Nach Hamas-Großangriff:Die zwei Botschaften der Nato an Israel
von Florian Neuhann
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"Wir stehen an der Seite Israels" - das sagt die Nato heute dem israelischen Verteidigungsminister. Und schiebt eine klare Mahnung hinterher.
Auf den Bildschirmen im Saal des Nordatlantikrats in Brüssel erscheint an diesem Morgen das Gesicht von Yoav Galant. Turnusgemäß haben sich hier die Verteidigungsminister des Militärbündnisses zu ihrem Herbsttreffen versammelt. Die Tagesordnung ist ohnehin schon vollgepackt: Es soll um Verteidigungspläne gehen, um die Nato-Missionen im Kosovo und im Irak, um den mutmaßlichen Angriff auf die Pipeline zwischen Estland und Finnland.
Kurzfristig aber haben sie eine Stunde freigeräumt, um über die Situation in Israel zu beraten. Und von Yoav Galant, dem Verteidigungsminister des Landes, hören sie aus erster Hand, wie er die Lage sieht.
Videos von Gräueltaten der Hamas
Galant beschreibt ausführlich die Gräueltaten der Hamas an den Bürgern seines Landes - und an Bürgern aus Nato-Staaten. Er belässt es nicht bei Worten. Er zeigt der Runde auch, so berichten Diplomaten, ein Video von Gräueltaten der Hamas. Das alles ist offenbar sehr eindrücklich.
ZDF-Korrespondent Florian Neuhann berichtet über die Konsequenzen der NATO aus dem Konflikt im Nahen Osten.12.10.2023 | 2:44 min
Was Galant daraufhin hört, sind gleich zwei Botschaften. Die eine ist sehr deutlich: Die Nato verurteile die Terrorangriffe der Hamas "in den schärfsten Worten". Israel stehe nicht allein, so lässt sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hinterher zitieren. Ähnliches ist an diesem Morgen von mehreren Ministern aus dem Kreis der Nato zu hören. "Wir stehen an der Seite Israels", sagt Verteidigungsminister Boris Pistorius in Brüssel.
Deshalb, so Pistorius, habe die Bundesregierung dem Land bereits zwei Heron-Kampfdrohnen überlassen. Und man prüfe die israelische Anfrage nach Munition für Kriegsschiffe.
Vielstimmige Warnung an Israel
Dazu aber kommt Botschaft Nummer zwei der Nato an Israel, und sie schallt dem Gast nach Angaben aus Diplomatenkreisen vielstimmig entgegen: Es ist der Ruf nach der Verhältnismäßigkeit bei Gegenschlägen. Schon am Abend zuvor hatte Generalsekretär Stoltenberg diesen Ruf in seiner ersten Pressekonferenz so artikuliert: "Wir erwarten, dass die israelische Antwort verhältnismäßig sein wird." Es sei wichtig, den Tod von unschuldigen Zivilisten zu vermeiden.
Die Warnung der Nato wirkt umso stärker, als sie wenig später auch aus Washington kommt, vom US-Präsidenten höchstpersönlich. "Ich kenne Bibi nun seit über 40 Jahren", sagt Joe Biden - und nennt den israelischen Präsidenten Netanjahu freundschaftlich bei seinem Spitznamen. Eine Sache habe er ihm gesagt, neben seiner vollen Solidarität: "Bei all der Wut und der Frustration gibt es Regeln des Krieges."
Und die Blockade des Gaza-Streifens?
Die Frage ist nur, wo die Verhältnismäßigkeit aus Sicht des Westens endet. Bei einer totalen Blockade des Gaza-Streifens, wie sie der Gast vom Morgen, Yoav Galant, angekündigt hatte? Schon am Dienstag hatte etwa der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell diese Ankündigung offensiv kritisiert. "Israel hat ein Recht sich zu verteidigen", sagte Borrell. Aber manche Entscheidungen Israels würden gegen das Völkerrecht verstoßen. Er meint offensichtlich den Blockade-Plan.
In Brüssel aber will am Morgen niemand aus der Runde der Minister diese Kritik genauso wiederholen. Noch hält sich die Nato mit direkter Kritik zurück - und belässt es bei der Warnung.
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