Sieg für Trump: Warum Kamala Harris die US-Wahl verloren hat

    Analyse

    Ursachen einer Niederlage:Warum Kamala Harris nicht punkten konnte

    Heike Slansky
    von Heike Slansky, Washington D.C.
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    Trumps Erdrutschsieg wirft die Frage auf: Was machten die US-Demokraten falsch? Von verpassten Wirtschaftsthemen bis zu einer unklaren Botschaft. Die Gründe für Harris' Absturz.

    US-Wahlen 2024 - Trump
    Unter Trump wird sich in der Politik wohl vieles ändern. Die enge Partnerschaft zwischen Deutschland und den USA ist nun nicht mehr selbstverständlich.06.11.2024 | 2:20 min
    Ein Erdrutschsieg für Trump. Auch im Senat. Dort haben die Republikaner die Mehrheit im Senat zurückgewonnen. Das Ergebnis im Repräsentantenhaus ist noch offen. Was haben die Demokraten falsch gemacht? Seit der herben Niederlage von Kamala Harris beginnt das Hauen und Stechen in der Partei.
    Der unabhängige US-Senator aus Vermont, Bernie Sanders, der sich selbst als demokratischen Sozialisten bezeichnet, und der innerhalb der Demokratischen Partei auf der Seite der Progressiven steht, bringt die Wahlschlappe für Harris auf den Punkt:

    Es dürfte keine große Überraschung sein, dass eine Demokratische Partei, die die Arbeiterklasse im Stich gelassen hat, feststellen muss, dass die Arbeiterklasse sie im Stich gelassen hat.

    Bernie Sanders, Demokrat

    Fakt ist: Die Arbeiterklasse hat mehrheitlich für Trump gestimmt, die klassische Basis der Demokratischen Partei befindet sich im freien Fall.
    Tobias Endler im Gespräch zur US-Wahl
    Politikwissenschaftler Tobias Endler im Gespräch.08.11.2024 | 11:38 min

    Wirtschaft als Schlüsselfaktor

    Das Top-Thema für die Amerikaner war und ist die Wirtschaftslage. Seit der Corona-Pandemie sind die Lebenshaltungskosten explodiert. Immer wieder sagten etwa zwei Drittel der Amerikaner, dass sie die Inflation belaste und sie mit dem Kurs der Biden-Harris-Administration unzufrieden seien.
    Doch die Partei reagierte zu wenig, betonte die Erfolge und hörte nicht den Aufschrei. Aber wieviel der Liter Sprit kostet oder die Milch im Supermarkt, ist generell wahlentscheidend. Deshalb hat Trump seine Wahlkampfveranstaltungen stets mit einer rhetorischen Frage begonnen: "Geht es Euch heute besser als vor vier Jahren?" Die Menge antwortete: "Nein."
    US-Wahl: Ergebnisse im Überblick (Electoral College + Karte)

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    Wirtschaftswachstum erreicht die breite Bevölkerung nicht

    Und dass, obwohl das Wirtschaftswachstum zuletzt bei 2,8 Prozent lag, die Löhne erheblich gestiegen sind und die Inflation sich zuletzt auf knapp 2 Prozent einpendelte. Doch ganz offensichtlich ist dieser Aufschwung bei vielen im Land nicht angekommen.
    Zur Wahrheit gehört aber auch: Tatsächlich haben die meisten Amerikaner ohne Hochschulabschluss seit vier Jahrzehnten keine nennenswerten wirtschaftlichen Verbesserungen erlebt, rechnet der ehemalige Arbeitsminister unter der Clinton-Administration, Robert Reich, regelmäßig vor.
    Preissteigerung seit 2020

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    Arbeitsplätze sind unsicherer geworden. Der Reallohn der unteren 90 Prozent ist fast auf dem Niveau der frühen 1990er-Jahre geblieben, obwohl die Wirtschaft mehr als doppelt so groß ist.

    Die meisten Gewinne der Wirtschaft sind an die Spitzenverdiener gegangen. Das hat bei vielen Amerikanern zu Frustration und Wut geführt.

    Robert Reich, ehemaliger Arbeitsminister unter der Clinton-Administration

    Trump habe dieser Wut Ausdruck verliehen, sagt Reich, Harris nicht. Zwar hatte Harris durchaus Themen angesprochen, die der Mittelschicht helfen sollten, etwa:
    • Steuererleichterungen für junge Familien
    • Mehr Unterstützung für Menschen, die selbstständig werden wollen
    • Behebung des Mangels an bezahlbaren Unterkünften durch ein staatliches Bauprogramm
    US Vice President Kamala Harris gives concession speech
    An ihrer alten Universität hat Kamala Harris sich erstmals an die Öffentlichkeit gewandt. Sehen Sie hier die Rede der demokratischen Wahlverliererin.07.11.2024 | 5:00 min
    Doch ihr Plan, den sie "Opportunity Economy" nannte, eine Wirtschaft der Möglichkeiten, zündete nicht. Zu kleinteilig. Nicht überzeugend. Vor allem fand sie keine plausible Antwort auf die Frage, warum sie nicht in der Biden-Administration längst gehandelt hatte.
    Das war überhaupt ihre Krux. Stand Harris für eine neue Politik oder für ein "weiter so" wie unter Joe Biden. In einem Interview sagte sie, sie hätte nichts anders gemacht in den vergangenen vier Jahren, dann bemerkte sie den Fauxpas - und erklärte, sie stehe für eine neue Generation, einen anderen Politikstil. Doch wie genau der aussehen würde, blieb vielen unklar.

    Gesellschaftspolitische Themen nicht entscheidend

    Harris versuchte beim Thema Abtreibung zu punkten. Nachdem der Oberste Gerichtshof das liberale Recht gekippt hatte und die Bundesstaaten einen Schwangerschaftsabbruch selbst regeln können, sind viele Amerikaner mehrheitlich entsetzt, wie streng mancherorts nun die Gesetze ausfallen. Es gibt in einigen Staaten nicht einmal Ausnahmen für Inzest oder Vergewaltigung. Doch auch dieses Thema war zwar vielen wichtig, stand aber nicht ganz oben auf der Liste der Wähler.
    Aktivisten protestieren halten bunte Schilder mit der Aufschrift "ABORTION SAVES LIVES" und weiteren Forderungen für das Recht auf Abtreibung in den USA hoch
    Das Recht auf Selbstbestimmung fordern die einen, für den Schutz des ungeborenen Lebens kämpfen die Anderen: in dieser Frage stehen sich in den USA zwei Lager gegenüber.04.11.2024 | 2:53 min

    Zu spätes Umdenken bei den Demokraten?

    Und zu guter Letzt stellt sich die Frage, ob die Demokratische Partei nicht viel zu lange an Biden festgehalten hatte. Dass erst im Spätsommer die Reißleine gezogen wurde, nach der verpatzten Debatte mit Trump, obwohl doch jedem in seinem Umfeld klar gewesen sein musste, dass Biden schlicht zu gebrechlich ist für weitere vier Jahre im Oval Office.
    Der Weg zur Präsidentschaftswahl

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    Kamala Harris blieben nur drei Monate Zeit, um sich den Wählern vorzustellen. Statt mehr auf Fragen zu antworten, über Visionen zu sprechen, hielt sie sich bedeckt und blieb streng an ihrem vorbereiteten Skript hängen. Das wirkte unauthentisch.
    Stattdessen schoss sie sich auf ihren Gegner ein, den sie als eine Gefahr für die Demokratie bezeichnete. Er sei charakterlich ungeeignet für das Amt des Präsidenten. Sie nannte ihn einen 'Faschisten'. Doch auch die Angst vor einer Wiederauflage von einem Präsident Trump hat mehrheitlich nicht überzeugt. Pikant: In ihrer Rolle als Vizepräsidentin wird sie nun am 6. Januar ihre eigene Niederlage und Trumps Präsidentschaft zertifizieren müssen.
    Heike Slansky ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington D.C.

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