Nations League: Ist mit Groß der Kroos-Nachfolger gefunden?

Es besitzt schon eine gewisse Aussagekraft, wer am Tag vor einem Länderspiel mit dem Bundestrainer zur Pressekonferenz kommt. Vor dem Klassiker zwischen den Niederlanden und Deutschland im Rahmen der Nations League (Dienstag, 20:45 Uhr) nahm nun Robert Andrich die flachen Stufen im Bauch der Amsterdamer Arena runter zur orangefarbenen Bühne, vor der noch schnell die Werbewand vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) gestellt wurde.

Der Abräumer von Bayer Leverkusen folgte damit beim Abschlussgespräch auf Pascal Groß, der am vergangenen Freitag im Vorlauf des Auftakts gegen Ungarn (5:0) in Düsseldorf Rede und Antwort gestanden hatte.

Gefragte Protagonisten aus dem Maschinenraum: In jenem Mannschaftsteil ist nicht weniger als das Erbe von Toni Kroos zu vergeben - einem der weltbesten Ballverteiler, den Real Madrid schon jetzt schmerzlich vermisst. Im ersten Länderspiel nach der Heim-EM ohne den zurückgetretenen Titelsammler hatte gerade Groß so gut gespielt, dass ihn das Fachmagazin "kicker" nun den "Zirkusdirektor" nannte.

Das beschrieb das Wirken des im Sommer zu Borussia Dortmund gewechselten Mittelfeldspieler ziemlich gut, denn beeindruckend war es allemal, wie der 33-Jährige im Rücken der Zauberer Jamal Musiala und Florian Wirtz das deutsche Spiel orchestrierte.

Lauf- und zweikampfstark, mit Weitsicht und Routine. 90 Prozent seiner Pässe kamen an. Ein Topwert, denn Groß wagte nicht nur einmal den vertikalen Ball oder schlug präzise Flanken.

Da brillierte einer, der wie selbstverständlich aus dem Zentrum mit der Nummer fünf auf dem Rücken den Rhythmus bestimmte - und fand die richtige Mischung aus Beruhigung und Beschleunigung. Groß hatte den Kroos gemacht.

Wie konnte man einen Profi mit diesen Qualitäten eigentlich so lange übersehen? Nur weil der frühere Spieler des FC Ingolstadt bei Brighton & Hove Albion unter Vertrag stand, muss einer ja nicht vom deutschen Radar verschwinden. Der gebürtige Mannheimer betreibt ungern Werbung in eigener Sache.

"Ich glaube schon an meine Stärken, auch wenn ich keine großen Töne spucke", betonte Groß am Samstag im ZDF. In der Mixed Zone schob er nach: "Es hat sich gut angefühlt. Wir haben den gleichen Trainer, die gleichen Abläufe, die gleichen Prinzipien: Wir haben schon ein Gerüst."

Auch sein Nebenmann war nachträglich voll des Lobes. Für ihn sei das überhaupt keine große Umstellung gewesen, erläuterte Andrich, der bei der EM den Bodyguard für seinen Kumpel Kroos gab. Aber auch mit Groß klappte das Verständnis: Der neue Nebenmann sei "unfassbar clever, mit und ohne Ball, und hat unfassbar viel Erfahrung". Hörte sich an, als könnte das sogar eine Dauerlösung sein.

Der Bundestrainer hat ansonsten natürlich noch Aleksandar Pavlovic und Angelo Stiller für diese Schlüsselposition in petto. "Auch Pavlovic und Stiller haben die Bälle sofort gewollt und hatten keine Angst."

Der mit seinem ersten Länderspieltor aufgefallene Pavlovic ist mit seinen 20 Jahren am besten, wenn ein Team wie der FC Bayern viel Ballbesitz hat; der 23 Jahre alte Stiller ist beim VfB Stuttgart unter Sebastian Hoeneß aufgeblüht.

Für beide spricht im Hinblick auf die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko das Alter, derzeit aber steht der Ruhepol Groß in der Hierarchie vor ihnen. Nagelsmann möchte gegen die Niederlande nicht so viel ändern.

Dem 37-Jährigen reicht es schon, dass er seine Offensive ändern muss, denn für Niclas Füllkrug, der mit Problemen an der Achillessehne das Abschlusstraining nach elf Minuten verlassen musste, rückt Maximilian Beier in die Startelf.