Medaille erhofft, Platz sechs wurde es: Diskuswerferin Kristin Pudenz.
Quelle: Marcus Brandt/dpa
Fast die Hälfte der Entscheidungen in Budapest ist gefallen, und noch immer wartet der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) auf seine erste Medaille. Ein wenig erinnert das an das historisch schlechte Abschneiden bei der WM in Eugene vor einem Jahr. Damals gab es lediglich einmal Gold und einmal Bronze.
Nur zwei heiße Eisen: Neugebauer und Weber
Allerdings tue ich mich schwer mit Zwischenbilanzen. Es sind völlig andere Sportlerinnen und Sportler, die in der zweiten WM-Hälfte an den Start gehen. Sie tragen lediglich das gleiche Trikot.
Wie die beiden einzigen echten deutschen Medaillenhoffnungen
Leo Neugebauer im Zehnkampf und Julian Weber im Speerwurf, die ihre Einsätze noch vor sich haben.
Ein aussagekräftiges Bild über das Abschneiden der deutschen Mannschaft entsteht für mich erst nach dem letzten Wettkampf. Dann dürfen gerne die Medaillen gezählt werden.
Starke Leistungen bleiben ohne Medaille
Es ist das Wesen des Sports, Erfolge in Medaillen zu messen. Und auf viele wird der DLV nicht kommen - wie bisher auch keine Athletinnen oder Athleten am Start waren, von denen Rang eins bis drei unbedingt erwartet werden musste.
Dass Platzierungen dahinter nicht zwangsweise enttäuschend sind, haben Geher
Christopher Linke und Hochspringer
Tobias Potye bewiesen. Linke wurde zweimal Fünfter, ging sogar zweimal deutschen Rekord. Bärenstark. Und auch Potye wurde Fünfter.
Beide haben geliefert. So wie viele andere auch, im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Die aber sind für deutsche Athletinnen und Athleten in der Breite derzeit begrenzt.
Noch keine Trendwende
Das kann auch dem DLV nicht gefallen, der sich bei seiner Zwischenbilanz trotzdem seltsam zufrieden zeigt. Ja, das deutsche Abschneiden ist besser als das von Eugene. Aber um diese Verbesserung im Vergleich zu 2022 zu erkennen, muss man schon genau hinsehen.
Deutschland hat zur Halbzeit in Budapest acht Platzierungen unter den ersten Acht. Und damit eine mehr als nach der gesamten WM vor einem Jahr. Eine Trendwende erkenne ich aber trotzdem nicht. Noch nicht.
Denn zum einen gibt es auch in der ungarischen Hauptstadt bislang kaum deutsche Weltklasseleistungen. Zum anderen wird der DLV am Ende dieser WM hinter der Bilanz der Weltmeisterschaften von Doha 2019 zurückbleiben. Und die war seinerzeit die erfolgloseste WM für den DLV.
Kontraproduktive Haltung des DLV
Dass sich der Verband nun vor seine Athleten stellt, die hier in Budapest überwiegend gute bis ordentliche Ergebnisse liefern, ist nachvollziehbar und muss auch so sein. Immerhin sind nur zehn deutsche Leistungen aus dem 70-köpfigen WM-Aufgebot in der Weltjahresbestenliste unter den Top Ten zu finden.
Dass der DLV aber keinerlei Unzufriedenheit oder Selbstkritik an der dürftigen Anzahl von Weltklasseleistungen erkennen lässt, stört mich. Diese Haltung ist kontraproduktiv.
2028 will der DLV wieder zu den fünf erfolgreichsten Verbänden der Welt gehören. Viele nach Eugene eingeleitete Veränderungen greifen natürlich nicht sofort, sondern brauchen Zeit und zahlen sich erst nach Jahren aus.
Auch Talente gibt es - das hat die U20-EM in Jerusalem vor wenigen Wochen gezeigt. Dort war Deutschland die mit Abstand stärkste Mannschaft. Aber diese Talente lassen sich nicht in Richtung Weltklasse entwickeln, wenn sich der DLV mit dem derzeitigen Mittelmaß in der Breite zufriedengibt.
Diesen Prozess sollte eine andere Haltung begleiten, die der DLV auch ruhig nach außen vertreten darf.
Fabian Meseberg ist Live-Reporter und Redakteur in der ZDF-Redaktion Sport täglich.
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