Unterstützung der Nato:Warum der Hamas-Angriff auch Kiew betrifft
von Florian Neuhann
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Ist die Unterstützung des Westens für die Ukraine in Gefahr? Was der Hamas-Angriff auf Israel jetzt verändert - und warum das bei der Ukraine Besorgnis auslösen dürfte.
Präsident Selenskyj hat Israel nach dem Großangriff der Hamas seine Solidarität ausgesprochen.
Quelle: dpa
Es ist "nur" ein Tweet, "nur" das übliche Störfeuer. "Niemand" in den USA habe Interesse daran, dass der Kreml sich ins Fäustchen lacht. So reagieren westliche Diplomaten, spricht man sie auf Wortmeldungen wie diese an. Der US-Senator Josh Hawley, ein Trump-Anhänger aus dem US-Bundesstaat Missouri, am Montag auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter):
Josh Hawley auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter)
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Zu Deutsch: "Israel ist existenziell bedroht. Jede Hilfe für die Ukraine sollte sofort nach Israel umgeleitet werden." Ist das wirklich nur das übliche Störfeuer? Oder beschreibt es die Gefahr, vor der die Ukraine jetzt steht?
Israel vs. Ukraine: Ein möglicher Ressourcenkonflikt
Am Mittwoch treffen sich die Verteidigungsminister des Westens in Brüssel. Erst, in großer Runde, im so genannten "Ramstein-Format", in dem sie über Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine diskutieren. Dann im Rahmen der Nato mit der Ukraine. Beide Treffen könnten einen Wendepunkt markieren.
Schon vor den Ereignissen am Wochenende hatte es schließlich Fragezeichen an der westlichen Ukraine-Hilfe gegeben. Da war ein Wahlerfolg des Putin-Freundes Robert Fico in der Slowakei. Dann das im polnischen Wahlkampf verkündete vorläufige Ende der polnischen Waffenlieferungen. Und schließlich der Haushaltskompromiss mit den Republikanern im US-Senat, der vorläufig keine weiteren Hilfen für die Ukraine vorsah.
Zu alldem kommt jetzt eine weitere internationale Großkrise. Und damit ein echtes Problem für die Ukraine - mit einer Frage, die über allem schwebt: kommt es zum Ressourcenkonflikt?
Der Krieg in Israel wird Aufmerksamkeit binden - und nicht nur das
Noch im Januar dieses Jahres hatten die USA Munition aus ihrem Depot in Israel an die Ukraine umgeleitet. Im festen Glauben, dass die Lage im Nahen Osten weiter ruhig bleibt. Jetzt aber könnten die USA nicht nur ihre Aufmerksamkeit von der Ukraine und hin auf den Nahen Osten richten. Sondern womöglich auch ihre Waffenlieferungen.
"Vorerst gibt es da kein direktes Konkurrenzverhältnis zwischen den Lieferungen an Israel und denen an die Ukraine", sagt Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die israelische Armee sei schließlich gut ausgestattet.
Und Russland-Experte Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz ergänzt: Europa dürfe nicht warten, bis sich ein solches Konkurrenzverhältnis entwickele. "Es kommt jetzt auf Europa und Deutschland an. Wir müssen die Amerikaner in der Ukraine jetzt entlasten und ihnen damit Ressourcen ermöglichen, um Israel zu unterstützen."
Kann Europa die US-Hilfe auffangen?
Die Frage ist nur, ob Europa, ob Deutschland dazu willens und in der Lage ist. Zwar hat Europa nach Daten des "Ukraine Support Trackers" des Kieler Instituts für Weltwirtschaft jüngst in der Gesamtsumme der Hilfe die USA überholt. Doch immer noch kommen militärisch und finanziell rund die Hälfte der Lieferungen aus den USA. "Nein, Europa könnte die USA nicht ersetzen" - bekannte kürzlich beim EU-Gipfel in Granada der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Amerikaner von heute auf morgen alle Hilfe einstellen", sagt Außenpolitik-Experte Mölling dazu.
Und trotzdem müsse Europa jetzt aufwachen.
"Es wird niemand kommen und das Problem für uns lösen"
Das sieht auch Nico Lange so: "Jetzt müssen wir grundsätzlich Dinge überdenken. Das betrifft Produktionskapazitäten, das betrifft die Lieferung nicht nur von Taurus-Marschflugkörpern. Es wird niemand kommen und das Problem für uns lösen."
Vor den Kameras wird am Mittwoch in Brüssel übrigens, davon darf man ausgehen, jeder die Hilfe für die Ukraine als gesichert darstellen. Hinter den Kulissen aber ist die Unruhe groß. Vermutlich zurecht.
Florian Neuhann ist Korrespondent im ZDF-Studio Brüssel.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.