Zehnkämpfer sollen liefern:Neugebauer - der gelassene Favorit
von Susanne Rohlfing
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Leo Neugebauer ist der Newcomer der Saison, seit dem 9. Juni hält er den deutschen Zehnkampf-Rekord. In Budapest ruhen große Erwartungen auf dem 24-Jährigen.
Wird Leo Neugebauer die deutsche Medaillenflaute bei der WM beenden?
Quelle: dpa
Es war tiefste Nacht in Deutschland, als der Rekord fiel. Aber Christopher Hallmann war hellwach, der Zehnkampf-Bundestrainer verfolgte das Geschehen auf der anderen Seite des Atlantiks anhand von Live-Ergebnissen im Netz. Ihn hatte da so eine Ahnung beschlichen, als er den Zwischenstand nach dem ersten Tag sah.
Leo Neugebauer, deutscher Mehrkämpfer und Student an der University of Texas in Austin, steuerte bei den US-College-Meisterschaften auf etwas Großes zu. In den frühen deutschen Morgenstunden des 9. Juni (8. Juni in Austin) war es dann vollbracht: Mit 8.836 Punkten verbesserte Neugebauer den 39 Jahre alten deutschen Zehnkampf-Rekord von Jürgen Hingsen um vier Zähler.
Altmeister Hingsen musste Neugebauer googlen
Hingsen, Olympia-Zweiter von 1984, musste am Morgen in Deutschland, als sein Telefon Sturm klingelte, erstmal Erkundigungen einholen, wer dieser Jungspund überhaupt ist. Der 65-Jährige scherzte in der ARD: "Ich war ganz schön entsetzt – nein, Quatsch, ich habe mich natürlich gefreut." Seine Bestmarke hatte er am 9. Juni 1984 in Mannheim aufgestellt. Scheint ein gutes Zehnkampf-Datum zu sein, dieser deutsche 9. Juni. Hingsen gab noch zu Protokoll, dass es doch "phantastisch" sei, nun zwei so starke Zehnkämpfer zu den Leichtathletik-Weltmeisterschaften nach Budapest schicken zu können.
Und da sind sie nun und wollen es am Freitag und Samstag unter anderem mit dem Titelverteidiger und Weltrekordhalter Kevin Mayer aus Frankreich und dem kanadischen Olympiasieger Damian Warner aufnehmen. Der 24 Jahre alte Leo Neugebauer, der vom Landkreis Esslingen nach Texas zog, um ein Weltklasseathlet zu werden und jetzt die Weltjahresbestenliste anführt. Und Niklas Kaul, 25 Jahre alt, bereits Weltmeister 2019 und amtierender Europameister, der in Mainz unter der Obhut seiner Trainer-Eltern zum Spitzenmehrkämpfer reifte.
DLV-Gespann mit unterschiedlichen Stärken
So unterschiedlich ihre Wege, so unterschiedlich sind auch die Stärken der beiden Deutschen. Neugebauer ist ein Mann des ersten Tages mit den Disziplinen 100 Meter, Weitsprung, Kugelstoßen, Hochsprung und 400 Meter. Kaul startet immer erst am zweiten Tag mit den 110 Meter Hürden, dem Diskuswurf, Stabhochsprung, Speerwurf und den 1.500 Metern so richtig durch.
Die Rede ist vom Speerwurf und den 1.500 Metern. Das innerdeutsche Duell dürfte also bis zuletzt spannend bleiben. Christopher Hallmann ist sogar überzeugt, dass das für den gesamten WM-Zehnkampf gelten wird. "Da sind mindestens acht Athleten am Start, die die Chance haben, nach den Medaillen zu greifen", sagt er.
DLV wartet noch auf die erste WM-Medaille
Typen der Sorte Leo Neugebauer bräuchte die deutsche Leichtathletik aktuell ein paar mehr. Im Feuerwerk internationaler Spitzenleistungen ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris steht sie in Budapest noch da wie ein begossener Pudel im Kreis hungriger Wölfe. Da kommt ein Löwe gerade recht: Neugebauer nennt sich in den sozialen Medien, wo er offensiv, locker und lustig auftritt, "Leo the German". Vielleicht ist das ein Anfang.
Wer Jürgen Hingsen ist, musste er nicht googlen, das war ihm klar. Dass dieser ihn dagegen nicht kannte, nimmt er ihm nicht weiter übel: "Ich doch klar, ich war ja letztes Jahr zum ersten Mal bei einer WM dabei und bin Zehnter geworden. Natürlich stand immer Niklas im Fokus."
Neugebauer spürt keinen Druck
Jetzt stehen sie zu zweit im Rampenlicht, und mit jedem Tag ohne WM-Medaille für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) wächst der Druck auf die Zehnkämpfer. Aber Neugebauer sieht das gelassen:
Wenn er das wahr macht, wenn er da weiter macht, wo er im Juni in Austin aufgehört hat, dann muss dem DLV nicht bange sein. Zumindest wenn Neugebauer noch rechtzeitig vor dem WM-Start seine Spikes bekommt - denn die waren ebenso wie ein Koffer mit Kontaktlinsen auf dem Flug verschütt gegangen.