Neue Corona-Varianten: "Impfschutz noch sehr verlässlich"

    Interview

    Immunologe zu Corona-Varianten:"Impfschutz immer noch sehr verlässlich"

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    Mehrere Varianten des Coronavirus sind im Fokus der WHO. Die Fallzahlen steigen bereits wieder deutschlandweit. Immunologe Carsten Watzl spricht über die bleibenden Gefahren.

    Mann hält Blatt mit der Aufschrift "Covid-19" hoch
    Neue Virus-Varianten sind aufgetaucht. Die Infektionszahlen steigen. Was bedeutet dies? Geht alles wieder von vorne los? Wir sprechen mit dem Immunologen Carsten Watzl.24.08.2023 | 5:09 min
    Gerade war das Coronavirus wieder aus den Köpfen der meisten verschwunden. Jetzt tauchen wieder vermehrt neue Varianten des Virus auf. Die WHO beobachtet momentan unter anderem die Eris- und BA2.86-Varianten mit besonderem Augenmerk.
    Vor allem die Ansteckungsgefahr ist erhöht und das beweisen auch die Zahlen: Die Infektionen nehmen wieder zu - bisher alles auf einem niedrigen Niveau, doch die Tendenz ist steigend. Zumindest die bisherigen Tests bleiben weiterhin gültig und bereits im Herbst soll es einen angepassten Impfstoff geben.

    Immunologe Watzl: Es wird wieder zu mehr Corona-Infektionen kommen

    Stehen uns nun wieder Impftermine, Einschränkungen und überfüllte Krankenhäuser bevor? Wie Immunologe Carsten Watzl die Lage einschätzt, erklärt er im Interview:
    ZDFheute: Was ist denn Ihre Einschätzung, was da im Herbst auf uns zukommt? Vor allem wenn wir uns dann wieder viel häufiger drinnen aufhalten?
    Carsten Watzl: Im Herbst ist es einfach so, dass das Virus vorteilhafte Bedingungen hat, wieder mehr Menschen zu infizieren. Es wird also wieder zu mehr Infektionen kommen. Das ist egal, ob wir jetzt ansteckendere Varianten bekommen oder die, die wir jetzt schon haben.

    Also es ist jetzt schon fast sicher, dass wir im Herbst einfach wieder mehr Infektionen per se haben werden.

    Carsten Watzl, Immunologe

    ZDFheute: Rechnen Sie sogar damit, dass vielleicht auch die Krankenhäuser wieder an ihre Grenzen kommen?
    Watzl: Das ehrlich gesagt nicht, denn die jetzigen Varianten, die wir haben, sind jetzt nicht krankmachender. Es sind immer noch Omikron-Varianten, die zum Glück nicht so krankmachend sind. Und was noch viel wichtiger ist: wir haben diese gute Grundimmunität in der Bevölkerung, die die meisten Menschen wirklich vor einer schweren Erkrankung schützt. Das heißt wir werden im Herbst wieder viele Infektionen sehen, aber nicht so viele schwere Erkrankungen. Auch bei den Krankenhäusern wird es jetzt nicht zu Überlastungen kommen.
    Corona Test
    Es gibt zwei neue Virus-Varianten: Eris und BA2.86. Sie wurden bereits in sieben Ländern nachgewiesen. Und gerade BA2.86 könnte das Zeug haben, unser Immunsystem auszutricksen. 24.08.2023 | 3:14 min
    ZDFheute: Die WHO beobachtet zwei Corona-Varianten jetzt besonders genau. Das ist zum einen Eris und zum anderen BA2.86. Gerade Letztere hat viele Veränderungen auf dem Spike-Protein. Muss uns das Sorgen machen?
    Watzl: Also bei so vielen Veränderungen auf dem Spike-Protein ist es wahrscheinlich, dass viele von den Antikörpern, die wir in uns haben, nicht mehr so gut auf das Virus passen. Das heißt, das Virus kann wieder mehr Menschen infizieren. Aber wir haben ja noch eine zweite Abwehrmöglichkeit: die sogenannten T-Zellen. Und für die sieht das Virus fast noch genauso aus. Das heißt, der Schutz vor der schweren Erkrankung, durch diese zweite Verteidigungslinie, ist immer noch gegeben.

    Variante EG.5 alias Eris
    :Was zur aktuellen Corona-Lage bekannt ist

    Die WHO stellt die Corona-Variante EG.5 unter erhöhte Beobachtung. Was bedeutet dieser Schritt - auch mit Blick auf Impfungen? Und wie sieht die aktuelle Corona-Situation aus?
    von Katja Belousova
    Passanten gehen durch die Einkaufstraße Ossenreyerstraße in Stralsund
    FAQ
    ZDFheute: Ist SARS-CoV-2 jetzt einfach angekommen zu all den anderen Viren, die wir schon in uns tragen. Oder bleibt es immer noch etwas Besonderes?
    Watzl: Also von der Gefährlichkeit sind wir bei der Coronainfektion jetzt ähnlich wie bei der Grippe, noch ein bisschen gefährlicher.

    Das heißt, es ist immer noch keine Infektion, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte.

    Carsten Watzl, Immunologe

    Das kann einen immer noch ein paar Tage mit Fieber ins Bett befördern, auch wenn man geimpft ist. Und was ganz besonders ist: Es gibt immer noch Gruppen von Menschen, die wir besonders schützen müssen: also Hochbetagte, gerade Menschen mit Vorerkrankungen, die müssen wir auch vor der schweren Erkrankung schützen. Da haben wir die Auffrischungsimpfung, antivirale Medikamente und vielleicht müssen wir auch wieder testen. Das heißt, da sollten wir alle Maßnahmen nehmen, von denen wir in der Vergangenheit gelernt haben, dass die wirken können.
    Szene: Impfung
    Weltweit arbeiten Forschergruppen an nasalen Covid-Vakzinen, die abgeschwächte Viren enthalten. Sie sollen auch vor milden Erkrankungen und damit besser vor Long Covid schützen. 24.08.2023 | 5:43 min
    ZDFheute: Die STIKO empfiehlt eine jährliche Auffrischungsimpfung. Aber eben vor allem für die Risikopatienten. Würden Sie jetzt sagen, wir sollten uns lieber alle noch mal impfen?
    Watzl: Ehrlich gesagt: Nein. Also das Impfen ist jetzt nicht gefährlich. Aber was wir wissen, ist, dass der jetzige Impfschutz immer noch sehr verlässlich vor der schweren Erkrankung schützt. Und das ist ja aktuell das Ziel. Wir wollen ja nicht die Infektion per se unterdrücken, sondern die Erkrankung verhindern. Und das schafft diese Immunität, die die meisten in sich haben, immer noch. Irgendwann kann es sein, dass man sich nachimpfen lassen muss. Wir kennen noch kein Haltbarkeitsdatum, aber es hält jetzt schon seit mehr als einem Jahr an. Irgendwann kann es sein, wenn das wieder runtergeht, dass man sich nachimpfen lassen muss. Aber für die meisten ist das jetzt noch nicht notwendig.
    ZDFheute: Besteht denn trotz dieser Immunität immer noch die Gefahr für Long-Covid?
    Watzl: Die Gefahr ist reduziert. Durch die Impfung kann ich das Risiko ungefähr um die Hälfte reduzieren. Zum Glück ist dieses Risiko bei Omikron im Vergleich zu früheren Varianten auch so ungefähr um die Hälfte reduziert. Eine frühere Infektion reduziert es noch mal um 30 Prozent. Das heißt, wir reden immer von Reduktionen, aber das Risiko wird nie Null sein. Das heißt, dieses Restrisiko wird bleiben. Damit müssten wir letztendlich leben. Ich würde auch plädieren, dass wir auch einfach bestimmte Maßnahmen immer noch ergreifen, um dieses Virus nicht komplett unkontrolliert zu verbreiten.

    Das heißt: wenn man infiziert ist, doch lieber zuhause bleiben oder vielleicht freiwillig eine Maske tragen.

    Carsten Watzl, Immunologe

    ZDFheute: Und ganz böse Überraschungen, was die Entwicklung des Virus betrifft, können Sie natürlich auch nicht ausschließen.
    Watzl: In der Zukunft kann es immer auch mal wieder eine ansteckendere und krankmachendere Variante geben, das ist nicht ausgeschlossen. Da sind wir aber sicherlich auch besser vorbereitet jetzt als noch vor zwei Jahren. Und diese Grundimmunität: Selbst wenn sich das Virus noch mal sehr stark verändert, ganz von null werden wir nicht anfangen. Aber es kann mal wieder etwas schlimmer werden.
    Das Interview führte NANO-Moderator Ingolf Baur.

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