Die israelische Offensive in Gaza schreitet voran. Wieso es für Israel wichtig ist, Kriegsrecht einzuhalten und wie Europa den Zivilisten helfen kann, erklärt ein Nahost-Experte.
Die israelische Armee rückt weiter in den Gazastreifen vor. Doch der Einsatz ist heikel - noch immer befindet sich eine dreistellige Zahl von Geiseln in den Händen der Hamas-Terroristen. Die Terrorgruppe schreckt zudem nicht davor zurück, die eigene Bevölkerung als Schutzschild zu verwenden: Israelische Soldaten entdeckten nach Angaben der Armee zahlreiche Waffen im Keller eines Krankenhauses. Damit bringt die Hamas Israel wohl vorsätzlich in ein Dilemma - auf Kosten der ohnehin leidenden palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen:
Nahost-Experte Gil Yaron erklärt bei ZDFheute live, wie Israel versucht, sich an internationales Kriegsrecht zu halten, wie Europa den Zivilisten in Gaza helfen kann und wie die aktuelle Lage im Westjordanland ist. Zunächst aber blickt er mit vorsichtiger Zuversicht auf die Lage der Geiseln.
Quelle: ZDF
... ist Leiter des Büros des Landes NRW für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Jugend und Kultur in Tel Aviv. Yaron kam 1973 als Sohn deutschstämmiger Israelis in Haifa zur Welt und wuchs in Düsseldorf auf. Nach einem Studienaufenthalt in den USA kehrte Gil Yaron nach Israel zurück, um in Jerusalem an der Hebrew University Medizin zu studieren. Bis zu seiner Promotion 2006 forschte und veröffentliche er zudem im Feld der Molekularbiologie.
Yaron studierte Arabisch und Politik in Givat Haviva und an der Hebräischen Universität und schrieb für eine Vielzahl hebräischer, deutsch- und englischsprachiger Medien, zuletzt als Israel-Korrespondent.
(Quelle: NRW Infopunkt Israel)
Das sagt Nahost-Experte Yaron über…
… Hoffnung für die Geiseln in den Händen der Hamas:
"[Es] werden jetzt Neuigkeiten bekannt, dass die Israelis in fortgeschrittenen Verhandlungen sind über Ägypten und wahrscheinlich auch über Katar für die Entlassung der Geiseln. Der US-Präsident Joe Biden hat sich jetzt vor ganz kurzer Zeit sehr optimistisch geäußert. Und nun wurde bekannt, dass der Chef der Inlandsgeheimdienste sich in diesen Minuten in Kairo befindet. Wahrscheinlich, um die letzten Details eines Austausches von Verschleppten gegen palästinensische Gefangene in Israel auszuhandeln.
Genaue Details sind im Moment noch nicht bekannt. Aber im Augenblick herrscht ein bisschen mehr Optimismus."
"In der israelischen Armee läuft es so, dass fast jeder Luftschlag ja auch von Juristen begleitet wird, die in dem Einsatzkommandoraum sitzen. Und bevor ein Luftschlag stattfindet, werden sie befragt, 'ist das aus juristischer Sicht abgedeckt?'.
Und die israelischen Reservisten, die im Augenblick im Gazastreifen ihren Dienst tun, möchten später keinen internationalen Haftbefehl gegen sich ausgestellt sehen und versuchen sich deshalb, an internationales Kriegsrecht zu halten. Zumal Israel auch ein Interesse hat, dieses Kriegsrecht einzuhalten, aus zwei Gründen: Zum einen ist dies aus israelischer Sicht kein Krieg gegen das palästinensische Volk, sondern gegen die Hamas.
Und zum zweiten ist jeder Bruch des internationalen Rechts ja ein Anlass, weiteren Druck auf Israel auszuüben, und das würde bedeuten, dass Israel immer weniger Zeit zur Verfügung hat, um das zu machen, wofür sie eigentlich da sind. Nämlich die militärische Infrastruktur der Hamas zu zerstören. Dafür brauchen sie Zeit und dafür brauchen sie einen Zeitkredit, den ihnen die internationale Staatengemeinschaft gewährt."
… Europas Möglichkeiten, die humanitäre Situation in Gaza zu verbessern:
"Ich glaube auch, dass die Europäer natürlich darauf pochen, dass es humanitäre Korridore gibt, dass sie pochen, dass es Feuerpausen gibt, in denen die Zivilbevölkerung sich in Sicherheit bringen kann. (…)
Aber man kann natürlich auch noch an andere Lösungen denken. Natürlich kann man Feldhospitale aufbauen und die hätten in Ägypten zumindest einen Vorteil: Unter solchen Feldkrankenhäusern, die jetzt von europäischen Nationen aufgebaut würden oder Krankenhausschiffen, wie beispielsweise die Türkei sie entsandt hat - darunter würde sich kein Bombenkeller der Hamas befinden.
Nur dafür bräuchte man die Zustimmung von Ägypten, die es ja im Augenblick noch nicht gibt. Oder vielleicht die Zustimmung sogar Israels. Es werden ja sogar Palästinenser auch in Israel behandelt, auch das kommt ja vor."
… die Situation im Westjordanland:
"Auch da eskaliert die Lage fortwährend, wir sehen da immer mehr Tote, eigentlich auf beiden Seiten. Wir sehen immer mehr Zusammenstöße zwischen der israelischen Armee und den Palästinensern und diese Zusammenstöße, die eskalieren nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Wir sehen hier, dass die Israelis sogar inzwischen neuerdings dazu zurückgreifen, ihre Luftwaffe einzusetzen in Form von Drohnen. Dass also Luftschläge durchgeführt werden gegen palästinensische Terrorzellen.
Und auch hier sehen wir wieder ähnliche Taktiken der Hamas. Erst heute wieder wurde ein hochrangiger gesuchter Hamas-Kommandant von einer Terrorbrigade im Norden des Westjordanlands gefasst. Nämlich indem er versuchte, innerhalb von einem Krankenwagen aus der Stadt zu fliehen, in der man nach ihm suchte.
So im Gazastreifen, so auch im Westjordanland. Und darauf reagiert Israel im Augenblick sehr hart und da ist großes Eskalationspotenzial."
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.