Richard Ringer: "Das Größte, das Nationaltrikot anzuhaben"

    Interview

    Leichtathlet Richard Ringer:"Das Größte, das Nationaltrikot anzuhaben"

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    Marathon-Europameister Richard Ringer startet in Rom über die halbe Distanz, das ist inzwischen üblich in Olympiajahren. Mit dem Team möchte er eine Medaille gewinnen.

    Der deutschen Marathonläufer Richard Ringer gewinnt das Rennen und jubelt nach dem Zieleinlauf.
    Marathon-Europameister Richard Ringer freut sich auf die Titelkämpfe in Rom.
    Quelle: dpa

    Es gilt, einen Titel zu verteidigen. Wenn auch "nur" über die halbe Distanz. Marathon-Europameister Richard Ringer freut sich auf die Titelkämpfe in Rom. Und hat ein klares Ziel vor Augen.
    ZDFheute: Herr Ringer, Sie haben 2022 in München bei der EM den Marathon gewonnen. Diesmal in Rom wird "nur" ein Halbmarathon gelaufen, weil es ein Olympiajahr ist. Fühlen Sie sich dennoch als Titelverteidiger?
    Richard Ringer: Nein, null, gar nicht. Ich habe zwar die Wildcard für den Titelverteidiger bekommen, aber eigentlich ist Tadesse Abraham aus der Schweiz der Titelverteidiger, er hat 2016 bei der EM im Vorfeld der Spiele von Rio den Halbmarathon gewonnen. Ich bin superstolz auf meinen Marathontitel, aber ich werde ihn wohl nie verteidigen können, weil es einfach keine Marathon-Rennen im Rahmen einer Leichtathletik-EM mehr geben wird. Der Marathon wird ausgegliedert und findet nächstes Jahr bei den European Running Championships statt.
    ZDFheute: Was halten Sie davon?
    Richard Ringer: Um nicht im August in der Hitze rumlaufen zu müssen, macht man das jetzt im April. Ich finde, dass man dadurch die Überraschungseffekte rausnimmt. Umso perfekter die Bedingungen werden, um so eher haben die schnelleren Athleten die besseren Chancen. Das Spannende bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften, wenn die im August in heißen Gebieten stattfinden, ist aber ja gerade, dass man sich gut darauf einstellen muss.

    Richard Ringer, geboren am 27. Februar 1989 in Überlingen, Marathon-Europameister 2022 und Zweiter mit der Mannschaft, startet für den LC Rehlingen. Hat sich mit seiner persönlichen Bestleistung (2:07:05 Stunden) beim Valencia-Marathon im Dezember 2023 neben Samuel Fitwi Sibhatu  (Silvesterlauf Trier) und Amanal Petros (SCC Berlin) für den Marathon bei den Olympischen Spielen in Paris qualifiziert. Bei der EM in Rom startet er am Sonntagmorgen im Halbmarathon, neben ihm, Fitwi und Petros sind noch Filimon Abraham, Simon Boch und Hendrik Pfeiffer dabei. Das Ziel ist eine Mannschaftsmedaille.

    Sein Debüt im Marathon gab Ringer 2020. Vorher war er auf der Bahn aktiv, sein größter Erfolg ist EM-Bronze 2016 über 5.000 Meter. Über verschiedenen Distanzen sammelte er bislang 13 Titel bei Deutschen Meisterschaften.

    Harter Kampf um Olympia-Startplätze

    ZDFheute: Sie wissen seit Anfang Januar, dass Sie auch zu den Olympischen Spielen fahren werden. Aber der Kampf um die drei deutschen Plätze war hart, es ging sehr knapp zu.
    Richard Ringer: Ja, es war sehr eng. Wir haben vier deutsche Athleten, die die Olympianorm erfüllt haben, bei den Frauen sind es sogar sechs. Das ist sehr schade für die, die nicht mitfahren können, es gibt ja nur je drei Startplätze. Aber natürlich belebt Konkurrenz das Geschäft. So entwickeln wir uns in der Sportart weiter. Wenn Du früher der schnellste Deutsche warst, warst Du Minuten vorne und hast wahrscheinlich selbst nicht geglaubt, dass es noch schneller geht. Das ist jetzt anders.

    Jeder von uns glaubt, dass er auch noch ein, zwei, drei Minuten schneller laufen kann. Das ist cool.

    Richard Ringer

    ZDFheute: Sie sind 35 Jahre alt und haben eine lange Bahn-Karriere hinter sich. Aber mit gerade mal sechs Marathonläufen in den Beinen, sind Sie in dieser Disziplin ein junger Hüpfer.
    Richard Ringer: Ja, ich denke, dass da noch gut Puffer drin ist, um dieses oder nächsten Jahr bei einem schnellen Rennen nochmal was drauf zu packen. Ich fokussiere mich immer sehr auf meine Marathonläufe, deshalb stehe ich erst bei sechs, das ist natürlich noch recht wenig. Ich bin gespannt, was da in den nächsten Jahren noch kommt. Aber jetzt sind erstmal alle Augen auf das Highlight Paris gerichtet.

    EM-Medaille mit dem Team ist das Ziel

    ZDFheute: Was bedeutet Ihnen die EM auf dem Weg zu Olympia?
    Richard Ringer: Es ist gut, dass man nochmal einen Wettkampf macht. Und das Besondere an der EM ist die Teamwertung. Wir sind mit sechs deutschen Läufern vor Ort und die besten drei werden für die Mannschaft gewertet. In München waren wir Zweite, und auch diesmal haben wir gute Chancen, eine Medaille zu holen. Das ist meine Motivation. Im Einzel ist bei mir alles auf Paris ausgerichtet, da ist Rom eine Zwischenstation. Die Teamwertung nimmt einem irgendwie den Druck, man kämpft nicht nur für sich, sondern für die Mannschaft. Man hat ja auch das Nationaltrikot an, man läuft für Deutschland.
    ZDFheute: Das Nationaltrikot bedeutet Ihnen viel?
    Richard Ringer: Es ist das Größte, das Nationaltrikot anzuhaben. Ich versuche jedes Jahr wieder, dass ich es tragen kann. Wenn ich mir angucke, wo ich mit meiner Marathonbestzeit in der Weltbestenliste stehe – wenn ich da ein, zwei oder drei Minuten schneller laufe, bin ich immer noch sehr, sehr weit weg von der Spitze. Aber bei einer Meisterschaft kann man etwas erreichen, was niemand so wirklich glaubt. Da sind maximal drei Athleten pro Nation am Start, da kannst du an dem Tag richtig performen. Ansonsten sind ja schon allein hunderte Kenianer schneller als ich.
    ZDFheute: Klingt demotivierend.
    Richard Ringer: Mir ist es eigentlich komplett egal, wie schnell ich bin. Ich versuche, meine Leistung zu bringen, damit ich international starten kann, also die Norm zu erfüllen. Aber an dem einen Tag zu performen, bei vielleicht schwierigem Terrain, ohne Tempomacher, bei unangenehmem Wetter – da kann ich zeigen, dass ich zu den Besten gehöre. Zu den Schnellsten gehöre ich nicht, das ist bewiesen.  
    Das Gespräch führte Susanne Rohlfing.
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