Toni Kroos: Karriereende eines großartigen Fußballers
Mit EM-Aus endet große Karriere:Toni Kroos - der undeutsche Deutsche
von Florian Haupt
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Toni Kroos beendet seine große Karriere. Er war ein deutsches Glückskind, und hob sich doch vom deutschen Kanon ab. Am Ende veränderte er alle Wahrnehmungen.
Das EM-Viertelfinale gegen Spanien war das letzte Pflichtspiel in der großen Karriere von Toni Kroos.
Quelle: IMAGO
Mit einem weiteren Titel tritt Toni Kroos also nicht ab. Auf seinem persönlichen Zenit aber schon. Die deutsche Nationalelf mag im Viertelfinale ihrer Heim-EM gegen Spanien (1:2 n. V.) ausgeschieden sein - aber Kroos war derjenige, der ihr mit seinem Comeback überhaupt Hoffnung gab.
Und sowieso - was spielt es schon für eine Rolle, was andere denken? Kroos ist immer seinen eigenen Weg gegangen. Er wurde damit zum erfolgreichsten deutschen Fußballer der Geschichte.
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Sechs Titel in der Champions League, der letzte in seinem letzten Klubmatch für Real Madrid, sind doppelt so viele, wie sie zuvor die besten Landsleute hatten. Dazu passt, dass er im glücklichen deutschen Vereinigungsjahr 1990 geboren wurde.
Ganz anders als Matthäus und Beckenbauer
Seine Spielweise aber definierte Kroos als "undeutschen" Spieler - wenn man dafür die klassischen Tugenden des hiesigen Fußball-Kanons zugrunde legt. Der Regisseur aus Greifswald war kein Dynamiker, Allrounder und "Leitwolf" wie Lothar Matthäus. Aber auch kein schillernder Individualist wie Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Bernd Schuster. Kroos’ Spiel war von diskreterem Charme, eines für den zweiten Blick.
Bundesliga-Debüt beim FC Bayern
Mit 17 Jahren und 265 Tagen feiert Toni Kroos im Jahr 2007 Bundesliga-Premiere - gegen Cottbus. Er war damit der jüngste Spieler, der für Bayern Bundesliga gespielt hat.
Quelle: IMAGO
Vielleicht hatte er deshalb lange Probleme mit der Anerkennung in Deutschland. Schon am Anfang stand ein Missverständnis, denn beim FC Bayern, der ihn mit 16 verpflichtete, reservierte ihm Uli Hoeneß das Trikot mit der Nummer 10. Tatsächlich brillierte er in der Rolle hinter den Spitzen etwa bei der U17-WM 2007, seinem internationalen Durchbruch, als er zum MVP des Turniers gewählt wurde.
Beim WM-Triumph 2014 war er Deutschlands Bester
In Wirklichkeit sollte sich aber das Revier des Strategen im hinteren Mittelfeld als sein ideales Habitat erweisen. Unter Jupp Heynckes begann der Schritt zurück, unter Pep Guardiola lernte er alle Feinheiten des Passfußballs, unter Joachim Löw wurde er zum statistisch besten Profi beim deutschen WM-Titel 2014.
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Gesprochen wurde danach trotzdem eher über die Ausflüge von Manuel Neuer, das Blut von Bastian Schweinsteiger oder den Siegtreffer von Mario Götze - und nicht über Kroos. Er selbst ließ sich davon nie beirren, er war immer überzeugt: "Ich bin der richtige Mann." So sagte er es, als er nach jener WM bei Real Madrid vorgestellt wurde.
Aus loser Brillanz machte er ein stimmiges Orchester
Wie es danach weiterging, gehört mittlerweile zum Standardlexikon nicht nur des deutschen Fußballs. Vom ersten Tag an übernahm Kroos den Taktstock bei den Königlichen, vereinte Übersicht, Präzision und Eleganz. Im Dienst der Mannschaft verband er die lose Brillanz der Fußballer von Real zu einem einzigen, stimmigen Orchester.
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Als Nummer acht bildete er mit dem "Sechser" Casemiro und dem "Zehner" Luka Modric ein historisches Mittelfeld, doch zuletzt erwies er sich in einer verjüngten Mannschaft als umso fundamentaler und spielte seine vielleicht stärkste Saison überhaupt. Real flehte, er möge bleiben. Doch er fand es an der Zeit, zu gehen.
Der Junge, der schon in der Kindheit alles dem Ziel Fußballprofi unterordnete, war trotzdem ein unangepasster Vertreter seiner Branche. Als Gesprächspartner war er immer schlagfertig und meinungsstark, auch das ging lange unter. Ein eigener Podcast und ein unfreiwillig legendär gewordenes ZDF-Interview haben auch diese Wahrnehmung zum Karriereende hin noch geändert.
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Zum Abschied doch noch große Emotionen
Beim letzten Heimspiel in Madrid überraschte der sonst so coole Deutsche die Zuschauer, als er nach seiner Auswechslung in Tränen ausbrach, weil ihn an der Ersatzbank seine Kinder empfingen. Vielleicht hat er in dem Moment auch daran gedacht, wie ihn früher der eigene Vater trainierte.
Daraus geworden ist eine epochale Karriere. Toni Kroos geht nicht nur als einer der größten deutschen Fußballer der Geschichte. Sondern auch als einer, der die Wahrnehmung darüber geändert hat, wie ein deutscher Fußballer zu sein hat.
Toni Kroos bestreitet im Champions-League-Finale seine letzte Partie für Real Madrid. Danach darf der Ausnahmespieler einmal mehr jubeln - zum sechsten Mal in der Königsklasse.