Antrag der Union mit AfD-Stimmen: Reaktionen und Folgen

    Unions-Antrag mit AfD-Stimmen:Der Tabubruch: Zwischen Jubel und Schockstarre

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Die einen jubeln, die anderen sind geschockt: Zum ersten Mal haben Union, FDP und AfD im Bundestag gemeinsam einem Antrag zur Mehrheit verholfen. Absicht oder nicht?

    Alice Weidel (AfD) nach der Regierungserklaerung des Bundeskanzlers
    Antrag mit Stimmen der AfD durchgesetzt: SPD und Grüne kritisieren Unionskanzlerkandidat Merz scharf.29.01.2025 | 3:39 min
    "Damit ist der Entschließungsantrag angenommen." Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckart (Grüne) versucht, möglichst neutral das zu verkünden, was alle im Bundestag als Paukenschlag empfinden. Nur von verschiedenen Seiten.

    Jubel bei der AfD, Schock bei Rot-Grün

    In der AfD wird geklatscht, man freut sich, umarmt sich, Hände werden gedrückt. Alles auf dieser Seite des Bundestages signalisiert: geschafft. Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer, sagt:

    Jetzt beginnt etwas Neues. Und das führen wir an.

    Bernd Baumann (AfD)

    SGS Zimmermann
    Wozu die Annahme des Antrags jetzt führt, erklärt Diana Zimmermann.29.01.2025 | 1:35 min
    Auf der anderen Seite des Bundestages: Schockstarre. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich beantragt eine Sitzungsunterbrechung, auch im Namen der Grünen, der noch amtierenden Bundesregierung. Mützenich sitzt minutenlang still auf seinem Platz nach diesem Satz:

    Die Union ist aus der politischen Mitte dieses Hauses ausgebrochen.

    Rolf Mützenich (SPD)

    Seine Fraktion klatscht, erhebt sich von den Plätzen. Auch bei den Grünen. Als danach CDU-Fraktionschef Friedrich Merz sagt: "Ich suche in diesem Parlament keine andere Mehrheiten als in der Mitte des Parlaments", da erntet er höhnisches Gelächter und Buh-Rufe. Auch für den Nachsatz:

    Ich bedauere das.

    Friedrich Merz (CDU)

    Die AfD und CDU Fraktionen bei der 209. Sitzung des Bundestags.
    66 Prozent der Befragten finden, dass die CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD grundsätzlich ablehnen sollte – 31 Prozent nicht. Das zeigt das aktuelle ZDF-Politbarometer.30.01.2025 | 0:28 min

    Drei Stimmen verhelfen zur Mehrheit

    Echtes Bedauern oder nicht? Absicht oder nicht? Das ist die Gretchenfrage, um die es in den kommenden Wochen des Wahlkampfes vermutlich gehen wird. Für den Antrag der Union zur Umsetzung ihres Fünf-Punktes-Planes zur Begrenzung der Migration haben neben der Union auch 75 von 76 Abgeordneten der AfD und fast alle der FDP gestimmt.
    Am Ende sind es drei Stimmen über der Mehrheit. Am Ende ist es allerdings auch nur ein Antrag und kein Gesetz, das nun sofort umgesetzt wird. Es ist nur eine Empfehlung für eine Regierung, die es fast schon nicht mehr gibt. Aber es ist ein Symbol. Und laut SPD und Grüne ein Tabubruch: Zum ersten Mal ist im Parlament eine Mehrheit mit einer Partei zustande gekommen, die zum Teil als rechtsextrem eingestuft wird.

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    Grüne: Merz hat sich verzockt

    Der SPD-Fraktionschef wirft der Union vor, sie habe "wissentlich und willentlich" die Mehrheit mit der AfD gesucht. Die mehr als 200 Abgeordneten, die beiden Parteivorsitzenden stehen alle neben und hinter Mützenich, als er noch einmal das Geschehene vor Kameras kommentiert. Man wolle nun alles dafür tun, "damit die Rutschbahn nicht weitergeht", so Mützenich.
    Empörung und Entsetzen auch bei den Grünen. CDU-Chef Merz habe beim Thema Migration in die Offensive kommen wollen, vermutet Fraktionschefin Katharina Dröge. Dann habe er "die Nerven verloren, er hat sich verzockt", indem er gemeinsame Sache mit der AfD gemacht habe. Der Schaden sei groß, für das Parlament, für die Union. Dröge glaubt:

    Er wird ein Getriebener der AfD sein.

    Katharina Dröge (Grüne)

    Als sie das sagt, hat AfD-Vorsitzende Alice Weidel schon die Jagd begonnen: "Wir sehen, dass bürgerliche Mehrheiten da sind", sagt sie. Und stellt fest: "So etwas wie die Ampel wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen."
    Die ausgestreckte Hand mit Blick "auf die nächste Legislatur", so Weidel.
    SGS Frei Slomka
    "Wir hätten uns eine andere Mehrheit gewünscht", sagt Thorsten Frei (CDU) zu dem gemeinsamen Abstimmen mit der AfD. Aber man könne nicht so wie bisher weitermachen.29.01.2025 | 4:55 min

    Neun in der Union protestieren still

    Genau um diesen Eindruck geht es, den SPD und Grüne nun vermeiden wollen. Und vielleicht auch müssen. Noch am Abend demonstrieren Menschen vor dem Konrad-Adenauer-Haus, halten Schilder hoch mit der Aufschrift "Nie wieder 1933".
    Union und FDP betonen, sie hätten in der Sache entschieden. "Wir hätten uns eine andere Mehrheit gewünscht", erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Thorsten Frei im heute journal. "Es ist aus unserer Sicht schon notwendig gewesen, dass wir an dieser Stelle einen Akzent setzen."
    Am Freitag wird das Gesetz verabschiedet, das den "Zustrom", wie es darin heißt, nach Deutschland begrenzen soll, indem etwa subsidiär Schutzberechtigte ihre Familie nicht mehr nachholen dürfen.

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    :Scholz: Kein Vertrauen mehr zu Merz

    Kanzler Scholz hat die Bundestagsabstimmung zur Migrationspolitik als "Tabubruch" bezeichnet. Er könne Merz nun nicht mehr trauen. Alle Nachrichten im Wahlkampf-Ticker.
    Typical: Bundestag
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    "Ich mache ihnen ein Angebot", so Merz in Richtung SPD und Grüne, darüber noch einmal zu verhandeln und zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. FDP-Vize-Vorsitzender Wolfgang Kubicki warnt zudem: Man solle nun von "jeder Art von Inszenierung" Abstand nehmen. Der Versuch von SPD und Grünen, daraus "einen taktischen Vorteil" zu erreichen, werde nicht gelingen.
    Doch was ist Inszenierung und was nicht? Neun Abgeordnete der Unionsfraktion wählen eher den stillen Protest: Sie stimmen erst gar nicht ab, obwohl sie zum Teil noch am Mittag im Bundestag waren.
    Nur eine stimmt offen mit Nein: Antje Tillmann. Sie kommt aus einem Bundesland, in dem man Erfahrungen mit der AfD hat. Sie kommt aus Thüringen.

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    Quelle: dpa

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