Nahost-Konflikt wird zum Desinformations-Desaster

    Elon Musk in der Kritik :Nahost-Konflikt wird Desinformations-Desaster

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
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    Hamas-Propaganda, Gerüchte und Gewaltdarstellungen: Der aktuelle Konflikt in Nahost spült Unmengen an Falschinformationen in soziale Medien. Elon Musk bekommt Probleme mit der EU.

    Elon Musk neben einem Logo seiner Kurznachrichtenplattform X. (Archivbild)
    Eine Welle der Desinformation: Auf Elon Musks Plattform X bekommen Nutzer immer mehr Propaganda und falsche Gerüchte zum Gazakrieg angezeigt. (Archivbild)
    Quelle: AFP

    Desinformation und falsche Inhalte auf einem Level, wie Experten es noch nie gesehen haben - das ist das Fazit fünf Tage nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. "Seit Jahren mache ich Faktenchecks auf Twitter und es gab schon immer viel Falschinformation während Großereignissen. Aber diese Flut an falschen Posts (…) ist etwas ganz anderes", schreibt der BBC-Journalist Shayan Sardarizadeh auf X. Der Rechercheexperte Justin Peden, online bekannt als "The Intel Crab", sagt:

    Noch nie war es für mich so schwer, über eine Krise zu berichten.

    Rechercheexperte Justin Peden

    Alte Videos aus anderen Konflikten, falsche Berichte über den vermeintlichen Einsatz verbotener Waffen und im Sekundentakt eine Welle an unbestätigten Gerüchten, die mit Ausrufezeichen und "Breaking"-Hinweisen aufgeblasen werden. Soziale Medien spielen einfachen Nutzern immer mehr zweifelhafte Informationen in die Timeline und traditionelle Medien kommen mit dem Verifizieren kaum hinterher.

    Warum Twitter in Krisensituationen so wichtig war

    Bei Kriegen und Katastrophen war Twitter, das heutige X, unverzichtbar. Dort treffen Accounts von offiziellen Einrichtungen, Politikern, Journalisten und einer kleinen Szene an Experten für Onlinerecherche zusammen. Letztere können innerhalb kürzester Zeit Bilder und Videos verifizieren und Journalisten wertvolle Hinweise geben.
    Schon immer mischten sich darunter auch Propagandisten und Scharlatane, deren Reichweite aber begrenzt war - bis Elon Musk das Geschäftsmodell veränderte. Der blaue Verifizierungshaken ist kein Qualitätsmerkmal mehr, ihn gibt es für acht US-Dollar pro Monat zu kaufen. Umgekehrt werden zahlende Nutzer an Werbeeinnahmen beteiligt.

    Elon Musk trägt persönlich zum Informations-Chaos bei

    "Das wird gezielt von Leuten genutzt, die Desinformation verbreiten und damit Geld verdienen können", sagt Miro Dittrich vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas), das Extremismus im Netz beobachtet und dazu forscht. "Elon Musk hat selbst Accounts empfohlen, die Desinformation zum Gaza-Konflikt verbreiten."
    Am Sonntag hatte Musk in einem kurz darauf wieder gelöschten Post zwei von Experten als unzuverlässig eingestufte Kanäle als gute Quellen hervorgehoben. Beide haben aktuell über 750.000 Follower und werden wie andere zweifelhafte Accounts von den X-Algorithmen empfohlen.

    X erfüllt nicht die Funktion, die Twitter früher hatte. Man muss sich davon verabschieden, dass man dort vertrauenswürdige Informationen bekommt.

    Miro Dittrich, Cemas

    Eliot Higgins, Gründer der Rechercheplattform Bellingcat, kritisiert insbesondere, dass eine wachsende Zahl an reichweitenstarken Recherche-Kanälen nicht transparent mache, woher sie ihre Informationen hätten. "Wenn euer Ziel Selbstvermarktung mit geklauten Inhalten ist, ohne die Quelle zu verlinken, dann beeindruckt das vielleicht Elon Musk, mich aber nicht", schreibt Higgins an diese Kanäle gerichtet.

    Wie schützen die anderen Plattformen ihre Nutzer?

    Grundsätzlich täten sich alle Plattformen mit Desinformation schwer, betont Dittrich gegenüber ZDFheute. "Telegram macht gar keine Moderation in diesem Bereich."
    Bei Gewaltinhalten wie sie Hamas und andere Gruppen seit Tagen in hoher Frequenz veröffentlichen, schlagen sich die Plattformen unterschiedlich. "Meta hat gute Werkzeuge entwickelt, um grafisches Material auszublenden. Auf YouTube funktioniert es auch nicht gut, solche Dinge hochzuladen", sagt Dittrich. Auf X hingegen gebe es sehr viele, sehr brutale Inhalte.

    Europäische Kommission fordert Musk zum Handeln auf

    Der Vorwurf eines laxen Umgangs mit Falschinformationen und Gewaltinhalten auf X hat auch die Europäische Union auf den Plan gerufen. Der zuständige Handelskommissar Thierry Breton veröffentlichte am Dienstag ein Schreiben an Musk:

    Medien und Zivilgesellschaft berichten umfangreich über Fälle von falschen und manipulierten Bildern und Informationen, die sich auf Ihrer Plattform in der EU verbreiten.

    EU-Kommissar Thierry Breton

    Breton drohte Musk mit einem Ermittlungsverfahren und potenziellen Strafen im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste der EU. Effektive Maßnahmen müssten schnellstens sichergestellt werden. Musk forderte Breton seinerseits auf, eine Liste der beanstandeten Inhalte auf X zu veröffentlichen, woraufhin Breton auf die bei X eingehenden Nutzermeldungen verwies.

    Tweet von Thierry Breton an Elon Musk

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    Traditionelle Medien erreichen viele Nutzergruppen kaum

    Die Videos deutsch-arabischer Hamas-Aktivisten oder muslimischer Prediger über angebliche Doppelstandards des Westens im Umgang mit Israel und der Ukraine werden zehntausendfach auf TikTok und Instagram geteilt. Wie schief die Vergleiche häufig sind, fällt in den oft nur wenige Sekunden langen Clips kaum auf. Die Plattformen sind so auf Kürze getrimmt, dass für mehr als einen kontextlosen Videoausschnitt, einen Slogan oder ein Meme selten Platz ist.
    "Es ist ein sehr emotionalisierter Konflikt und Menschen verbreiten gerne Informationen, die eine Emotion bei ihnen ansprechen", sagt Dittrich. Den Wahrheitsgehalt der Information prüfen nur die wenigsten.

    In manchen Communities sind die Hamas-Erzählungen sehr erfolgreich. Das sind geschlossene Narrative, die auch nicht durch einzelne Medieninhalte aufgebrochen werden können. Diese Erzählungen sind oft schon sehr lange da, mit denen sind Leute aufgewachsen.

    Miro Dittrich, Cemas

    Klassische Medien würden dort kaum wahrgenommen. Und TikTok als Plattform für Medieninhalte sei in Deutschland verschlafen worden, kritisiert Dittrich. Jetzt bei Jugendlichen populäre Influencer für aufklärende Inhalte zum Nahost-Konflikt zu gewinnen, ist aber auch nicht automatisch eine gute Lösung. "Der Konflikt ist sehr komplex und Influencer sind meist keine Expert*innen. Da kann auch schnell viel kaputt gemacht werden. Wir erleben, dass sich viele Leute mit sehr wenig Ahnung äußern", so Dittrichs Beobachtung.

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