Versammlungsfreiheit für Hamas-Befürworter?

    Terrorgruppe ruft zu Protest auf:Versammlungsfreiheit für Hamas-Befürworter?

    von Samuel Kirsch und Moritz Flocke
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    Die Hamas hat für Freitag zu Protesten aufgerufen. Auch in Deutschland könnten Sympathisanten dem Aufruf folgen - und sich dabei auf die Versammlungsfreiheit berufen.

    Demonstranten und Einsatzkräfte der Polizei treffen im Stadtteil Neukölln aufeinander. (07.10.2023)
    Die Entscheidung über Verbote pro-palästinensischer Demonstrationen wie hier in Berlin-Neukölln am vergangenen Wochenende ist ein hochsensibler Rechtsbereich.
    Quelle: dpa

    Der ehemalige Hamas-Anführer Chalid Meshaal hat für Freitag zu anti-israelischen Protesten aufgerufen. "Wir müssen am Freitag auf die Plätze und Straßen der arabischen Welt gehen", zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters.
    Auch auf deutschen Plätzen und Straßen könnte dieser Aufruf vermehrt zu Kundgebungen und Demonstrationen führen. Bereits in den vergangenen Tagen verboten mehrere Städte, darunter Berlin und Frankfurt, angemeldete anti-israelische Versammlungen.
    Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)

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    Was angesichts der Schreckensbilder aus Israel dem Rechtsempfinden vieler entspricht, betrifft einen rechtlich hochsensiblen Bereich. Denn die Versammlungsfreiheit, festgeschrieben in Artikel 8 des Grundgesetzes, hängt hoch. Der Staat darf Versammlungen nicht wegen der Meinungen, die dort kundgetan werden, untersagen.
    Versammlungsverbote sind nur zulässig, wenn die Versammlungsbehörde ausreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar gefährdet ist, wenn die Versammlung stattfindet, so das Versammlungsgesetz - und auch dann nur als letztes Mittel. Vorrangig muss die Versammlungsbehörde Auflagen erteilen, um die öffentliche Sicherheit zu schützen. Nur, wenn diese nicht ausreichen, kommt ein Verbot in Betracht.

    Verbote möglich, wenn Straftaten drohen

    Die Schwelle für Verbote liegt also hoch. Erreicht ist sie dort, wo mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass es auf der Versammlung zu Straftaten kommen wird. Das betrifft etwa zu erwartende gewalttätige Ausschreitungen, die als Körperverletzungen strafbar sind. Unfriedliche Versammlungen fallen von vornherein nicht in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit.
    In seltenen Fällen kann auch Meinungsäußerung auf eine bestimmte Weise selbst strafbar sein: etwa das Zeigen von Propagandamitteln terroristischer Organisationen. Eine solche ist die Hamas, sie steht auf der Terror-Liste der EU. Damit ist es strafbar, ihre Flagge zu schwenken. Auch bestimmte schwere Straftaten öffentlich auf einer Versammlung gutzuheißen, stellt selbst eine Straftat dar. Allerdings nur dann, wenn dadurch der öffentliche Friede gestört werden kann, etwa weil die Gefahr besteht, dass das öffentliche Befürworten ein Klima schafft, das die Begehung weiterer Straftaten begünstigt.
    Für Versammlungen bedeutet das: Die Behörden müssen genau unterscheiden zwischen hinzunehmender Meinungsäußerung und strafbarer Terror-Unterstützung und prognostizieren, welche Art von Versammlung zu erwarten ist.

    Hamas-Betätigungsverbot ändert Rechtslage

    Erleichtern könnte diese Entscheidung der Versammlungsbehörden das von Bundeskanzler Scholz am Donnerstag angekündigte Betätigungsverbot für die Hamas.
    Matthias Jahn, Strafrechtsprofessor an der Universität Frankfurt, erklärt:

    Das Betätigungsverbot würde die Prognose-Entscheidung der Versammlungsbehörden radikal vereinfachen. Wenn eine echte Pro-Hamas-Demonstration angemeldet werden soll, läge schon in der Durchführung einer solchen Versammlung selbst ein strafbarer Verstoß gegen das Betätigungsverbot, der es rechtfertigt, die Versammlung zu unterbinden.

    Matthias Jahn, Strafrechtsprofessor an der Universität Frankfurt

    Dann käme es nicht mehr auf andere Straftaten an, die mutmaßlich auf der Veranstaltung begangen werden. Allerdings müsse ein Verbot stets verhältnismäßig sein. Distanziere sich der Veranstalter von der Hamas, könne nicht von einem Verstoß gegen ein Hamas-Betätigungsverbot ausgegangen werden.

    Spontaner Protest möglich

    Vorab verboten werden können ohnehin nur Versammlungen, die den Behörden auch angekündigt wurden. Eine solche Anmeldung durch einen verantwortlichen Organisator ist eigentlich vorgeschrieben. Das bedeutet allerdings nicht, dass spontaner Protest stets unzulässig ist. Wenn Menschen abends Berichte über israelische Angriffe auf den Gaza-Streifen sehen, können sie als lose Gruppe auf die Straße gehen und dagegen protestieren. Eine solche Spontan-Versammlung ist vom Grundgesetz geschützt.
    Wird das Recht zur Spontanversammlung allerdings missbraucht, um die Anzeigepflicht und damit mögliche Auflagen zu umgehen, handelt es sich um eine unangemeldete Veranstaltung. Eine solche zu organisieren, ist strafbar. Eine Umgehung liegt etwa dann vor, wenn im Vorfeld für längere Zeit über soziale Medien zu einer Demonstration aufgerufen oder diese organisiert wurde.
    Auch eine zulässige Spontanversammlung ist indes kein Freifahrtschein, sondern kann von der Polizei aufgelöst werden, wenn dort Straftaten begangen werden und die öffentliche Sicherheit gefährdet ist.
    Samuel Kirsch und Moritz Flocke sind Redakteure in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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