Im Nahost-Konflikt steht US-Präsident Joe Biden innenpolitisch unter wachsendem Druck.
Quelle: Reuters
Die Botschaft an
Joe Biden ist unmissverständlich: Keine Waffenruhe in Gaza, keine Stimmen bei der Wahl. Der offene Brief, den der Nationale Rat muslimischer Demokraten vor wenigen Tagen an den US-Präsidenten schickte, war überschrieben mit dem Wort "Ultimatum".
Wenn Biden nicht bis zum nächsten Tag eine Waffenruhe im Gaza-Krieg erreiche, dann werde er Wählerstimmen von Muslimen im ganzen Land verlieren - dafür werde das Bündnis sorgen. Die Frist verstrich, ohne dass die unverblümte Drohung Erfolg hatte. Ein Waffenstillstand im
Krieg zwischen Israel und der Hamas ist nicht ansatzweise in Sicht. Und der Konflikt wird für Biden neben einer außenpolitischen zunehmend auch zu einer innenpolitischen Krise.
Biden steht unter wachsendem Druck von diversen Seiten und steckt in einer politischen Zwickmühle, die ihm mit Blick auf die Wahl in einem Jahr gefährlich werden könnte.
Biden steht fest an Seite Israels
Seit der verheerenden
Attacke der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober steht Biden fest an der Seite der israelischen Regierung. Bei dem schlimmsten Massaker in der Geschichte des Landes wurden auf israelischer Seite mehr als 1.400 Menschen getötet und mehr als 200 gewaltsam verschleppt. Seitdem bombardiert das israelische Militär den Gazastreifen, in dem die Hamas das Sagen hat.
Auch israelische Bodentruppen rücken in dem dicht besiedelten Küstengebiet vor - mit dem Ziel, die Hamas zu zerschlagen. Leidtragende sind die
Bewohner in Gaza. Nach Angaben des Hamas-kontrollierten Gesundheitsministeriums kamen bereits mehr als 10.000 Palästinenser ums Leben. Die Zahl lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Doch die Welt sieht jeden Tag erschütternde Bilder aus Gaza.
Aufruf zu begrenzten Feuerpausen
Biden und seine Regierung bemühen sich zwar um einen zunehmend nuancierten Ton,
rufen zum Schutz von Zivilisten auf, beschreiben immer wieder das Leid der Menschen in Gaza und setzen sich für zeitlich begrenzte Feuerpausen ein. Doch bislang ist die US-Regierung vehement
gegen eine generelle Waffenruhe und argumentiert, die würde nur der Hamas in die Hände spielen.
Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
ZDFheute Infografik
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Biden verzichtet bisher auch, Israels Vorgehen öffentlich zu kritisieren oder rote Linien für den Partner aufzuzeigen. Nach einem beispiellosen Angriff wie jenem der Hamas müssten die USA uneingeschränkt für Israel da sein, heißt es.
Widerstand in Regierung und Partei
Kritiker beklagen, mit sanften Appellen an
Israels Premier Benjamin Netanjahu erreiche die US-Regierung nichts - Biden müsse seinen Einfluss geltend machen und dürfe nicht tatenlos dem Leid der Palästinenser zusehen. Es brodelt überall: unter Demokraten in der Partei, im Kongress, in der Regierung, in gesellschaftlichen Gruppen, bei politischen Spendern und bei Wählern.
In Bidens Regierungsapparat organisieren sich Beamte, die in internen Schreiben Widerstand gegen die Linie des Präsidenten kundtun. Regierungsmitarbeiter sagen hinter vorgehaltener Hand, dass sie mit Bidens Kurs hadern. Ein ranghoher Mitarbeiter des Außenministeriums schmiss öffentlichkeitswirksam hin und erklärte, er könne die "blinde Unterstützung für eine Seite" nicht länger mittragen.
Eine jüngere Mitarbeiterin des Außenministeriums machte Schlagzeilen, als sie Biden auf der Plattform X öffentlich vorwarf, er mache sich mitschuldig an einem "Genozid" an den Palästinensern.
Linke Demokraten im Repräsentantenhaus fordern seit Wochen eine Waffenruhe, zuletzt schloss sich als erster Senator der Demokrat Dick Durbin an. Auch Dutzende Mitarbeiter im Parteiapparat der Demokraten forderten Biden in einem Brief auf, eine Waffenruhe durchzusetzen.
Unverständnis auf verschiedenen Seiten
Druck machen auch muslimische und arabischstämmige Gruppen. Der Rat für amerikanische-islamische Beziehungen etwa rief Biden auf, den "Wahnsinn" in Gaza zu stoppen. Es sei "inakzeptabel", dass die Regierung keine Waffenruhe fordere.
Manche jüdischen Wähler wiederum, die sich uneingeschränkten Beistand der Amerikaner wünschen, könnten sich abgestoßen fühlen durch die interne Zerrissenheit der Demokraten mit Blick auf den Gaza-Krieg. Kurzum: Innenpolitisch kann Biden es kaum jemandem Recht machen.
Bidens Lage ist schwieriger geworden
Bidens politische Lage war vor dem Gaza-Krieg schon nicht einfach. Der älteste US-Präsident aller Zeiten, der bald 81 wird, hat seit längerem mit miesen Beliebtheitswerten zu kämpfen und mit Vorbehalten wegen seines hohen Alters.
Selbst unter Parteikollegen mangelt es deshalb an Enthusiasmus für seine Wiederwahlkampagne - und auch in der Demokratischen Partei scheint sich keiner wirklich sicher, ob Biden die Wahl im November 2024 gewinnen kann. Durch die Eskalation im Nahen Osten ist seine Lage deutlich schwieriger geworden.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.
Quelle: dpa