Das Assad-Regime ist offenbar Geschichte: Islamistische Rebellen haben den Sturz des Machthabers verkündet. Der soll Syrien verlassen haben. ZDFheute live ordnet ein.08.12.2024 | 34:44 min
Ist die Assad-Regierung jetzt endgültig gestürzt?
Eine Rückkehr von
Baschar al-Assad an die Macht scheint nach seiner Flucht aus Damaskus praktisch ausgeschlossen. In den vergangenen Jahren konnte sich seine schwache Regierung nur mit der Unterstützung von
Russland, des Iran, der libanesischen Hisbollah und anderen Iran-treuen Milizen halten. Assad dürfte - wenn er die Flucht überlebte - untertauchen, etwa in Moskau. Auch die Armee, der wichtigste syrische Unterstützer Assads, hat das Ende seiner Regierung verkündet.
Syrien wurde seit Jahrzehnten von der Assad-Familie beherrscht, Assads Vater Hafis wurde 1970 zum faktischen Alleinherrscher.
Die von Islamisten angeführten Rebellen haben in Syrien die Kontrolle über die Hauptstadt Damaskus übernommen. Machthaber Assad ist - mit unbekanntem Ziel - geflohen.08.12.2024 | 2:23 min
Wie geht es in Syrien jetzt weiter?
Das ist unklar. Das Bündnis aus Aufständischen, das in großen Gebieten samt der Hauptstadt Damaskus die Kontrolle übernahm, wird angeführt von der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS). Zuvor hatte sie Verbindungen zu den Terrororganisationen Islamischer Staat (IS) und Al-Kaida. Sie sagte sich später aber öffentlichkeitswirksam von diesen los.
Anführer
Abu Mohammed al-Dscholani tritt seit einigen Tagen mit seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Scharaa auf und schlägt eher diplomatische und versöhnliche Töne an. HTS wurden zuvor aber auch Folter und Hinrichtungen vorgeworfen. Die EU und die USA stufen HTS als Terrororganisation ein. HTS ist die mächtigste der Rebellengruppen, die sich zum gemeinsamen Kampf gegen Assad mit anderen Gruppen zusammengeschlossen hat.
Die Machtübernahme der islamistischen Rebellen in Syrien sei wohl "seit längerem geplant worden", so ZDF-Korrespondentin Golineh Atai. Die Freude im Land sei überwältigend.08.12.2024 | 3:26 min
Was bedeutet Assads Sturz für Syrien und den verbündeten Iran?
Mit Assad stürzt Kritikern zufolge einer der größten und brutalsten Machthaber des Nahen Ostens, der unter anderem mit Giftgas und Folter gegen die eigene Bevölkerung vorging. Die nun fallenden Assad-Denkmäler erinnern an den Sturz der Langzeitherrscher im Irak und in Libyen, Saddam Hussein und Muammar Gaddafi. Viele Syrer bejubeln Assads Ende, andere fürchten zugleich eine neue, andere Gewaltherrschaft unter den aufständischen Islamisten.
Der
Iran verliert mit Assad einen wichtigen strategischen Alliierten. Teheran finanzierte die Assad-Regierung und half ihr militärisch, auch um Syrien als "Korridor" zur
Hisbollah-Miliz im Libanon zu nutzen. Mit dem Machtwechsel in Syrien gerät die iranische Nahostpolitik - und insbesondere der Kampf gegen Erzfeind Israel - in eine Sackgasse. Kritiker werfen der iranischen Führung vor, mit ihrer Fehlkalkulation in Syrien Milliarden US-Dollar in den Sand gesetzt zu haben.
Nach der Einschätzung von ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa schadet der Sturz des Assad-Regimes dem Iran. Das Land verliere "einen Partner in seinem Kampf gegen Israel“, so Gaa.08.12.2024 | 2:41 min
Wie wirkt Assads Sturz sich auf Nachbar Israel aus?
Israel beobachtet die Entwicklungen in dem nördlichen Nachbarland Syrien mit großer Wachsamkeit. Der Sturz Assads wird als herber Rückschlag für Israels Erzfeind Iran eingestuft. Weil die wichtige Landverbindung zwischen dem Iran und dem Mittelmeer gekappt ist, dürfte auch eine Wiederaufrüstung der Hisbollah, gegen die Israel bis zu einer Waffenruhe vor anderthalb Wochen Krieg führte, kaum möglich sein. All dies spielt Israel in die Hände.
Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge Soldaten in die entmilitarisierte Pufferzone zu Syrien auf den Golanhöhen entsendet. "Angesichts der Entwicklungen in Syrien und auf der Grundlage (...) der Möglichkeit, dass bewaffnete Gruppen in die Pufferzone eindringen könnten", seien dort Truppen positioniert worden, erklärte die Armee am Sonntag. Die Soldaten seien an mehreren für die Verteidigung wichtigen Orten im Einsatz, "um die Sicherheit der Gemeinden auf den Golanhöhen und der israelischen Bürger zu gewährleisten".
Die türkische Regierung unterstützt schon länger Rebellengruppen in Syrien. ZDF-Reporterin Phoebe Gaa berichtet, welches Ziel die Regierung Erdogan aktuell verfolgt. 08.12.2024 | 1:35 min
Wie reagieren Europa und die USA?
Bundeskanzler
Olaf Scholz (
SPD) nannte das Ende der Herrschaft von Al-Assad eine gute Nachricht. Er habe sein Volk auf brutale Weise unterdrückt und unzählige Menschen auf dem Gewissen. "Das syrische Volk hat entsetzliches Leid erfahren", sagte der Kanzler. Auch die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas begrüßte den Sturz.
Der britische Premierminister Keir Starmer hat eine stabile "politische Lösung" für das Land angemahnt. Der Fokus seiner Regierung liege nun darauf, dass es eine "politische Lösung" für Syrien gebe und "Frieden und Stabilität wiederherstellt werden", hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung Starmers. Dabei müssten "Zivilisten und Minderheiten" geschützt werden.
US-Präsident Joe Biden hat die mit dem Sturz Assads verbundene "historische Gelegenheit" für die Menschen in Syrien begrüßt. "Der Sturz des Regimes ist ein fundamentaler Akt der Gerechtigkeit", sagte Biden am Sonntag in Washington. Nun habe "das leidgeprüfte syrische Volk" die Chance auf eine bessere Zukunft.
In Deutschland feiern die vor Assad geflohenen Syrer den Sturz von Bashar al Assad. Die allermeisten im Land sind sehr erleichtert und verbinden große Hoffnungen mit dem Umsturz. 08.12.2024 | 0:54 min
Was geschieht mit den Millionen syrischen Flüchtlingen?
Tausende Menschen haben an vielen Orten in Deutschland den Sturz des bisherigen Machthabers Assad gefeiert. Allein am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg versammelten sich laut Polizei am Nachmittag rund 5.000 Feiernde. In Essen versammelten sich nach Polizeiangaben rund 11.000 Menschen, um den Umsturz in Syrien zu feiern.
Ein sicheres Land für eine Rückkehr war Syrien in vergangenen Jahren keineswegs. Diejenigen, die im Bürgerkrieg ab 2011 vor Assads Truppen, seinen Verbündeten oder anderen bewaffneten Gruppen flüchteten, könnten nun dennoch über eine Rückkehr nachdenken. In der benachbarten Türkei leben mehr als drei Millionen syrische Flüchtlinge und viele weitere im Libanon, Jordanien und Ägypten. Im Bürgerkrieg wurden mehr als 14 Millionen Menschen vertrieben, etwa die Hälfte davon im eigenen Land.
Lesen Sie mehr zur Entwicklung in Syrien in unserem Liveblog:
In Syrien haben Rebellengruppen Machthaber Assad gestürzt. Der ist nach Russland geflohen. Ein neuer syrischer Regierungschef ist benannt. Alle Entwicklungen im Liveblog.
Quelle: dpa