Kämpfe im Gazastreifen:Nahost-Konflikt: An diesem Punkt steht Israel
von Katharina Schuster
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Netanjahu wolle Geiseln und Armee schonen, die Hamas aber vernichten, so Daniel Gerlach. Diese Ziele seien konträr zueinander. Um sie zu priorisieren, müssen viele Mächte anpacken.
Am 07. Oktober verübt die radikalislamische Hamas einen Terrorangriff auf Israel. Seitdem sind fast vier Wochen vergangen, in denen sich Israel - auch mit einer Bodenoffensive - gegen den Terror der Hamas wehrt.
An welchem Punkt Israel steht, welche Ziele das Land weiter verfolgt und welche Rolle die internationale Gemeinschaft spielt, dazu hat Nahost-Experte Daniel Gerlach im ZDF heute journal einen Überblick gegeben.
Was hat Israel bisher erreicht?
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu habe mit seinen Militär-Operationen erreicht, dass die Hamas Israel nicht mehr "unmittelbar angreifen und bedrohen" könne, sagt Nahost-Experte Gerlach. Israel habe die militärische Kapazität der Hamas sehr eingeschränkt.
Außerdem habe Netanjahu sein Ziel erreicht, das Abschreckungspotenzial seines Landes zu erhöhen.
Israel erklärte, dass sich das Land beim Angriff auf Dschabalia "in einem Dilemma" befand, derweil würde Ägypten "keinesfalls verletzte Hamas-Kämpfer aufnehmen“ wollen, berichten ZDF-Reporterin Alica Jung aus Tel Aviv und ZDF-Korrespondentin Golineh Atai aus Kairo.02.11.2023 | 5:53 min
An welchem Punkt steht der Konflikt in Nahost?
Israel stünde aktuell an dem Punkt, an dem "Netanjahu eigentlich Dinge erreichen möchte, die sich gegenseitig widersprechen", so Gerlach.
An dieser Stelle müsse die internationale Gemeinschaft nicht nur Israel, sondern allen Seiten im Konflikt, eine Möglichkeit geben gesichtswahrend aus der Situation rauszukommen.
"Das ist ein Moment für Krisendiplomatie momentan, wie er glaube ich selten in der Welt besteht", sagt Gerlach. Viele verschiedene Mächte müssten mit anpacken und geschickt im Hintergrund agieren - inklusive der israelischen Seite.
... ist Chefredakteur des Nahost-Fachmagazins "zenith" und Direktor der Denkfabrik Candid Foundation. Gerlach studierte Geschichte und Orientalistik in Hamburg und Paris.
Wie gehen andere Länder mit dem Konflikt um?
Jordanien stünde "extrem unter Druck", sagt Gerlach. Der Großteil der Bevölkerung sei palästinensischen Ursprungs und fühle sich von dem Konflikt unmittelbar betroffen. "Die Königin ist selbst Palästinenserin", sagt der Nahost-Experte.
In Ägypten habe Gerlach den Eindruck, dass die Nachrichtenberichterstaatung sehr zurückhaltend sei. "Man weiß, dass die Lunte kurz ist und man möchte kein Öl ins Feuer gießen."
In der Türkei sehe das anders aus. Dort "haut Präsident Erdogan ordentlich auf den Putz". Der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, führe einen "viel schärferen Diskurs als in vielen anderen arabischen Ländern zu dem Thema".
Insgesamt gebe es die Länder, die "im Vordergrund poltern und diejenigen, die im Hintergrund geschickt versuchen, doch irgendwie die verschiedenen Interessen übereinander zu bekommen", sagt Gerlach. Ein gewöhnlicher Vorgang in solchen Krisen.
Die USA, Katar, Ägypten und auch die israelischen Geheimdienste versuchten im Hintergrund einige Ziele zu erreichen, "wie z.B. zumindest die zivilen Geiseln aus Gaza zu bekommen".
Das Rabin Medical Center "hat sich stark darauf vorbereitet, viele Verletzte aufnehmen zu können“, so Neurologe Dr. Felix Benninger aus Israel. Er berichtet über tägliche "Übungen für den Notfall".02.11.2023 | 5:56 min
Welche Rolle spielt die internationale Gemeinschaft?
Viele der Opfer, die in Gaza sterben, "haben nichts mit der Hamas zu tun", stellt Gerlach fest. "Wie man statistisch auch weiß, will ein Großteil der Bevölkerung im Gazastreifen nicht die Herrschaft der Hamas. Man möchte aber auch nicht als Alternative die Besatzung und die Eskalation des Krieges." Für Israel bedeute das Maß zu halten.
Bislang habe sich Ägypten "geweigert, Flüchtlinge aus Gaza aufzunehmen". Nun würden die Behörden aber "ein Feldlazarett" errichten wollen, so ZDF-Reporter Timm Kröger aus Tel Aviv.01.11.2023 | 2:38 min
Der gesamte Konflikt finde in einem "Zusammenwirken von Staaten statt, die auch voneinander abhängig sind". Auch Israel brauche arabische Staaten der Region. "Und deswegen wirkt natürlich die internationale Gemeinschaft hier mit", sagt der Nahost-Experte.
Am schwierigsten sei es aktuell nicht auf Israel, sondern auf die Hamas einzuwirken, aber auch da gebe es Möglichkeiten.
Das Interview führte ZDF-Moderator Christian Sievers.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.