Nach Verhandlungen mit Hamas:Gaza-Abkommen: Probleme auf letzten Metern
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Israels Kabinett sollte am Vormittag über das Gaza-Abkommen beraten - die Sitzung wurde verschoben. Das Büro von Ministerpräsident Netanjahu macht der Hamas Vorwürfe.
Israel und die radikal-islamische Hamas haben sich auf eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge geeinigt.16.01.2025 | 2:10 min
Im Gazastreifen löste die Ankündigung Jubel aus: Israel und die radikal-islamische Hamas haben sich auf eine Feuerpause verständigt, bald sollen erste Geiseln freikommen. Das israelische Kabinett muss die Vereinbarung noch billigen. Die Sitzung war für den Vormittag geplant - wurde aber verschoben.
"Die Hamas hält Teile der mit den Vermittlern und Israel getroffenen Vereinbarung nicht ein, um Zugeständnisse in letzter Minute zu erpressen", teilte das Büro von Benjamin Netanjahu mit. Dies habe zu einer "Krise in letzter Minute" geführt. Ohne eine Mitteilung der Vermittler, "dass die Hamas alle Elemente des Abkommens akzeptiert hat", werde das Kabinett nicht zusammenkommen, hieß es weiter.
Dem widersprachen die Islamisten: Die Hamas stehe zur von den Vermittlern angekündigten Waffenruhevereinbarung, erklärte Issat al-Rischk, Mitglied des Hamas-Politbüros.
Zuvor hieß es, "mehrere Klauseln" seien noch offen. Aus israelischen Regierungskreisen verlautete, bei den Details handle es sich um die Liste jener Palästinenser, die freigelassen werden sollen. Grund für die Verschiebung der Sitzung soll laut dem israelischen Sender Kan auch sein, dass der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich Netanjahu noch nicht Bescheid gegeben habe, ob seine Partei aus Protest gegen das geplante Abkommen die Regierung verlässt.
Erste Einschätzungen zum Waffenruhe-Abkommen von Thomas Reichart aus Tel Aviv und Elmar Theveßen in Washington.15.01.2025 | 2:52 min
Zwei Minister Netanjahus gegen Abkommen
Israels Präsident Isaac Herzog sprach von einem "äußerst entscheidenden Moment" und rief die Regierung auf, der Vereinbarung zuzustimmen. Die Rückholung der Geiseln sei die größte moralische, menschliche, jüdische und israelische Verpflichtung. Zugleich sieht das Staatsoberhaupt in den Verhandlungsergebnissen "eine der größten Herausforderungen", die Israel je erlebt habe.
In den vergangenen Monaten war Netanjahu während der indirekten Verhandlungen vorgeworfen worden, er habe immer wieder Chancen für ein Abkommen über eine Waffenruhe in letzter Minute platzen lassen. Zwei seiner Kabinettsmitglieder - Smotrich und der ebenfalls rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir sprachen sich gegen die Annahme aus.
"Der schwierigste Teil könnte erst noch kommen", so ZDF-Korrespondent Thomas Reichart in Tel Aviv nach der Vereinbarung über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln. 16.01.2025 | 1:29 min
Monatelange Bemühungen um Abkommen
Seit mehr als einem Jahr dauert der Krieg im Gazastreifen an, Zehntausende Menschen wurden getötet, das Küstengebiet liegt weitgehend in Trümmern. Nun gibt es nach monatelangen Bemühungen der USA, Ägyptens und Katars um eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas den lange erhofften Durchbruch. Katars Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman al-Thani sagte, die Ankündigung der Waffenruhe geschehe nun "in der Hoffnung, einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen den beiden Seiten zu erreichen".
Das ist im Abkommen zwischen Israel und der Hamas vorgesehen:
Die erste Phase soll sechs Wochen (42 Tage) dauern und am Sonntag um 12.15 Uhr (11.15 Uhr MEZ) in Kraft treten.
Sie soll Folgendes beinhalten: Eine vollständige Waffenruhe und einen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus allen dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens.
Palästinenser sollen demnach in alle Teile des Gazastreifens zurückkehren können.
Es soll außerdem zunächst eine bestimmte Gruppe von 33 Geiseln freigelassen werden - darunter Frauen, Ältere und Verletzte. US-Präsident Joe Biden betonte, darunter seien auch amerikanische Staatsbürger.
Im Gegenzug sollten Hunderte Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. Insgesamt sind noch etwa Hundert Geiseln in der Gewalt der Hamas.
Ziel sei auch, sofort in großem Stil humanitäre Hilfe in das Küstengebiet zu bringen.
Während der ersten Phase sollen laut Biden die notwendigen Vereinbarungen ausgehandelt werden, um zur zweiten Phase zu gelangen: einem dauerhaften Ende der Kämpfe.
Die Waffenruhe solle andauern, solange diese Verhandlungen laufen - auch falls sich dies länger als sechs Wochen hinzieht, so Biden.
In der zweiten Phase sollten dann alle restlichen lebenden Geiseln freigelassen werden, darunter auch männliche Soldaten. Da fraglich ist, ob tatsächlich eine Einigung gelingt, gibt es jedoch bereits Vorwürfe an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, man habe mit dem jetzigen Abkommen die restlichen Geiseln im Stich gelassen.
Das israelische Militär soll sich laut Biden komplett aus dem Gazastreifen zurückziehen.
In der dritten Phase sollen laut Biden die letzten Überreste getöteter israelischer Geiseln an ihre Familien zurückgegeben werden.
Außerdem solle dann der Wiederaufbau im Gazastreifen beginnen. Biden hatte dafür Ende Mai eine Dauer von drei bis fünf Jahren in Aussicht gestellt.
Quelle: dpa, Reuters, AFP
US-Präsident Joe Biden und sein Nachfolger Donald Trump bestätigten das Ergebnis. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem "Tag der Erleichterung". Der Erfolg zeige, "wie wichtig es ist, auch in den dunkelsten Stunden, den Glauben an Diplomatie niemals aufzugeben".
Die USA hatten einen großen Einfluss auf die Einigung zur Waffenruhe in Gaza. Der amtierende Präsident Biden und der künftige Präsident Trump feiern den Erfolg beide für sich. 16.01.2025 | 1:40 min
Erleichterung im Gazastreifen und bei Angehörigen der Geiseln
Nach der Einigung bei den Verhandlungen versammelten sich auf den Straßen des Gazastreifens Tausende Menschen zum Feiern. Sie tanzten, umarmten einander und fotografierten sich, um den besonderen Moment festzuhalten.
Die Angehörigen der aus Israel in den Gazastreifen verschleppten Geiseln reagierten ebenfalls erleichtert. "Seit November 2023 haben wir diesen Moment sehnsüchtig erwartet", heißt es in einer Stellungnahme des Forums der Geisel- und Vermisstenfamilien. Es handele sich um einen bedeutenden Schritt, der die Rückkehr aller Geiseln näherbringe. Zugleich sei man in Sorge, dass das Abkommen möglicherweise nicht vollständig umgesetzt werden könnte.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.