400 Straftaten mit Nahost-Bezug:Versammlungsrecht: NRW will härtere Gangart
von Ralph Goldmann
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Volksverhetzung, Bedrohungen, Flaggenverbrennungen - seit dem Hamas-Angriff auf Israel zählen die NRW-Behörden etwa 400 Straftaten. Innenminister Reul fordert eine härtere Gangart.
Bei einer Pro-Palästina-Demonstration in Essen wurden auch Fahnen geschwenkt, die an Banner von islamistischen Gruppen erinnerten.
Quelle: dpa
Es waren verstörende Bilder vor einer Woche in der Essener Innenstadt: Eine als Pro-Palästina-Demonstration deklarierte Veranstaltung wurde zu einem Aufzug, bei dem nicht eine einzige Palästina-Fahne zu sehen war, dafür aber Banner, die an den sogenannten Islamischen Staat (IS) oder die Taliban erinnerten, aber nicht mit diesen identisch sind.
Teilnehmer forderten offen die Errichtung eines Kalifats, Frauen und Männer liefen strikt getrennt durch die Straßen.
Rund 400 Straftaten in NRW nach Nahost-Eskalation
Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) hat dem Landtag am Donnerstag im Innenausschuss Details zu dieser und anderen Demonstrationen vorgelegt, die seit Beginn des Angriffs der Hamas auf Israel in NRW stattfanden.
Insgesamt zählten die Behörden 113 pro-israelische Versammlungen mit rund 15.000 Teilnehmern und 122 pro-palästinensische Versammlungen mit über 50.000 Teilnehmern. Mehr als 400 Straftaten wie Volksverhetzung, Bedrohungen oder Flaggenverbrennungen seien - auch außerhalb von Versammlungen - erfasst worden. NRW-Innenminister Reul sagt:
Wo Straftaten begangen würden, "ist es unsere Aufgabe, dagegen vorzugehen". Und wo judenfeindliche Propaganda verbreitet werde und das Existenzrecht Israels infrage gestellt werde, "ist es unsere Pflicht, das zu unterbinden", sagte Reul weiter.
Essener Polizei ermittelt gegen Redner wegen Volksverhetzung
In Essen seien nach Angaben des Polizeipräsidenten allerdings "keine strafrechtlich relevanten" Dinge passiert. Lediglich ein Strafverfahren wurde wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen den Hauptredner eingeleitet. Der Innenminister will das so nicht akzeptieren.
Eine Staatsschutz-Ermittlungskommission werte derzeit noch 50 Gigabyte Bild- und Tonmaterial aus. "Warten wir doch mal ab, ob da noch strafrechtlich relevante Anfangsverdachtsmomente rauskommen", sagte Reul. Die Polizei hatte eingeräumt, der angezeigte Versammlungsgrund "Pro Palästina" sei "möglicherweise nur vorgeschoben" gewesen.
Reul fordert Verbot islamistischer Gruppen
Die Demonstration hatte zwar eine Privatperson angemeldet, es hätten aber unter anderen die (nicht verbotenen) Organisationen "Generation Islam", "Realität Islam" und "Muslim Interaktiv" dazu aufgerufen, die bislang eher im Raum Berlin und Hamburg aktiv waren. Sie alle seien Nachfolgeorganisationen der seit 2003 verbotenen "Partei für Befreiung" (Hizb ut-Tahrir) und stünden dieser ideologisch nah. Reul forderte:
Er habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Brief geschrieben, in dem er ein Verbot der drei Organisationen und eine Verschärfung des Versammlungsrechtes fordert. Sein Ministerium prüfe derzeit, ob man Deutsch als Versammlungssprache vorschreiben oder Beschränkungen bei bestimmten Ausrufen oder Fahnengrößen machen könne.
Denkbar seien auch Vorgaben bezüglich der Tageszeiten, an denen solche Demos stattfinden. Und schließlich: "Können wir vielleicht auch noch restriktiver sein, was das Verbot einzelne Versammlungen angeht?"
SPD verlangt konsequenteres Eingreifen von Reul
Damit schiebe der NRW-Innenminister den Schwarzen Peter nach Berlin, kritisierte Christina Kampmann, Innenpolitikerin der SPD-Fraktion. Man hätte die Demonstration trotz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit sofort auflösen können:
Das sei aber nicht so einfach, "wie klein Fritzchen sich die Welt vorstellt", entgegnete Reul. Die Welt sei "leider kompliziert", die Auflösung einer Versammlung sei immer nur die Ultima Ratio.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.