Flughafen in Dagestan: Ein Abend voller Hass gegen Juden

    Mob stürmt Flughafen:Dagestan: Ein Abend voller Hass gegen Juden

    Sebastian Ehm, ZDF-Korrespondent in Moskau
    von Sebastian Ehm
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    Nach den judenfeindlichen Ausschreitungen in Dagestan versucht der Kreml dem Westen die Schuld zu geben. In Dagestan wird seit Längerem gezielt Stimmung gegen Juden gemacht.

    Zu sehen ist eine Menschenmenge auf dem Flughafen der russischen Stadt Machatschkala vor einem Flugzeug aus Israel.
    Ein antisemitischer Mob hat einen Flughafen in der russischen Teilrepublik Dagestan gestürmt. Zuvor war dort eine Maschine aus Tel Aviv gelandet ist.30.10.2023 | 2:01 min
    Als Dilschot Mamadalijew am Sonntagabend in Machatschkala landet, ahnt er noch nicht, dass er bald in großer Gefahr schweben wird. Umzingelt von einem wütenden Mob, der bereit ist ihm weh zu tun, wenn sich herausstellen sollte, dass er Jude ist. Dilschot Mamaldaljiew ist ein russischer Usbeke, doch das ist an diesem Abend egal.
    Um 17.17 Uhr Ortszeit landet ein Flieger der Red Wings Airline aus Tel Aviv im russischen Dagestan, eine Provinz im Nordkaukasus, hauptsächlich von Muslimen bewohnt. Es scheint, als hätten Hunderte junger Männer nur darauf gewartet, dass das Flugzeug aus Israel landet. Sie stürmen den Flughafen und verschaffen sich Zutritt zur Landebahn. Sie durchbrechen Zäune, treten Türen ein und werfen Steine. Die Sicherheitskräfte sind machtlos.

    Der Mob auf dem Rollfeld

    Die Crew der Red-Wings-Maschine sieht die wütenden Männer und beeilt sich, die Passagiere ins Innere der Maschine zu bringen. Videos auf Telegram zeigen die teils schweren Auseinandersetzungen der Polizei mit dem Mob auf dem Rollfeld. Es gibt Verletzte und Festnahmen.
    Menschen in der Menge rufen antisemitische Parolen auf einem Flugfeld des Flughafens in Machatschkala, Russland.
    Ein Mob stürmte die Landebahn des Flughafens Machatschkala in der russischen Republik Dagestan, um einen aus Israel stammenden Flieger zu attackieren.
    Quelle: AP

    Dilschot Mamadalijew will indes nur weg vom Chaos, von der Wut und dem Hass. Er arbeitet als Arzt in Moskau. Unklar ist, ob auch er sich im Flieger aus Tel Aviv befunden hat. Dem wütenden Mob ist das egal. Er stoppt Mamadalijew. Die Männer schubsen ihn herum. Er versucht sich zu verteidigen und brüllt. "Ich bin Usbeke."
    Als die Angreifer Beweise fordern, sagt Mamaldaljiew, dass er kein usbekisch spreche, weil er in Russland aufgewachsen sei. Die Menge glaubt ihm nicht und nimmt ihm seinen Pass ab. Danach bricht das Video ab. Wie es Dilschot Mamaldaljiew heute geht ist unklar, einige Quellen auf Telegram sprechen davon, dass er sich in Sicherheit bringen konnte und unverletzt ist.

    Pogromstimmung gegen Juden in Dagestan

    Doch sein Fall steht exemplarisch für den blanken Hass, der sich in Dagestan Bahn gebrochen hat. In Machatschkala herrschte Pogromstimmung gegen Juden. Die Bilder erinnern an dunkelste Zeiten. Auch in Russland kam es Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu schweren Pogromen gegen Juden. Diese hörten zu Zeiten der Sowjetunion dann weitestgehend auf. Spontane Gewaltausbrüche jeder Art unterdrückte das Regime in Moskau.
    Im Russland des Jahres 2023 kommen solche spontanen Demonstrationen eigentlich auch kaum noch vor. Zu groß die Angst des Regimes vor der Wut des Volkes. Doch der Kreml hatte sich in den vergangenen Wochen recht deutlich auf die Seite der Palästinenser gestellt, sogar Hamas-Vertreter wurden in Moskau empfangen.

    Kreml: Ausschreitungen aus dem Ausland provoziert

    Die Menschen in Dagestan könnten das als Zeichen aufgefasst haben. Der Staat steht auf unserer Seite. Zumindest verlor man in Moskau kein Wort darüber, dass jüdisches Leben geschützt werden müsse, dass Juden in Russland sicher seien. Laut Kremlsprecher Peskow seien die Ausschreitungen in Dagestan sowieso aus dem Ausland provoziert worden.

    Es ist bekannt und offensichtlich, dass die gestrigen Ereignisse rund um den Flughafen Machatschkala größtenteils das Ergebnis äußerer Einmischung sind.

    Dmitri Peskow, Kremlsprecher

    Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa ging sogar noch einen Schritt weiter. "Bei der Realisierung der neuen destruktiven Aktion wurde die unmittelbare und Schlüsselrolle dem verbrecherischen Kiewer Regime zugewiesen", so Sacharowa.
    Der Kreml verfällt in seine altbekannten Erklärungsmuster: Läuft in Russland etwas aus dem Ruder oder nicht nach Plan, stecken meist die Ukraine und der Westen dahinter. Beweise werden nicht geliefert und im Falle Dagestans muss sich Wladimir Putin die Frage stellen, ob Moskau und seine Sicherheitskräfte dort überhaupt noch die Kontrolle haben.
    Karte: Kaukasus und der tiefe Süden
    Karte: Kaukasus.
    Quelle: ZDF

    Wut in Dagestan ist groß

    Schon bei der Teilmobilmachung vergangenes Jahr kam es in der Region zu massiven Unruhen. Viele Männer weigerten sich für Moskau und Putin in den Krieg in der Ukraine zu ziehen, viele von ihnen sind nun ein Jahr später bereits gefallen. Die Unzufriedenheit ist riesig. Der Nahost-Konflikt scheint wie ein Ventil.
    Bereits am Samstag hatte eine aufgebrachte Menge ein Hotel umstellt, in dem angeblich Israelis untergebracht waren. In der ganzen Region treibt gezielte antisemitische Desinformation die Menschen auf die Straße. Die Frage, wer diese antijüdische Kampagne im Hintergrund steuert, bleibt am Tag nach dem Pogrom noch unklar.
    Sebastian Ehm ist ZDF-Korrespondent für Russland, die Kaukasusregion und Zentralasien.

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