Situationship: Zwischen Dating und Beziehung

    So liebt die Gen Z:Situationship: Zwischen Dating und Beziehung

    von Jenna Busanny
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    Onlinedating macht vieles möglich - auch Gefühle und Intimität ohne Verbindlichkeit, wie in der "Situationship". Eine Art der Beziehung, die man wollen und können sollte.

    Ein Pärchen, bestehend aus Frau und Mann, sitzt im Außenbereich eines Cafés. Die Frau hält ein Smartphone in der Hand.
    Keine Verpflichtungen, mehr Unabhängigkeit und trotzdem Nähe und Intimität: Damit es in einer Situationship auch klappt, müssen beide sich bewusst auf die "Beziehung-Light" einlassen.
    Quelle: imago/Westend61

    Egal ob auf Tinder, Hinge, Parship oder Bumble - auf vielen Online-Portalen kann man heute jemanden kennenlernen. Mit der höheren Verfügbarkeit scheint aber auch die Lust auf Unverbindlichkeit zu wachsen.
    "Situationship", auf gut Deutsch eine lockere Beziehung, ist einer der wichtigsten Dating-Trends unter Singles im Alter von 18 bis 25 Jahren. Die Plattform Tinder zum Beispiel, verzeichnete zwischen Januar und Oktober 2022 einen Anstieg von 49 Prozent bei den Mitgliedern, die diesen Begriff zu ihren Steckbriefen hinzufügten und damit die Situationship als einen gültigen Beziehungsstatus anerkennen.
    Piroska Gavallér-Rothe, Paartherapeutin und Buchautorin, definiert den Begriff so: "Ein mehr oder weniger regelmäßiges Dating mit einem Menschen, den man mindestens mag - meistens ist auch Verliebtsein dabei - und mit dem man ohne weitergehendes Commitment auch intime Momente erlebt."

    Manche Situationships seien exklusiv, andere nicht, erklärt Psychologin Theresa Feulner. Einige Situationship-Partner werden sogar Familien und Freunden vorgestellt. Daher befindet sich eine Situationship also im Graubereich zwischen lockerem Dating und einer festen Beziehung.

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    Freiheit und Nähe in der Situationship

    "Eine Situationship ist ein ambivalentes Konstrukt", sagt Gavallér-Rothe. "Wenn man weiß, was man braucht und das in der Situationship auch bekommt, dann kann eine Situationship - zumindest für eine gewisse Zeit - aufgehen."
    Eine Situationship sei zum Beispiel für junge Menschen eine gute Möglichkeit, sich auszuprobieren, Erfahrungen zu sammeln oder ein absehbares Ende, zum Beispiel durch Umzug oder Studienende, abzufedern.
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    Situationship gibt Möglichkeit zum Experimentieren

    Auch Psychologin Theresa Feulner sieht Vorzüge einer Situationship: Sie erhalte das Gefühl von Freiheit und Ungebundenheit, bringe aber trotzdem Nähe mit sich. Sich nicht auf einen Partner festzulegen, könne einem dabei helfen, zu experimentieren, offen für Erfahrungen mit anderen Partnern zu sein und Abenteuer zu erleben.
    "Menschen, die bindungsängstlich sind und sich nicht voll auf eine Beziehung einlassen können oder ein großes Freiheitsbedürfnis haben, können so Beziehungen erleben, ohne sich eingeengt zu fühlen", so die Expertin.

    "Ein One-Night-Stand ist das eine - mit einem Menschen regelmäßig intim zu sein, sich in den Arm zu nehmen oder zu kuscheln das andere", erklärt Paartherapeutin Piroska Gavallér-Rothe. Denn in Momenten, in denen man Seite an Seite liegt, wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. "Durch sanfte Berührungen und Streicheleinheiten werden der Botenstoff Serotonin und das 'Kuschel-' oder auch 'Liebeshormon' genannte Oxytocin ausgeschüttet", heißt es auf der Website der Medizinischen Universität Graz.

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    Situationship sollte gewollt sein

    Gavallér-Rothe warnt jedoch davor, in eine Situationship "reinzurutschen", ohne sie eigentlich zu wollen. Oft entstehe eine Situationship, weil Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse der Partnerinnen oder Partner nicht rechtzeitig angesprochen werden.
    "Ist die Sehnsucht nach einem Partner oder einer Partnerin groß, geht man mitunter Kompromisse ein, die kontraproduktiv sind - zum Beispiel was Erreichbarkeit oder Verlässlichkeit betrifft", sagt die Paartherapeutin und Autorin. Dann werde eine Situationship unbefriedigend und kompliziert.

    Mal heiß, mal kalt - schnell kann man in einer Situationship den Überblick über seine Gefühle verlieren. Paartherapeutin Piroska Gavallér-Rothe hat für solche Fälle einen Tipp: Jeden Abend wird ein Smiley in den Kalender gemalt: Ging es mir heute gut oder schlecht? Dann kann ich nach einem bestimmten Zeitraum sehen, ob mir meine Situationship guttut. Wenn nicht, dann gilt es, etwas zu verändern.

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    Sich selbst ernst nehmen

    Wünsche ich mir jemanden, der oder die sich oft meldet, sich oft treffen will, nur mich treffen will? Oder will ich vielleicht irgendwann doch etwas Festes?

    Für viele Menschen fehlt bei Situationships die Stabilität und Sicherheit, die eine feste Beziehung geben würde.

    Theresa Feulner, Psychologin

    Fehlt eine gute und ehrliche Kommunikation, können Unsicherheiten entstehen, die Eifersucht mit sich bringen können. Oft werden weiterhin andere Menschen gedatet. Je nach Persönlichkeit könne dies zu einem geringeren Selbstbewusstsein führen, merkt die Expertin an.
    "Es ist wichtig, dass beide für sich reflektieren, was die eigenen Bedürfnisse und Wünsche sind, und darüber im Austausch sind, um sicherzustellen, dass nicht einer von beiden unter der Situation leidet", sagt Feulner.
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    Die Situationship anpassen - oder beenden

    "Ein Radar für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu entwickeln, ist essenziell", sagt Gavallér-Rothe. Erfüllen sich in einer Situationship nur ein, zwei Bedürfnisse und ist man die restliche Zeit unglücklich, ist es Zeit für ein Gespräch. "Je früher, desto besser", rät sie.
    Mit der Zeit werde es schwieriger und der mögliche Verlust größer. Ändert sich nach dem Gespräch nichts, sollte man Konsequenzen ziehen - auch wenn das wehtut. Denn nur solange man die Situationship aktiv mitgestalten kann, stärkt sie das Selbstwertgefühl.

    Vor- und Nachteile einer Situationship



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