Coronavirus: Wie die Pandemie Virologen zu Stars machte
Covid & Co. als Politik-Booster:Wie die Pandemie Virologen zu Stars machte
von Susanne Freitag-Carteron
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Während der Pandemie wurden Virologen und Medizinexperten zu Promis. Analysen, Talkshows, Shitstorms - für einige war das der Beginn einer Karriere in der Politik.
Vor seiner Zeit als Gesundheitsminister galt Karl Lauterbach als "Gesundheitsexperte der SPD".
Quelle: dpa
In Bus und Bahn lieber Maske tragen, keine großen Feiern in Innenräumen - das sind aktuelle Empfehlungen des amtierenden Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD). Klingt fast wie 2020. Damals gab er viele Interviews als "Gesundheitsexperte der SPD". Die Pandemie machte ihn bekannt - er war nicht der einzige.
Christian Drosten, Sandra Ciesek, Hendrik Streeck, Jürgen Rissland wurden zu "Gesichtern der Pandemie", Deutschland wartete täglich gespannt auf ihre neuesten Analysen. Sie waren Grundlage vieler Covid-Verordnungen im Bund und Ländern.
Inzidenzen, Varianten, Lockdowns, Impfpflicht, Schulschließungen, Kneipenöffnungen - schnell standen die Virologen selbst im Zentrum der Debatten.
Job des Virologen wurde politisch
Ihre Positionen wurden für unterschiedliche Polit-Strategien instrumentalisiert. Im Netz waren sie Gegenstand zahlreicher Shitstorm-Wellen. Der Virologen-Job wurde politisch.
Der Experte für politische Kommunikation, Prof. Uwe Jun, sagt:
"Das hat bei dem einen oder anderen dazu geführt, dass er politische Aufmerksamkeit adressieren möchte, und möglicherweise ein politisches Amt anstrebt (..) Es ist unbestreitbar, dass es ein Vorteil für Herrn Lauterbach war, dass er damals als Experte in der Corona-Pandemie galt".
Streeck will in die Bundespolitik
Der Virologe Hendrik Streeck gab kürzlich bekannt, dass er für die CDU in den Bundestag einziehen will.
"Man hat ja während der Pandemie mitbekommen, wie eine Spaltung in der Bevölkerung stattgefunden hat und vor allem, dass wir hier keine gute Debattenkultur mehr leben. Ich würde meine Erfahrung und Expertise gerne einbringen" sagt Streeck.
Er ist schon lange CDU-Mitglied. Ohne die Pandemie hätte das wohl niemanden interessiert.
Auf den Spuren der Geldflüsse hinter den Corona-Protesten.03.12.2020 | 18:24 min
Kurze Ausflüge in die Politik
Auch der Virologe Jürgen Rissland war kurzfristig politisch aktiv. Zu Pandemiezeiten war er leitender Oberarzt der Virologie an der Homburger Uniklinik, gern gesehener Talk-Gast und Interviewpartner.
Dann berief ihn der frühere CDU-Ministerpräsident Tobias Hans während des Saar-Wahlkampfes 2021/22 in sein "Kompetenzteam".
Hans war für seine Covid-Politik heftig kritisiert worden. Erst wegen besonders strenger Einschränkungen, dann wegen radikaler Lockerungen. Und der Virologe? Der wurde plötzlich weniger befragt, weil politisch befangen. Den kurzen Ausflug in die Politik bereut er trotzdem nicht.
Rissland: Gesundheit verbessern
"Ich stehe zu dieser Entscheidung. Die Überlegung dahinter war, dass ich eigentlich jeden Weg nutze, um die öffentliche Gesundheit zu verbessern [...] Insofern war es ein ehrenwertes Angebot des damaligen Ministerpräsidenten an mich als Parteilosen, sich politisch zu engagieren. Ich nutze jedes Medium, um das Ganze voranzubringen. Das mache ich weiterhin."
Rissland blieb parteilos. Die saarländischen Politik-Journalisten würdigten ihn kürzlich mit einem Medienpreis - für seine offene Kommunikation in Covid-Zeiten.
In Großbritannien fand vor wenigen Wochen eine Untersuchungskommission über den politischen Kurs in der Corona-Pandemie statt. Vor dem Ausschuss sagte auch Ex-Premier Boris Johnson aus.06.12.2023 | 2:12 min
Boostert die Politik die Virologie, oder ist es umgekehrt?
Die Pandemie hat zu einer "Deregulierung der Wahrheitsmärkte" geführt, so formuliert es der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte.
"Ohne Wissen kann keine Krise gelöst werden. Dass dabei einzelne Wissenschaftler von der Politik in Mithaftung genommen werden, bleibt ein wechselseitiges Risiko. […] Durch die Popularisierung der Virologie konnten Forschungsgelder neu in diesen Zweig verdichtet werden. Auch Studierendenzahlen haben sich für diesen Bereich verbessert. Das sind Gründe, um sich in der Politik zu tummeln."
Karl Lauterbach, der Gesundheitsminister, steht derweil wieder vor der Presse - dieses Mal geht es um den Ärztestreik.