Gaza-Krieg: Welche Gewalt erlaubt das Völkerrecht?

    Völkerrecht zum Gaza-Krieg:Diese Regeln müssen Hamas und Israel beachten

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
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    Israel verteidigt sich gegen den Hamas-Terror und geht massiv gegen Ziele im Gazastreifen vor. Welche Regeln des Völkerrechts gelten dabei? Diesen Schutz müssen Zivilisten haben.

    Nicht erst seit den Bluttaten von Samstag, sondern seit Jahrzehnten ist klar belegt, dass Hamas die Regeln des Krieges missachtet. Mit Selbstmordattentaten auf öffentliche Verkehrsmittel, wahllosem Raketenbeschuss und anderen Angriffen auf Zivilisten. Dabei greift auch beim Widerstand gegen eine Besatzungsmacht das Völkerrecht. Und das verletzt Hamas seit seiner Gründung durchgehend.
    Dass sich Israels Militär gegen diesen Terror zur Wehr setzen darf, steht völkerrechtlich außer Frage. Doch die seit Tagen andauernden Luftschläge auf den Gazastreifen und eine wahrscheinlich bevorstehende Bodenoffensive werfen auch für Israel die Frage auf: Wo liegen die Grenzen des Erlaubten? Wie hart darf man vorgehen, ohne selbst das Völkerrecht zu brechen?

    Was ist das humanitäre Völkerrecht?

    Das humanitäre Völkerrecht soll Zivilisten und Kämpfende in Kriegen und Konflikten schützen und unnötiges Leid verhindern. Es umfasst eine ganze Reihe von Normen und Abkommen, etwa die Haager und Genfer Konventionen. Viele der Regeln gelten als sogenanntes Völkergewohnheitsrecht automatisch und für alle Konfliktparteien.
    Insbesondere spielt es keine Rolle, ob sich die andere Partei daran hält, sagt Markus Krajewski, Professor für Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg: "Beide Seiten sind immer an das humanitäre Völkerrecht gebunden."

    Israel muss die Hamas und den Terror mit den Mitteln bekämpfen, die im Rahmen des Rechts liegen. Völlig unabhängig davon, wie stark die Hamas es verletzt.

    Prof. Markus Krajewski, Universität Erlangen-Nürnberg

    Weder das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien spielt dabei juristisch eine Rolle, noch dass Israel am Sonntag erstmals seit 1973 formell den Kriegszustand ausgerufen hat.
    Orte im Gazastreifen

    ZDFheute Infografik

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    Welche Gewalt ist im Krieg erlaubt?

    Erlaubt ist zunächst nur die Bekämpfung von Kombattanten und militärischen Zielen. Das heißt aber nicht, dass zivile Ziele und Zivilisten niemals zu Schaden kommen dürfen. Es geht vor allem um die Verhältnismäßigkeit.
    "Es gibt kein absolutes Verbot, ein militärisches Ziel anzugreifen, auch wenn dabei möglicherweise Zivilisten zu Schaden kommen", sagt Krajewski ZDFheute. Aber: "Bei jedem Einzelfall muss Israel sich überlegen, wie es ziviles Leben schont, selbst wenn die Hamas Raketenwerfer auf Wohnhäuser stellt."
    Liegen belastbare Beweise vor, dass eine Konfliktpartei zivile Orte wie Schulen oder Moscheen militärisch nutzt, dann können sie zu legitimen Zielen werden. Ab wie vielen zivilen Opfern ein Angriff unverhältnismäßig wird, ist jedoch nirgends festgelegt. Oft warnt Israel Zivilisten wenige Minuten vorab, sollten ihre Häuser Angriffsziele werden. So versuche man diese Verpflichtung des Völkerrechts zu erfüllen, so Krajewski.
    Aus diesem Grund stimmt es Menschenrechtler nun auch bedenklich, dass Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant am Dienstagabend vor Soldaten sagte:

    Ich habe alle Beschränkungen aufgehoben. Wir werden jeden töten, der gegen uns kämpft, unter Einsatz aller Mittel.

    Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant

    Die "Times of Israel" und "CNN" berichteten daraufhin, dass bestimmte Formen des Vorwarnens von Zivilisten seltener angewendet würden. UN-Generalsekretär António Guterres rief Israel bereits am Montag auf, seine Militäroperation unter Achtung des internationalen Völkerrechts durchzuführen.

    António Guterres zur Lage im Gazastreifen

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    Darf Israel eine Bodenoffensive starten?

    Im aktuellen Fall verbietet das Völkerrecht einen Einmarsch in den Gazastreifen nicht, da von dort aus Angriffe auf Israel stattfinden und Geiseln dorthin verschleppt wurden. Über zwei Millionen Menschen leben im Gazastreifen; eine großflächige Evakuierung der Zivilbevölkerung hat bislang nicht stattgefunden. Die vollständige Evakuierung aller Zivilisten ist auch keine zwingende Vorbedingung für eine legale Bodenoffensive - sofern es Gelegenheiten gibt, sich in Sicherheit zu bringen.
    Bevölkerung im Gazastreifen

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    Nicht alle Teile des Gazastreifens sind gleichermaßen dicht besiedelt und zumindest kurzfristig könnten Menschen innerhalb des Gazastreifens flüchten. Eine dauerhafte Lösung ist das aber nicht und Hunderttausende Binnenflüchtlinge auf einer Fläche kleiner als Köln, während unweit davon ein blutiger Häuserkampf tobt, ist die Idealbedingung für ein humanitäres Desaster. Zwar liegt im Süden die Grenze zum Sinai, die versperrt Ägypten jedoch bislang. Ägypten sei auch nicht automatisch völkerrechtlich verpflichtet, diese Menschen auf sein Staatsgebiet zu lassen, sagt Krajewski.
    Sollte Hamas eine Evakuierung gar nicht erst zulassen, stehe man erst recht vor einem Dilemma. "Israel muss sich genau überlegen, ob und wie es eine Offensive durchführt. Im Zweifelsfall muss man das von Haus zu Haus entscheiden", sagt Krajewski. "Das ist wahnsinnig schwer, aber Offiziere in Streitkräften werden genau für solche Entscheidungen ausgebildet."

    Muss Israel Hilfe für Zivilisten nach Gaza lassen?

    Am Montag verkündete Israel eine vollständige Blockade des Gazastreifens und stellte die Versorgung mit Strom und Wasser ein. Auch Lebensmittel sollen nicht mehr durchgelassen werden.
    UN-Menschenrechtschef Volker Türk kritisierte diesen Schritt am Dienstag als "illegal". Die Vereinten Nationen forderten die Einrichtung eines humanitären Korridors zur Versorgung der Zivilbevölkerung.
    Auch Experte Krajewski sagt:

    Das Aushungern, das Abschneiden der Zivilbevölkerung von lebensnotwendiger Infrastruktur und Versorgung, ist völkerrechtlich seit über 100 Jahren verboten.

    Prof. Markus Krajewski, Universität Erlangen-Nürnberg

    Konvois, die die Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgen, dürfe man nicht angreifen, betont Krajewski. "Anders ist es etwa beim Transport von Treibstoff, wo Israel zu Recht annehmen muss, dass dieser Treibstoff auch zur Versorgung der Hamas dient. Dass die Terrororganisation so eng mit der zivilen Verwaltung in Gaza verwoben ist, macht die Situation zu einer Herausforderung."

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