Offener Brief an Roger Waters: "Unmoralisch"

    Antisemitismus-Vorwürfe :Offener Brief an Roger Waters: "Unmoralisch"

    von Cornelius Janzen
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    Roger Waters rechtfertigt den Terrorangriff der Hamas. In der Vergangenheit gab es immer wieder Antisemitismus-Vorwürfe gegen den Pink-Floyd-Mitgründer.

    Schwarz-weiß-Bild eines älteren Mannes, der ein karierten Palästinenserschal um den Hals trägt und eine Faust hoch hält.
    Roger Waters bezeichnet den Hamas-Angriff als "aufgebauscht". Brian Eno verglich die jetzige Zeit mit einer "Kristallnacht". Verbreiten sie Stereotype?17.11.2023 | 9:51 min
    "Wir wissen nicht, was sie dort getan haben. Aber war es gerechtfertigt, dass sie sich der Besatzung widersetzen? Yeah." Mit diesen Worten antwortete Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters auf die Frage des US-Journalisten Glenn Greenwald, ob sich das, was die radikal-islamische Hamas am 7. Oktober getan hatte, rechtfertigen ließe.
    Zudem fragte Waters in der Sendung "System Update", wie es sein könne, dass Israel den Terrorangriff nicht kommen gesehen hat. "Das stinkt doch zum Himmel", so Waters. Berichte über geköpfte Babys halte er für frei erfunden.

    Forscher zu Waters-Aussagen: Hallt etwas nach, das nach Verschwörung klingt

    Am Sonntag reagierte daraufhin Gideon Levy, einer der bekanntesten Journalisten Israels, in der israelischen Zeitung Ha'aretz: "Ich bin der Letzte, der Israels Verbrechen auf die leichte Schulter nimmt, auch die, die es jetzt in Gaza begeht", schrieb er in einem offenen Brief an Roger Waters. "Aber zu bezweifeln, was [in Israel, Anm. der Red.] geschehen ist, ist offenkundig unmoralisch".
    "Da hallt etwas nach, das sich nach einer Verschwörung anhört, nach Juden, die etwas im Schilde führen", kommentiert der britische Antisemitismusforscher David Feldman die Aussagen von Waters. "Und das in einem Moment, in dem sie die schrecklichsten Opfer zu beklagen haben", so Feldman.

    Diese Aussagen haben zumindest einen stark antisemitischen Nachhall.

    David Feldman, Antisemitismusforscher

    Davidsterne auf fliegendem Konzertschwein

    "Wenn jemand wie Roger Waters, der über eine solch globale Bühne verfügt, diese nutzt, um die schlimmste antisemitische Gräueltat seit dem Holocaust in Zweifel zu ziehen, geht es eigentlich nicht mehr schlimmer", sagt Gideon Falter. Er leitet in London eine Kampagne gegen Antisemitismus.
    Falter hat in diesem Jahr den Dokumentarfilm "The Dark Side of Roger Waters" produziert, in dem ehemalige Weggefährten Waters Antisemitismus vorwerfen. So ließ der Rockstar bis 2013 bei seinen Shows ein aufgeblasenes Schwein über Bühne und Publikum fliegen, auf dem unter anderem ein Davidstern abgebildet war.
    E-Mails aus dem Jahr 2010, die den Filmemachern vorliegen, belegen, dass Waters dabei noch weitergehen wollte. Unter den Abbildungen, die seiner Meinung nach bei einer Welttournee außerdem noch auf dem Schwein zu sehen sein sollten, waren der Begriff "dirty kyke" - ein auf jüdische Menschen gemünzter beleidigender Begriff - und die Worte "Folge dem Geld" und "Abschaum".
    Bei einem Auftritt in Berlin im Mai trat Waters in einer SS-ähnlichen Uniform auf und zog Parallelen zwischen der palästinensischen Journalistin Shireen Abu Akleh, die bei einer Razzia des israelischen Militärs 2022 im Westjordanland getötet wurde und dem Holocaust-Opfer Anne Frank.

    "taz"-Korrespondent in London: Reintreten in alte Wunden

    "Es ist ganz klar uns ins Gesicht spucken, nach dem Motto: Ihr seid nicht besser als die, eure sechs Millionen, die gestorben sind. Scheiß drauf, ihr macht genau dasselbe wie Nazi-Deutschland. Man müsste gegen so etwas klagen", sagt Daniel Zylbersztajn-Lewandowski, London-Korrespondent der "taz", gegenüber dem ZDF.

    Das ist genau der Punkt, wo die Meinungsfreiheit zur absichtlichen Beleidigung wird, zum Reintreten in die Wunden, die noch immer nicht geheilt sind.

    Daniel Zylbersztajn-Lewandowski, London-Korrespondent der "taz"

    Auch er wirft Waters Antisemitismus vor. Derartige Vorwürfe hat Waters in der Vergangenheit stets von sich gewiesen. Eine Bitte um Stellungnahme gegenüber dem ZDF ließ Waters unbeantwortet.
    Bob Ezrin, der als Produzent mit dem Rockmusiker gearbeitet hat, hält es für nicht entscheidend, ob sich Waters selbst als Antisemit versteht oder nicht. Im Dokumentarfilm "The Dark Side of Roger Waters" sagte Ezrin:

    Er mag sagen, dass er Leute dazu bringen will, die Beziehung zu den Palästinensern zu überdenken und ihnen vielleicht einen freien Staat zu geben und dass das alles sei, was er tue. Nun, wenn das alles ist, was Du tust, dann lass die Dinge weg, die Antisemitismus schüren. Und Menschen dazu bringen, uns als Volk als das Andere und den Feind zu sehen.

    Bob Ezrin, Produzent

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