Syrien-Besuch: Baerbock kündigt strengen Kurs der EU an
Baerbock in Syrien:EU "kein Geldgeber islamistischer Strukturen"
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Außenministerin Baerbock hat bei ihrem Syrien-Besuch den neuen Machthabern Hilfe beim Wiederaufbau angeboten. Europa knüpfe dies aber an Bedingungen.
Zusammen mit ihrem französischen Amtskollegen reist die Außenministerin nach Syrien. Es geht um mögliche Unterstützung, aber auch Erwartungen an die Übergangsregierung in Damaskus.03.01.2025 | 3:06 min
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr französischer Kollege Jean-Noël Barrot sind am Freitag erstmals seit dem Sturz von Baschar-al-Assad nach Damaskus gereist und mit der syrischen Übergangsregierung zusammengetroffen.
Baerbock: Alle gesellschaftlichen Gruppen einbeziehen
Sie forderten vom neuen Machthaber Ahmed al-Scharaa die Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen beim Wiederaufbau Syriens. Zusammen mit Barrot habe sie das Angebot der Europäischen Union unterbreitet, dabei mitzuhelfen, dass "das zukünftige Kapitel Syriens ein friedliches und freies wird", sagte Baerbock am Freitag in Damaskus nach einem Treffen mit Al-Scharaa.
Es brauche jetzt einen politischen Dialog unter Einbeziehung aller ethnischen und religiösen Gruppen, insbesondere auch der Frauen. Europa werde jedoch "nicht Geldgeber neuer islamistischer Strukturen sein", warnte sie.
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Baerbock war am Morgen kurz nach ihrem französischen Kollegen Barrot in Damaskus eingetroffen. Beide reisten in enger Absprache und im Namen der EU mit dem Mandat der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, wie ein Sprecher des Außenministeriums in Berlin sagte.
Neuer Machthaber empfängt im Präsidentenpalast
Machthaber Al-Scharaa empfing Baerbock und Barrot im Präsidentenpalast. Unter der Führung von Al-Scharaas islamistischer Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) war am 8. Dezember der langjährige syrische Machthaber Baschar al-Assad gestürzt worden. Auch dieser hatte seine Gäste stets im Präsidentenpalast empfangen.
Baerbock und Barrot sind die ersten Außenminister großer westlicher Staaten, die von der neuen syrischen Führung empfangen wurden. Die Reise sei "ein klares Signal an die Syrerinnen und Syrer: Ein politischer Neuanfang zwischen Europa und Syrien, zwischen Deutschland und Syrien ist möglich", hatte Baerbock zu Beginn ihrer Reise erklärt.
Baerbock und Barrot besuchen Foltergefängnis nahe Damaskus
Zum Auftakt ihres Besuchs in Syrien besuchten Baerbock und Barrot das berüchtigte Saidnaja-Foltergefängnis in der Nähe von Damaskus. Begleitet wurden sie von Vertretern der syrischen Zivilschutzorganisation Weißhelme.
Laut der Vereinigung der Gefangenen und Vermissten des Saidnaja-Gefängnisses (ADMSP) wurden seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges im Jahr 2011 etwa 30.000 Menschen im Saidnaja-Gefängnis inhaftiert. Am Tag des Sturzes von Assad seien mehr als 4.000 Menschen entlassen worden. Viele Häftlinge sind tot oder bleiben vermisst. Quelle: AFP
Gemeinsam besichtigten Baerbock und Barrot die unterirdischen Zellen und Kerker, in denen viele Insassen unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten und zu Tode gefoltert wurden. An die Weißhelme gewandt sagte Baerbock:
Deutschland hat die Weißhelme ab 2016 unterstützt. Es sei wichtig gewesen, "auf die Stimmen der freien Menschen in Syrien zu hören" wie die der Weißhelme. Diese hätten "unterstrichen, was für ein Regime das Assad-Regime war, das Folter angewandt hat, die sich niemand vorzustellen vermochte". Nun sei es an der internationalen Gemeinschaft zu helfen - "den Menschen, die hier in diesem Höllengefängnis gelitten haben, Gerechtigkeit zu verschaffen", sagte Baerbock weiter.
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Gerechtigkeit sei ein "Eckpfeiler für die Versöhnung" in Syrien, betonte die Ministerin. Es sei sehr wichtig, "die Beweise zu sichern und den Menschen Gerechtigkeit widerfahren" zu lassen.
Barrot trifft auch Vertreter der Zivilbevölkerung
Barrot traf in Damaskus auch Vertreter der Zivilbevölkerung, darunter Christen, die wegen der Machtübernahme durch die Islamisten besorgt sind, und Vertreter anderer Gruppen, die von Assad unterdrückt wurden. Am Vorabend hatte Barrot auch den Chef der von Kurden dominierten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), Maslum Abdi, getroffen.
Die Kurden, die von den USA unterstützt werden und jahrelang die islamistische Miliz Islamischer Staat (IS) bekämpft hatten, befürchten, ihre halb-autonome Stellung im Norden Syriens unter den neuen islamistischen Machthabern in Damaskus zu verlieren.