Die neue israelische Offensive im Gazastreifen wurde weiter verstärkt. Auf dem Boden und aus der Luft wird gegen die Hamas vorgegangen, jedoch leiden besonders die Zivilisten.20.03.2025 | 1:37 min
Israels erneute Offensive begann am Dienstag mit einer Serie an
heftigen Bombenangriffen aus der Luft, bei denen Hunderte Palästinenser in Gaza getötet wurden. Nach eigenen Angaben zielten die israelischen Streitkräfte auf Hamas-Stellungen und schalteten dabei eine Reihe hochrangiger Hamas-Vertreter aus.
Wie bereits in den vergangenen eineinhalb Jahren nahm man eine enorme Zahl ziviler Opfer in Kauf. Wohingegen das israelische Militär darauf verweist, verschiedene Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung getroffen zu haben.
Inzwischen hat auch eine
begrenzte Bodenoffensive begonnen. Dabei besetzten israelische Truppen erneut den sogenannten Netzarim-Korridor. Er ist rund vier Kilometer breit und trennt den
Gazastreifen in eine westliche und eine östliche Hälfte.
Orte im Gazastreifen
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den
Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Was ist am Netzarim-Korridor so wichtig?
Der Korridor ist essenziell für die Vorbereitung und Durchführung jeder Art von längerer Bodenoperation in Gaza. Er besteht seit November 2023 und wurde anschließend von israelischen Pionieren befestigt und zu einer asphaltierten Straße ausgebaut. Nachschub und Versorgung während der letzten Offensive verlief zu großen Teilen über diese Route.
Die Passage ermöglicht den israelischen Streitkräften (IDF) auch die Steuerung von Menschen und Hilfsgütern. Checkpoints erlauben oder unterbinden, dass sich Kämpfer und Zivilisten frei in Gaza bewegen können. Das ist militärstrategisch wichtig, aber auch ein politisches Druckmittel, für dessen erneute Aufgabe man bei künftigen Verhandlungen der palästinensischen Seite abermals Zugeständnisse abringen kann.
Die Vorbereitung einer umfangreicheren Bodenoffensive läuft also aktuell. Am Donnerstagabend bestätigten die IDF, dass auch in der südlichen Stadt Rafah bereits Bodentruppen operieren würden. Wie umfangreich die gesamte Kampagne wird, und ob dabei große Teile des Gazastreifens erneut besetzt werden, ist derzeit noch unklar. Das würde eine große Zahl an Truppen erfordern, die nach dem Waffenstillstand teilweise demobilisiert worden sind. Die personelle Belastung einer neuen Großoffensive für die IDF wäre enorm. Die Option dafür will sich Israel offenbar aber offenhalten.
Die israelische Armee setzt die Angriffe im gesamten Küstenstreifen fort. Seit der Nacht kamen nach palästinensischen Angaben mehr als 70 Menschen ums Leben.20.03.2025 | 1:25 min
Wie stark ist die Hamas noch?
Seit Oktober 2023 hat Israel Tausende Hamas-Kämpfer und große Teile der damaligen Führungsriege im Gazastreifen getötet. Die nachrückenden Köpfe sind weit weniger bekannt und erfahren, was die operative Kraft der Hamas deutlich einschränkt. Die Gruppe ist aber weiterhin in der Lage, Tausende Kämpfer in Gaza zu mobilisieren. Sobald sich Israel zurückzog, konnte sie die Kontrolle über den Landstreifen und seine Bevölkerung zurückerlangen.
Am Donnerstag feuerten Kämpfer erstmals seit Monaten wieder drei Raketen aus dem südlichen Gaza in Richtung
Israel. Unmittelbar nach dem Bruch der Waffenruhe blieben solche Angriffe aus, was zeigt, wie reduziert die Arsenale der bewaffneten Gruppen sind. Die Zerstörung von Abschussrampen, Tunnelsystemen und versteckten Depots scheint militanten Gruppen nur noch punktuelle Angriffe auf israelisches Gebiet zu erlauben.
Ausreichend Kämpfer, um Gaza zu kontrollieren, Geiseln zu verstecken und sie in menschenverachtenden Propaganda-Shows vorzuführen, werden die militanten Organisationen auch weiterhin haben.
Mit einer erneuten Bodenoffensive im Gazastreifen erhöht Israel den Druck auf die islamistische Hamas. "Eine langfristige Strategie ist nicht erkennbar", so ZDF-Korrespondent Thomas Reichart. 20.03.2025 | 3:23 min
Kann Israel diesmal die Hamas zerschlagen?
Bei den Militäroperationen seit dem Oktober 2023 hat Israel wohl kaum ein militärisches Mittel ausgelassen, um die Hamas und verbündete Gruppen zu treffen. Wie schon Kampagnen in den Jahren zuvor war das Abnutzen der militärischen Fähigkeiten des Gegners erfolgreich - aber das übergeordnete Ziel, die Hamas dauerhaft zu vernichten, konnte nicht erreicht werden.
Der israelische
Verteidigungsminister Israel Katz sprach in einer Videobotschaft an diesem Donnerstag davon, dass die palästinensische Bevölkerung die Geiseln herausgeben und die Hamas entmachten solle - "die Alternative ist totale Verwüstung". Diese Ziele hatte Netanjahu so bereits vor über einem Jahr ausgegeben, ohne anschließend aber einen konkreten Plan für die politische Zukunft Gazas zu entwickeln.
Dass sich eine unbewaffnete, traumatisierte und zu großen Teilen vertriebene palästinensische Zivilbevölkerung gegen die Hamas erheben würde, ist kaum realistisch. Jede Form von internem Widerstand wurde von der Hamas auch zu Friedenszeiten brutal niedergeschlagen. Zumal auch die israelische Regierung immer wieder betont, wie gleichgültig der Hamas-Führung das Leid der eigenen Bevölkerung sei.
Es ist darum fraglich, ob die erneute Militäroffensive mit praktisch identischen Mitteln wie zuvor den erklärten Zielen näherkommen wird.
In Tel Aviv haben zahlreiche Menschen unter anderem gegen eine Fortsetzung des Gaza-Kriegs demonstriert. Zuvor hatte die israelische Luftwaffe die Waffenruhe gebrochen.19.03.2025 | 1:28 min
Was bedeutet das für die israelischen Geiseln?
Von den Stand Ende Februar 147 aus Gaza freigekommenen Geiseln wurden lediglich acht durch israelische Truppen lebend befreit. Drei entkommene Geiseln wurden von der IDF versehentlich für Ziele gehalten und getötet. Die meisten Geiseln kamen in Folge politischer Verhandlungen frei - die nun auf unbestimmte Zeit abgebrochen wurden. Auch in den Augen vieler Angehöriger der Entführten, die seit Tagen gegen
Benjamin Netanjahus erneute Offensive protestieren, sind Verhandlungen der beste Weg, um die Geiseln zu befreien.
Ein anderes Ziel hat Premier Netanjahu jedoch bereits erreicht: sein eigenes politisches Überleben sichern. Die rechtsextreme Partei Otzma Yehudit von Itmar Ben Gvir hat sich in Reaktion auf die fortgesetzten Kämpfe wieder seiner Koalition angeschlossen. Im Januar hatte Ben Gvir
aus Protest gegen den Waffenstillstand die Regierung verlassen. Hätte Otzma Yehudit weiterhin die laufenden Budgetverhandlungen torpediert, wäre Israel Ende des Monats zwingend in eine Neuwahl geschlittert. Das hat Netanjahu nun abgewendet.
Mit dem Hamas-Angriff auf Israel eskalierte der Nahost-Konflikt. Anfang des Jahres konnte eine Waffenruhe vereinbart werden. Nun fliegt Israel wieder Angriffe in Gaza.