"Lanz": Netanjahu-Haftbefehl - richtig oder doch peinlich?
Heftige "Lanz"-Debatte:Netanjahu-Haftbefehl: Richtig oder peinlich?
von Felix Rappsilber
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Richtig - oder peinlich? Wie Berlin mit dem Haftbefehl gegen Israels Premier umgehen sollte, darüber gingen die juristischen und politischen Meinungen bei "Lanz" weit auseinander.
Robin Alexander, René Wilke und Kai Ambos waren am 28.11.2024 zu Gast bei Markus Lanz.
Quelle: ZDF/Cornelia Lehmann
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu betritt deutschen Boden - ein Szenario, das bei "Lanz" zu Differenzen zwischen der juristischen und politischen Bewertung des Haftbefehls gegen den israelischen Ministerpräsidenten führte.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hatte Haftbefehle gegen Netanjahu, den früheren israelischen Verteidigungsminister Joav Galant und den Hamas-Militärchef Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (genannt Deif) erlassen. Die Begründung: Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
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Rechtsexperte Ambos: Rechtslage ist klar
Mit Blick auf eine mögliche Einreise Netanjahus nach Deutschland sagte Straf- und Völkerrechtler Kai Ambos bei "Markus Lanz": "Wir müssen ihn festnehmen, aber er hat dann natürlich Möglichkeiten des Rechtsschutzes, wie in jedem Fall."
Netanjahu könne sich beispielsweise einen Anwalt nehmen und seine Immunität vorbringen:
IStGH-Erlass für Völkerrechtler keine Überraschung
Allerdings ließ der Völkerrechtler keine Zweifel daran aufkommen, dass Deutschland an internationale Statuten gebunden sei:
Für die Völkerrechtler, die den Nahost-Konflikt beobachten würden, sei das Urteil des Internationalen Strafgerichtshofes "keine Überraschung" gewesen. Ein Grund laut Ambos: Aktuell gelte das "Recht des bewaffneten Konflikts". Dieses beinhalte die Regel der Unterscheidung zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen, die Regel der Vorsorge in Sachen Evakuierungsanordnungen sowie die Regel der Verhältnismäßigkeit.
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Göring-Eckardt: Mit Netanjahu "woanders reden"
Katrin Göring-Eckardts Einschätzung fiel hingegen weniger eindeutig aus. Die Grünen-Politikerin erklärte, der Netanjahu-Haftbefehl habe "eine politische Dimension mit unserem besonderen Verhältnis zu Israel".
Sie entgegnete Ambos: "Nichts ist mir ferner, als zu sagen: Ginge es nicht vielleicht auch anders?" Doch die Vizepräsidentin des Bundestags führte ein "Aber" an: Man befinde sich in einer "Selbstverteidigungssituation" - in einer Zeit, in der der 7. Oktober traumatisch wirke, nicht nur für Israel, sondern auch für Jüdinnen und Juden, die in Deutschland lebten.
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Grünen-Politikerin: Fall Putin ist anders
Anders als im Falle des russischen Präsidenten Wladimir Putin könne man sich laut Göring-Eckardt, darum bemühen, dass in Israel "juristische Schritte gegangen werden. Diese Frage ist eine, die - für mich jedenfalls - [vor der Vollstreckung des Haftbefehls] steht."
Genau das sei der Umgang der deutschen Politik mit dem Urteil des IStGH. Aktuell stehe kein Staatsbesuch des israelischen Ministerpräsidenten an, man könne mit Herrn Netanjahu auch "woanders reden".
Mehrere Gerichte beschäftigen sich in Den Haag mit internationalem Recht. Ihre Zuständigkeiten sind allerdings unterschiedlich. Der Internationale Gerichtshof (IGH) ist das 1945 gegründete Gericht der Vereinten Nationen (UN) und beschäftigt sich mit völkerrechtlichen Klagen zwischen Staaten.
Unabhängig davon entscheidet der Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) über Straftaten wie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Er gehört nicht zu den Vereinten Nationen und existiert erst seit 2002. Vor dem IStGH werden keine Staaten, sondern Einzelpersonen angeklagt.
Die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) ist auf schwerste völkerrechtliche Verbrechen beschränkt. Gemäß Artikel 5 des Römischen Statuts zählen dazu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnen dabei ausgedehnte oder systematischen Angriffe gegen die Zivilbevölkerung beispielsweise durch Ausrottung, Folter oder Vertreibung.
Kriegsverbrechen meint insbesondere Verstöße gegen die Genfer Konvention durch beispielsweise vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung oder zivile Objekte wie Krankenhäuser.
Göring-Eckardt beharrte: "Wenn das Rechtliche so ist, wie gerade besprochen, dann gibt es immer noch die Möglichkeit, dass Israel als Rechtsstaat Verfahren eröffnet. Darüber kann man natürlich auch diplomatisch sprechen."
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Haftbefehl mit politischer Botschaft?
"Welt"-Journalist Robin Alexander sprang Göring-Eckardt bei. Netanjahu habe im Rechtsstaat Israel "einen ganzen Sack voll Prozesse an der Hacke". Alexander kritisierte:
"Wir sind alle Anhänger von internationalen Organisationen."
Er wolle nicht sagen, dass der Internationale Strafgerichtshof das auch tue, aber:
Dass sich die deutsche Bundesregierung dahingehend abwägend äußere, sei ein "Zeichen ihrer Klugheit".
Ambos widersprach. Dieses Argument werde als eines von vielen in Stellung gebracht, weil es "unbequem" sei, dass gegen einen "Freund von uns, ein Land, mit dem wir historisch verbunden sind", ein Haftbefehl vorliege. Für ihn handele sich um eine "sehr deutsche Diskussion".
Dass die Bundesregierung den Haftbefehl prüfen wolle, sei ein "peinlicher Auftritt".