in der Forschungsgruppe "Naher / Mittlerer Osten und Afrika" für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Der promovierte Islamwissenschaftler hat mehrere Bücher und zahlreiche Artikel zur saudi-arabischen und irakischen Geschichte und Politik sowie Islamismus und Terrorismus publiziert. Die SWP berät auf der Grundlage eigener Forschung Bundestag und Bundesregierung in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik.

    Man dürfe nicht vergessen, dass beim Terroranschlag am 7. Oktober 2023 neben der Hamas auch weitere Gruppierungen, wie der islamische Dschihad, beteiligt gewesen seien. Dennoch merkt Steinberg an:

    Trotzdem, der Tod von Sinwar, der gibt natürlich der Hamas jetzt die Gelegenheit, vielleicht sogar zu kapitulieren, vielleicht das Angebot des israelischen Premiers anzunehmen: freies Geleit gegen Freilassung der Geiseln.

    Guido Steinberg, Nahostexperte Stiftung Wissenschaft und Politik

    Es bleibt laut Steinberg abzuwarten, welche Entscheidung die Hamas in den kommenden Tagen treffen wird und "ob sie überhaupt noch im Gazastreifen zu einer strukturierten Entscheidungsfindung in der Lage ist".

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