Israel und die UN: Woher das angespannte Verhältnis kommt

    Analyse

    Eklat im Sicherheitsrat:UN und Israel: Eine schwierige Beziehung

    |

    Der Streit um Guterres' Aussagen offenbart, wie angespannt die Beziehung zwischen Isreal und den UN ist. Das liegt an Mehrheiten im Völkerbund und seiner konfliktreichen Historie.

    Es waren Worte mit Sprengkraft, die im zurückhaltenden Ton von UN-Generalsekretär António Guterres aber fast schon nüchtern klangen. Der oberste Diplomat der Vereinten Nationen verurteilte das Blutbad der Hamas in Israel im Weltsicherheitsrat scharf - doch stellte auch eine Verbindung her zum Jahrzehnte andauernden Nahost-Konflikt:
    "Es ist wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden", sagte Guterres und sprach von einer 56 Jahre währenden "erdrückenden Besatzung" der Palästinenser durch Israel. Israel begehe "Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht" im Gazastreifen. Ein Eklat im UN-Sicherheitsrat.

    Heftige Reaktion - Guterres "schockiert"

    Die Reaktion dürfte die heftigste sein, die der 74-jährige Portugiese seit dem Amtsantritt 2017 erlebt hat. Der israelische UN-Botschafter sprach von "reiner Blutverleumdung" und forderte Guterres' Rücktritt. Israels Außenminister sagte ein geplantes Treffen mit ihm in New York ab. Guterres reagierte - er sei "schockiert" über die "Fehlinterpretation".
    Auf der Bühne des Sicherheitsrates entbrannte ein Streit über Empathie und Verhältnismäßigkeit, in dem sich die aufgeladenen Emotionen des hochkomplexen Konflikts spiegeln. Dabei kam eben genau diese Debatte nicht "im luftleeren Raum" - also ohne Vorgeschichte - ins Rollen.

    UN-Mitglieder haben Israel kritisch im Blick

    Schon lange sehen sich die Israelis von den UN unfair behandelt. Es gebe eine "automatische Mehrheit gegen Israel", so ein Sprecher des Außenministerium. Zahlen belegen: Die Organisation "UN Watch" hat zwischen 2015 und 2022 in der UN-Vollversammlung 140 verabschiedete Resolutionen gezählt, die sich direkt oder indirekt kritisch mit Israel auseinandersetzen. Alle anderen Länder und Konflikte wurden in derselben Zeit gerade mal 68 Resolutionen zuteil.
    Die stabile Mehrheit gegen Israel besteht aus arabischen Staaten und Ländern des sogenannten Globalen Südens. Deutschland stimmt zusammen mit den anderen Staaten der Europäischen Union teils mit ihnen, teils enthält Berlin sich. Die USA votiert dabei stets mit Israel.
    Im UN-Menschenrechtsrat steht Israels Vorgehen in den Palästinensergebieten bei jeder Sitzung automatisch auf dem Prüfstand - in einem eigenen Tagesordnungspunkt, der sich mit der Lage in den von Israel besetzten Gebieten befasst. Die USA und andere westliche Länder verlangen seit langem vergeblich die Streichung.

    Beziehung von Israel und UN 1975 am Tiefpunkt

    Das Verhältnis zwischen Israel und den UN ist schwierig, dabei gelten die Vereinten Nationen vielen als "Hebamme Israels". 1947 entschied sich die UN-Vollversammlung die Aufteilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Ein halbes Jahr später wurde der Staat Israel gegründet.
    Die Wende kam 1967 mit der Besetzung der Palästinensergebiete, Ost-Jerusalems, der Golanhöhen und der Sinai-Halbinsel, aus der Israel sich später wieder zurückzog. Seinen Tiefpunkt erreichten die Beziehungen 1975, als die Vollversammlung Zionismus als eine Form von Rassismus bezeichnete. Die Resolution wurde später wieder aufgehoben.

    UN-Generalsekretär: Einklang mit Positionen der Mitglieder

    In den Organen der Vereinten Nationen spiegelt sich die Haltung der Länder der Welt. Ihre Mehrheit ist Israel gegenüber kritisch oder sogar feindlich. Guterres hat auf das Wahlverhalten der UN-Mitglieder keinen Einfluss. Seine diplomatischen Positionen müssen aber im Einklang mit den Beschlüssen der UN-Organe stehen.
    Guterres selbst gilt als zu Israel zugewandt. 2020 verlieh der Jüdische Weltkongress ihm für seine Arbeit den Theodor-Herzl-Preis. Der Generalsekretär sagte in seiner Dankesrede:

    Ich werde Ihnen weiterhin im Kampf gegen Antisemitismus und Diskriminierung jeglicher Art zur Seite stehen.

    Antonío Guterres

    Trauernde junge Israelin
    Vor knapp drei Wochen zogen islamistische Terroristen mordend durch israelische Ortschaften. Seither gleicht die Region einem Pulverfass: Wie weit wird der Krieg eskalieren?24.10.2023 | 43:58 min

    Guterres ist nicht für Gepolter bekannt

    Hinter verschlossenen Türen in New York sagen westliche Vertreter aber, Guterres hätte schon mehr Empathie für die Israelis zeigen können. UN-Experte Richard Gowan von der Denkfabrik Crisis Group meint, Guterres sei eigentlich dafür bekannt, Gesprächskanäle nicht durch zu starke öffentliche Auftritte zu beschädigen - gerade mit Israel:
    "Er hätte diese Rede nicht gehalten, wenn er sie nicht für absolut notwendig gehalten hätte". Die Reaktion der Israelis sei nachvollziehbar.

    Aber ich denke, dass sie ihre allgemeine Wut wegen der internationalen Kritik an ihrem Vorgehen am Generalsekretär auslassen.

    Richard Gowan, UN-Experte

    USA reagieren zurückhaltend

    Israels Außenminister Cohen kritisiert Guterres deutlich und fragt: "Herr Generalsekretär, in welcher Welt leben Sie?" Sein UN-Botschafter fordert sogar dessen Rücktritt.
    Aus den USA bleibt es bemerkenswert still: US-Außenminister Blinken dankte Guterres im Sicherheitsrat sogar demonstrativ für seine Bemühungen, insbesondere im Einsatz für humanitäre Hilfe im Gazastreifen. Da hatte der Generalsekretär neben ihm seine folgenschweren Worte schon längst gesprochen.

    Nahost-Konflikt
    :Aktuelle Nachrichten zur Eskalation in Nahost

    Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.
    Menschen und Retter tragen den bedeckten Körper eines Gefangenen, der aus den Trümmern eines Hauses gezogen wurde, aufgenommen am 18.11.2024
    Liveblog
    Quelle: dpa

    Aktuelle Nachrichten zum Nahost-Konflikt