Iran nach Israels Angriff in "strategischer Bredouille"
Interview
Nach Israels Angriff:Iran in einer "strategischen Bredouille"
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Wie reagiert der Iran auf den israelischen Angriff? Der Nahost-Experte Fabian Hinz über die Optionen Teherans und die Gefahr einer weiteren Eskalation.
Israel hat in der Nacht seinen lange erwarteten Vergeltungsschlag auf Iran wahr gemacht: Ziel waren offenbar keine Atomanlagen oder Ölfelder, sondern militärische Einrichtungen. 26.10.2024 | 2:17 min
Nach dem lange erwarteten israelischen Angriff auf den Iran richtet sich das Augenmerk jetzt auf Teheran: Wie reagiert das dortige Regime auf die Attacke?
Am 1. Oktober hatte der Iran Israel massiv mit Raketen angegriffen, darauf reagierte das israelische Militär nun offenbar mit einem Vergeltungsschlag. Eskaliert der Konflikt dadurch weiter? Nahost-Experte Fabian Hinz ordnet den israelischen Angriff ein und erklärt, welche Optionen Teheran hat.
ZDFheute: Wie bewerten Sie die Größenordnung und das Ausmaß des Angriffs?
Fabian Hinz: Vieles ist noch unklar. Es wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen, was genau angegriffen und zerstört wurde. Es gibt die Erklärung der israelischen Streitkräfte, wonach die Angriffe auf Raketenproduktionsanlagen zielten. Inzwischen gibt es auch erste Satellitenfotos, auf denen zu sehen ist, dass zwei militärische Produktionsanlagen in der Nähe von Teheran getroffen wurden. Eine davon ist eine Fabrik für Feststoffraketenmotoren.
Das hat eine gewisse Geschichte auch bei früheren israelischen Aktionen im Iran, Libanon oder Syrien. Da ging es immer darum, gezielt den technischen Flaschenhals in einem Produktionsprozess anzugreifen und auszuschalten.
Im Iran gibt es nicht viele der offenbar betroffenen Anlagen. Wenn diese für einen gewissen Zeitraum außer Kraft gesetzt werden, beeinflusst das schon die iranischen Produktionskapazitäten. Es ist zwar möglich, die Anlagen wieder aufzubauen. Aber das dauert eine gewisse Zeit.
Quelle: ZDF
... ist Militär- und Waffenexperte und forscht momentan im Berliner Büro des Thinktanks International Institute for Strategic Studies (IISS) zu den Themen Verteidigung, Militäranalyse und Nahost.
ZDFheute: Im Vorfeld wurde auch über mögliche Angriffe auf Ölanlagen oder Atomanlagen im Iran spekuliert. Was bedeutet es für eine mögliche Reaktion des Iran, dass Israel davon abgesehen hat?
Hinz: Die zentrale Frage ist, inwieweit sich der Iran unter Zugzwang sieht, wieder zu reagieren. Momentan versucht Teheran, den Angriff herunterzuspielen. Die Frage ist, ob man das aufrechterhalten kann, wenn Satellitenfotos zerstörte Gebäude zeigen und bekanntgegeben wird, dass iranische Soldaten bei den Angriffen getötet wurden.
Die israelische Armee griff nach eigenen Angaben mehrere militärische Ziele im Iran an. ZDF-Korrespondenten Gaa und Bode berichten aus Istanbul und Tel Aviv.26.10.2024 | 2:15 min
Dazu kommt die Frage, was überhaupt der nächste Schritt für den Iran sein könnte. Teheran hat keine wirklich guten Optionen. Wenn man in großem Stil zurückschlägt, greift das israelische Militär wieder an. Der jetzige Angriff hat aber auch gezeigt, dass der Iran solche Attacken nicht wirklich abwehren kann. Wenn der Iran nicht reagiert, könnte er Israel damit ebenfalls dazu einladen, weitere Angriffe dieser Art zu fliegen.
Eine Möglichkeit wäre auch eine asymmetrische Vergeltung, beispielsweise Angriffe auf kritische Infrastruktur in Israel oder Cyberangriffe. Es ist aber fraglich, ob der Iran mit solchen Mitteln sein Abschreckungspotenzial wiederherstellen kann.
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David Sauer und Claudia Bates, Washington D.C.
Analyse
ZDFheute: Ist das Risiko einer weiteren Eskalation durch den israelischen Vergeltungsschlag gewachsen?
Hinz: Dabei muss man immer sehr genau bedenken, dass zu einer weiteren Eskalation auch Fähigkeiten gehören müssen. Und da stellt sich schon die Frage, welche Fähigkeiten der Iran überhaupt hat, die Situation weiter zu eskalieren. Auch Irans Arsenal an weitreichenden Waffen hat seine Grenzen. Und letztlich muss man sich auch immer vor Augen führen, dass Iran und Israel keine direkte Landgrenze haben. Auch das limitiert ein wenig das Eskalationspotenzial.
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ZDFheute: Rechnen Sie mit einer direkten Reaktion des Iran?
Hinz: Ich denke, dass Teheran sich sehr genau überlegen wird, wie man reagiert. Auch in der Vergangenheit kamen Antworten oft mit teils großer Verzögerung. Das ist nicht unbedingt schlecht, weil es ein bisschen die Hitze aus der Situation nimmt. Man überlegt genauer, wie weit man geht, wie sehr man eskalieren will. Wie genau die Entscheidung aber am Ende ausfallen wird, lässt sich schwer vorhersagen. Denn letztlich werden solche Entscheidungen im Iran von einem sehr kleinen Kreis von Personen getroffen. Und denen kann man leider nicht in den Kopf schauen.
Das Interview führte ZDFheute-Redakteur Carsten Hauptmeier.
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