Israel und Hisbollah: Warum es jetzt zur Waffenruhe kommt
Interview
Experte zu Israel und Hisbollah:Warum es gerade jetzt zur Waffenruhe kommt
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Israel und die Hisbollah stehen vor einer Waffenruhe. Nicht nur die Miliz ist geschwächt. Was dahinter steckt - und warum eine solche Einigung mit der Hamas in weiter Ferne liegt.
Der Krieg im Libanon habe den Konflikt zwischen Iran und Israel verstärkt, erklärt Nahost-Experte Fabian Hinz.26.11.2024 | 15:12 min
Israel hat einer Waffenruhe mit der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon zugestimmt. Nach einem Jahr Krieg sei die Hisbollah sehr geschwächt, sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Doch das ist nicht der einzige Grund dafür, dass eine Einigung zustande kommt, erklärt Nahost-Experte Fabian Hinz.
Warum Israel gerade jetzt zustimmt, wie es mit der Hisbollah weitergeht und wie wahrscheinlich ein derartiges Abkommen mit der Hamas ist, erklärt Hinz bei ZDFheute live.
Quelle: ZDF
... ist Militär- und Waffenexperte und forscht momentan im Berliner Büro des Thinktanks International Institute for Strategic Studies (IISS) zu den Themen Verteidigung, Militäranalyse und Nahost.
Warum entscheidet sich Israel nun zur Waffenruhe?
Nahost-Experte Fabian Hinz erklärt:
Man habe viele Reservisten auf der israelischen Seite "die seit sehr langer Zeit im Kampfeinsatz sind". Auf beiden Seiten seien daher Ermüdungserscheinungen wahrzunehmen. Auch die Kosten der Operation seien eine Frage.
Israel habe die bekannten Hisbollah-Ziele innerhalb "sehr kurzer Zeit ausgeschaltet" und zudem die "Führungsriege der Hisbollah getötet". Daher stelle sich auch die Frage, was angesichts aufwändiger, schwerer Kämpfe und eigener Verluste überhaupt noch zu erreichen sei.
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Warum verstärkten beide Seiten die Angriffe kurz zuvor?
Dass Israel noch kurz vor dem möglichen Beschluss der Waffenruhe noch schwere Angriffe gegen die libanesische Hauptstadt Beirut geflogen hatte, sei ein "bekanntes Muster", so der Nahost-Experte. Das habe verschiedene Gründe:
Auch die Hisbollah habe zuletzt die Feuerrate der Angriffe gegen Israel verstärkt: Angesichts des sich zu Ende neigenden Konflikts habe die Schiiten-Miliz einerseits noch Bestände an Raketen aufbrauchen können. Gleichzeitig gebe es eine "Propaganda-Komponente": Durch intensiveren Beschuss ließe sich das Narrativ herstellen, die Israelis hätten sich angesichts der Bedrohung gebeugt, so Hinz. Das könne man dann "zumindest bei seiner Basis" als Symbol eigener Stärke darstellen.
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Wie geht es weiter mit der Hisbollah?
Bis die Hisbollah wieder annähernd zu vorheriger militärischer Stärke zurückkehrt, könnte "enorm lange" dauern, so Hinz: "Sie müssen strategische Fähigkeiten wiederherstellen", etwa Raketenarsenale oder zerstörte Untergrundanlagen. Auch die personelle Schwächung der Hisbollah sei immens: "Gleichzeitig muss man neue Kommandeure in Position bringen. (…) Die oberen Führungsränge wurden praktisch komplett ausgeschaltet."
Gleichzeitig brauche es einen Strategiewechsel, denn auch vor Beginn der israelischen Angriffe sei die Hisbollah offenbar nicht stark genug gewesen, Israel zu besiegen.
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Waffenruhe auch mit der Hamas denkbar?
Laut dem US-Außenminister Anthony Blinken könnten die Bemühungen um eine Waffenruhe im Libanon "auch helfen, den Konflikt im Gazastreifen zu beenden". Dies sieht der Nahost-Experte kritisch, denn die Lage im Gazastreifen sei "viel, viel schwieriger".
Während es im Libanon noch einen Staat und eine Armee gebe, sei die Ausgangslage bei der Infrastruktur im Gazastreifen eine ganz andere. "Das macht es so schwierig." Gleichzeitig sei der Umgang mit der Hamas wegen des brutalen Terrorangriffs vom 7. Oktober auf Israel mit über 1.200 Toten ein anderer als mit der Hisbollah:
All dies mache es auch aus innenpolitischer Sicht komplizierter für die israelische Führung, einen Kompromiss mit der Hamas zu erreichen.
Das Interview führte Victoria Reichelt. Autor der Zusammenfassung ist Silas Thelen.
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