Debatte um syrische Flüchtlinge:Experte: Abschiebungen "nicht über Nacht"
von Katia Rathsfeld
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Die Debatte um mögliche Abschiebungen syrischer Flüchtlingen läuft - doch was ist rechtlich möglich? Und wie schnell? Migrationsexperte Daniel Thym sieht hohe bürokratische Hürden.
"Dass künftig alle Syrer, die neu einreisen, automatisch Schutz bekommen, das wird nicht zurückkehren", sagt Daniel Thym.
11.12.2024 | 5:15 min
Nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad debattieren deutsche Politiker mögliche Rückführungen von Flüchtlingen aus Syrien. Zuletzt forderte die Union einen zügigen Rückkehrplan von der Bundesregierung.
Es müsse Reisebeihilfe und Startgeld für diejenigen Flüchtlinge geben, die freiwillig nach Syrien zurückkehren wollen, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) der "Bild"-Zeitung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge hingegen für verfrüht. Noch gebe es in dem Land eine "sehr, sehr gefährliche Situation", sagte er in den ARD-Tagesthemen.
Die Übergangsregierung in Syrien nimmt Gestalt an. Doch Zweifel an echter Freiheit bleiben, während Israel und die Türkei ihre Machtinteressen mit Gewalt verfolgen. Über die aktuelle Lage in Syrien berichtet Anna Feist.11.12.2024 | 2:33 min
Experte Thym: Jeder Fall wird einzeln betrachtet
Der Konstanzer Migrationsexperte Daniel Thym betonte im ZDF-Morgenmagazin, dass der Umsturz dramatische Folgen für syrische Flüchtlinge in Deutschland haben werde und dass die Politik schon aus Verwaltungsgründen überhaupt nicht in der Lage dazu sei, "alle außer Landes zu schicken".
Noch könne niemand sagen, wie sich die Lage in Syrien entwickeln werde, sagte der Experte. "Aber dass auch künftig alle Syrer, die neu einreisen, automatisch Schutz bekommen, das wird sicher nicht zurückkehren." Man müsse den Einzelfall betrachten, wie das beispielsweise bei Menschen aus dem Irak oder Ägypten der Fall sei.
In Deutschland waren laut Bundesinnenministerium Ende Oktober 974.136 Menschen syrischer Herkunft registriert.
5.090 von ihnen waren anerkannte Asylbewerber.
321.444 hatten einen Flüchtlingsstatus.
329.242 standen unter "subsidiärem Schutz". Das bedeutet, sie hatten weder eine Asylberechtigung noch Flüchtlingsschutz. Aber in ihrem Heimatland droht ihnen ernsthafter Schaden.
Alle weiteren rund 300.000 Menschen hatten andere Aufenthaltstitel, etwa über den Familiennachzug.
Hohe Zahl von Flüchtlingen - Behörden am Limit?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sei bei einer sich ändernden Situation in einem Land laut Gesetz dazu verpflichtet, zu überprüfen, ob Menschen weiterhin Schutz bekommen oder nicht. Die Menschen, die ihren Aufenthaltsstatus verlieren, müssen laut Thym das Land verlassen.
Rund 47.000 Asylanträge von Flüchtlingen aus Syrien sind momentan auf Eis gelegt.
Quelle: imago
Es gehe zudem um mehrere hunderttausend Menschen, sagte Thym. "Das Bamf schafft momentan 200.000 Einzelfallprüfungen pro Jahr." Deshalb bräuchten die Gerichte "ohnehin schon jetzt sehr lange", um Klagen dagegen zu bearbeiten.
Viele Syrer, die nach Deutschland geflüchtet sind, haben sich hier ein neues Leben aufgebaut. Viele von ihnen arbeiten beispielsweise schon lange im Gesundheitswesen. 10.12.2024 | 1:37 min
Thym: Jeder Mensch kann Asylantrag stellen
Auf die Frage, ob auch Assad-Anhänger in Deutschland Asyl bekommen könnten, sagte der Völkerrechtler:
Sein Antrag würde wohl abgelehnt werden, weil Terroristen und Kriegsverbrecher in Deutschland keinen Schutz bekämen. "Allerdings dürfte man ihn dann nur abschieben, wenn sichergestellt ist, dass ihm in der Heimat keine Folter droht. Und ich würde mal sehr bezweifeln, dass das aktuelle syrische Regime Herrn Assad ordnungsgemäß behandelt."
Deshalb dürfte theoretisch sogar jemand wie Assad in Deutschland bleiben. "Das ist natürlich ärgerlich, aber so ist nun mal die Rechtslage."
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