Handball - EM: Trainer-Rookie Rodriguez will DHB-Team ärgern
Handball-EM:Trainer-Rookie Rodriguez will DHB-Team ärgern
von Erik Eggers
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Ungarns Trainer "Chema" Rodriguez ist erst vier Jahre im Trainerberuf. Nun will er Gastgeber Deutschland und eines seiner großen Vorbilder ärgern: Alfred Gislason.
Ungarns Trainer José Maria Rodriguez Vaquero beim Spiel gegen Island.
Quelle: Reuters
Über seinen nächsten Gegner spricht José Maria Rodriguez Vaquero, genannt "Chema", in den höchsten Tönen. Deutschland-Coach Alfred Gislason "ist eines meiner größten Vorbilder", versicherte der 44-jährige Spanier, der erst vor vier Jahren in das Trainergeschäft eingestiegen ist. Nachdem er bereits unter Vorgänger Istvan Gulyas assistiert hatte, verantwortet er das ungarische Team seit 2022 als Cheftrainer.
Zehn Optionen hat die DHB-Auswahl, noch das Halbfinale der Handball-EM zu erreichen. Allerdings: Das Team von Alfred Gislason hat das Weiterkommen nicht mehr in der eigenen Hand.
Neuling an der Seitenlinie
Im Trainergeschäft ist er also noch ein Greenhorn, jedenfalls im Vergleich zu Gislason, der seit über einem Vierteljahrhundert die Seitenlinie hin und her tigert. Umso höher ist der Respekt, den er sich in kurzer Zeit erarbeitet hat.
Dass Ungarn, das bei der EURO 2022 nach einem desaströsen 15. Platz von der heimischen Presse vernichtet wurde, am Montagabend gegen Deutschland (20:30 Uhr im ZDF) noch um den Einzug in das Halbfinale kämpft, ist eine große Überraschung. Hinter dem Team liegt schließlich eine große Zäsur.
Junge Wilde in Ungarns Team
Junge Spieler sind neu dabei, etwa der Linkshänder Zoran Ilic (HSV), der im Sommer noch die Junioren-WM spielte - ebenso der 20-Jährige Gergö Fazekas, dessen Vater Nandi als Torwart viele Jahre in der Bundesliga spielte. Fazekas sammelt in Plock bereits Erfahrungen in der Champions League. Unbestrittener Anführer auf Rückraum Mitte ist freilich immer noch Mate Lekai, 35, der gegen Deutschland sein 172. Länderspiel absolvieren wird.
"Nach der EURO 2022 gab es im Verband und im Team einen gewaltigen Einschnitt", so formuliert es der Halblinke Patrik Ligetvári, der eine Sonderstellung in der Nationalmannschaft einnimmt. Denn der 27-jährige Rechtshänder ist der einzige Profi aus Veszprém, dem Vorzeigeklub der Magyaren, der von der Politik großzügig unterstützt wird.
Deutschlands Handballer haben im zweiten EM-Hauptrundenspiel einen überraschenden Rückschlag erlitten. Das DHB-Team kam gegen Außenseiter Österreich nicht über ein 22:22 hinaus.20.01.2024 | 6:54 min
Ungarn locken mit Topgehältern
Die Topgehälter, die am Balaton gezahlt werden, ziehen Stars an, etwa die Franzosen Nedim Remili und Kentin Mahé. Insofern steht Rodriguez vor dem gleichen Dilemma, das sein deutsches Pendant für den THW Kiel und den SC Magdeburg beklagt: Dass die wichtigsten Positionen im Rückraum von ausländischen Legionären besetzt werden und dort der einheimischen Jugend die Einsatzzeiten fehlen.
Als Ligetvári in der Jugend dieses Schicksal drohte, reagiert der Klub mit einer Ausleihe - der Rechtshänder holte sich Matchpraxis in Spanien, in Leon und in Logrono. Auch Kristof Palasics, der gemeinsam mit Laszlo Bartucz das Erbe der Torwartlegende Roland Mikler antritt, steht dort unter Vertrag.
Rodriguez baut auf Mauer im Zentrum
Wert legt Chema Rodriguez vor allem auf eine starke Defensive. Dort hat der spanische Coach im Zentrum eine veritable Mauer errichtet. Neben Ligetvári, der 2,05 Meter misst, sind auch Gabor Ancsin (2,02 Meter), Miklos Rosta (2,03 Meter) und Richard Bodó (2,03 Meter) wahre Hünen.
ARD und ZDF übertragen alle WM-Spiele des deutschen Teams - im TV und online. Viele weitere Zusammenfassungen ausgewählter Partien sehen Sie in den Mediatheken.
Das zweite Gruppenspiel der DHB-Auswahl live auf sportstudio.de:
Schweiz - Deutschland, 17. Januar, 20:30 Uhr
Übertroffen werden sie aber noch von der wichtigsten Figur im Matchplan des Trainers: Kreisläufer Bence Bánhidi, der beim zweiten ungarischen Topverein Pick Szeged unter Vertrag steht, misst 2,07 Meter.
Bánhidi "bester Kreisläufer der Welt"
Bánhidi profitiert sehr vom spanischen System, das Rodriguez mit Ungarn spielen lässt. Im Zentrum steht dabei die Kleingruppe, das Spiel Zwei gegen Zwei, vorzugsweise ausgeführt durch den Spielmacher (wie Chema einer war) und dem Kreisläufer. "Er ist einer der besten Kreisläufer der Welt, wenn nicht der beste", sagte Rodriguez, nachdem Bánhidi die Serben im Auftaktspiel fast allein erledigt hatte.
Die Ungarn sind jedenfalls physisch enorm stark und taktisch clever eingestellt. Der größte Vorteil der Ungarn dürfte darin liegen, dass sie bei der WM 2023 bereits einen Platz für die Olympia-Qualifikation erspielten und bei der EM völlig ohne Druck aufspielen. Auch Trainer Rodriguez hat aktuell schon alle Erwartungen übertroffen. Für sein Vorbild Alfred Gislason lässt sich das bislang nicht sagen.