DLV-Bilanz: Im D-Zug gegen den Hochgeschwindigkeits-Express
WM-Bilanz aus deutscher Sicht:Im D-Zug gegen den Weltklasse-Express
von Susanne Rohlfing
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DLV-Athletinnen und Athleten haben trotz einiger individueller Top-Leistungen in Budapest kaum eine Chance, mit der internationalen Elite mitzuhalten. Ein Fehler im System?
Viele individuelle Top-Leistungen der DLV-Athleten wie die von Zehnkämpfer Leo Neugebauer halten einem internationalen Vergleich nicht stand.
Quelle: dpa
Speerwurf-Europameister Julian Weber hatte es am Sonntag noch in der Hand - vielmehr zwischen Zeige- und Mittelfinger, von wo aus er sein Sportgerät abfeuert -, in Budapest zumindest eine WM-Plakette für die deutschen Leichtathleten zu gewinnen.
Schlechtestes Resultat aller Zeiten
Aber nach Webers viertem Platz ist das Resultat schlechter als das bislang schlechteste deutsche WM-Ergebnis vor einem Jahr in Eugene mit einmal Gold durch Weitspringerin Malaika Mihambo und einmal Bronze durch die Sprintstaffel der Frauen.
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) scheint abgehängt von einer immer breiteren und immer besseren Weltelite. Als säßen die Deutschen schön kuschelig in einem D-Zug, während alle anderen in den Hochgeschwindigkeits-Express gestiegen sind.
Internationale Top-Leistungen inzwischen selbstverständlich
Den Weitsprung der Frauen gewann in Budapest die Serbin Ivana Vuleta mit 7,14 Metern. Mit ihren 7,30 Metern vom WM-Sieg 2019 hätte sich die verletzt fehlende Malaika Mihambo Gold holen können. Ihre 7,00 Meter vom Olympiasieg in Tokio und die 7,12 Meter vom WM-Sieg im vergangenen Jahr hätten nicht gereicht.
Übrig bleibt oft Ratlosigkeit wie hier bei den DLV-Staffelläufern Yannick Wolf (li.) und Kevin Kranz.
Quelle: dpa
So ähnlich sah es in manch anderer Disziplin aus. Leistungen, die deutsche Athleten, wenn überhaupt, vereinzelt schaffen, werden international zur Selbstverständlichkeit.
Blick in die Vergangenheit nicht zielführend
Im Stabhochsprung etwa, einst eine Vorzeigedisziplin der Deutschen, gewann Armand Duplantis in Budapest mit 6,10 Metern Gold. Gut, der Schwede ist ein Ausnahme-Phänomen, der Vergleich mit ihm ist, als würde man einen Gepard gegen eine Hauskatze antreten lassen.
Aber: Silber gab es in Budapest für 6,00 Meter, geteiltes Bronze für 5,95 Meter. Und noch ein fünfter Athlet sprang über 5,90 Meter. Der EM-Zweite Bo Kanda Lita Baehre, aktuell Deutschlands bester Stabhochspringer, war verletzungsbedingt nicht am Start. Seine Bestleistung steht bei 5,90 Metern. Er hätte über sich hinauswachsen müssen, um in Budapest aufs Podest zu gelangen.
"Wir haben hier Leistungen mit dabei gehabt bei dieser WM, die in den Vorjahren immer für eine Medaille gereicht hätten", konstatierte Gina Lückenkemper vor dem letzten Wettkampftag, Deutschlands beste Sprinterin, die ausgerechnet bei der WM ihre zwei schlechtesten 100-Meter-Zeiten der Saison lief und im Halbfinale ausschied. Doch der sportliche Wettbewerb findet nun mal in der Gegenwart statt.
Tolle DLV-Leistung nicht mit Medaillen belohnt
Einige deutsche Athleten haben in ihrem persönlichen Rahmen hervorragend abgeliefert. Allen voran Geher Christopher Linke, der zwei Deutsche Rekorde aufstellte und zweimal Fünfter wurde. Dann Siebenkämpferin Sophie Weißenberg, die mit persönlicher Bestleistung Siebte wurde, und Zehnkämpfer Leo Neugebauer, der mit der zweitbesten Leistung seiner Karriere auf Rang fünf landete.
Hochspringer Tobias Potye trennte als Fünften nur ein einziger Fehlversuch vom Medaillenrang. Das sind tolle Leistungen. Jeder einzelnen und jedem einzelnen dieser Sportlerinnen und Sportler gebührt größter Respekt.
Doch es bleibt das Gesamtbild einer dem deutschen Vermögen entrückten Weltelite. Es scheint, als seien alle besser geworden, nur die Deutschen nicht. "Da haben wir irgendwas verpasst", mutmaßte Linke.
Die Deutsche Leichtathletik spielt bei der WM bisher keine große Rolle. Etwas anderes war kaum zu erwarten. Aber warum gibt sich der Verband mit Mittelmaß zufrieden? Ein Kommentar.
von Fabian Meseberg, Budapest
Kommentar
Ziel: 2028 wieder unter den fünf besten Nationen
Auf die neuen Sportschuhe, die mit Wunderschaum und Carboneinsätzen in den Sohlen für manche Leistungssteigerung verantwortlich sind, haben auch die Deutschen Zugriff. Aber es muss wohl hinterfragt werden, ob der Fehler im System liegt. Ob sportliche Höchstleistungen hierzulande noch den nötigen Wert haben, um absolute Hingabe von Athletinnen und Athleten zu erzeugen - und von den Trainern.
Am Ziel, bei den Olympischen Spielen 2028 wieder zu den Top fünf in der Nationenwertung zu gehören, hielt er allerdings fest. "Ich werde jetzt überhaupt keine Zielstellung aufgeben", betonte Bügner. Die deutschen Leichtathleten brauchen nun dringend Plätze im internationalen Express.