Merz und die Brandmauer der CDU:Und morgen dann ein Gesetz mit AfD-Stimmen?
von Dominik Rzepka
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Erst stimmen Union, FDP und AfD für einen Antrag zur Migration, morgen könnten sie erstmals ein Gesetz zusammen beschließen. Ist das realistisch? Und was bedeutet das für die Wahl?
Auch mit Stimmen der AfD hat ein Antrag der Union für eine schärfere Asylpolitik im Bundestag eine Mehrheit erreicht. SPD und Grüne kritisierten Unionskanzlerkandidat Merz scharf.29.01.2025 | 2:37 min
Worum geht es?
Am Mittwoch haben Union, FDP und AfD für einen Antrag von CDU-Chef Friedrich Merz gestimmt zur Verschärfung der Migrationspolitik. Allerdings sind Anträge nicht bindend und dieser Antrag dürfte vom Bundesrat blockiert werden. Insofern kommt es allein dadurch noch nicht zu schärferen Maßnahmen.
Am Freitag aber bringt die Union einen Gesetzentwurf ein, das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz aus dem September 2024. In diesem Gesetz steht unter anderem, dass ein Familiennachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz "nicht mehr gewährt" wird.
Der CDU-Antrag zur Migration fand heute eine Mehrheit im deutschen Bundestag durch Stimmen der AfD. Die fühlt sich als Sieger. Scharfe Kritik an CDU-Chef Merz äußern SPD und Grüne.29.01.2025 | 3:39 min
Bekommt das Gesetz eine Mehrheit dank Union, FDP und AfD?
Könnte sein. Nun war die Mehrheit am Mittwoch außerordentlich dünn. Und sie kam auch deswegen zustande, weil einige Abgeordnete der Union nicht an der Abstimmung teilgenommen haben - so wie übrigens auch einige von SPD und Grünen nicht.
Aber selbst wenn die fehlenden Unions-Abgeordneten geschlossen gegen das Gesetz stimmen würden, könnte es trotzdem für eine Mehrheit reichen. Denn: Am Mittwoch hatte sich das Bündnis Sahra Wagenknecht noch enthalten. Am Freitag wollen die zehn BSW-Abgeordneten aber für das Gesetz stimmen.
Dann könnten Union, FDP, AfD und BSW das Gesetz zusammen beschließen. Es wäre das erste Mal, dass die Stimmen der AfD ausschlaggebend wären für die Verabschiedung eines Gesetzes.
Eine knappe Mehrheit für Migrationsantrag war nur durch Stimmen der AfD möglich. CDU-Chef Merz lässt sich das Recht auf Anträge im Bundestag aber nicht absprechen. 29.01.2025 | 2:55 min
Welche Rolle spielt Merkels Kritik an Merz?
Eine nicht ganz unwichtige. Merkel wirft Merz im Prinzip fehlende staatspolitische Verantwortung vor. Am 13. November habe er noch dafür plädiert, keine Anträge einzubringen, auf die sich SPD und Grüne vorher nicht verständigt hätten - damit es keine Zufallsmehrheiten mit der AfD gibt. Nun sagt sie:
Merz habe "sehenden Auges erstmalig" eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD ermöglicht, so Merkel. Das ist eine maximale Abgrenzung - und es geht auch um eine strategische Ausrichtung der Union. Mittig, wie Merkel. Oder konservativer, wie Merz. Merkel kämpft hier auch um ihr politisches Erbe.
Die Abstimmung im Bundestag zur Migration sorgt weiter für Wirbel und viel Kritik an CDU-Kanzlerkandidat Merz. ZDF-Reporterin Maurer berichtet aus Berlin.30.01.2025 | 1:56 min
An wen richtet sich Merkel mit ihrer Kritik?
Letzten Endes zielt Merkel auf die Unions-Abgeordneten, die der Abstimmung am Mittwoch ferngeblieben waren, das waren immerhin sieben. Unter ihnen Monika Grütters, Roderich Kiesewetter und der ehemalige Ost-Beauftragte Marco Wanderwitz.
Wanderwitz bringt am Donnerstag ein AfD-Verbot in den Bundestag ein und kann eine Abstimmung seiner Fraktion mit der AfD eigentlich nicht gut finden. Äußern wollte er sich auf ZDFheute-Anfrage aber nicht zu seinem Abstimmungsverhalten.
Die Kritik Merkels könnte die sieben Unions-Abgeordneten bestärken, am Freitag mit Nein zu stimmen. Allerdings dürfte es unter ihnen die Überlegung geben, aus Parteiräson für das Gesetz zu stimmen.
Die von der Union zusammen mit der AfD erzielte Mehrheit im Bundestag ruft Ex-Kanzlerin Merkel auf den Plan: So darf es nicht gehen, macht sie ihren Parteifreunden klar.
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Welche Strategie verfolgt Merz?
Merz selbst sagt, ihm ginge es um die Sache. Und in der Tat finden seine Forderungen eine Mehrheit bei den Wählern. 56 Prozent sprechen sich im ZDF-Politbarometer für dauerhafte Grenzkontrollen aus. 63 Prozent befürworten Zurückweisungen von Asylsuchenden ohne Einreisedokumente.
Strategisch gesehen dürfte es Merz darum gehen, das Thema Migration zu besetzen und es nicht der AfD zu überlassen. Das aber könnte die falsche Taktik sein, sagt Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte ZDFheute:
Die Berliner Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach ergänzt, das Risiko sei hoch, dass Merz mit seinem Kurs die Wählerinnen und Wähler in der Mitte verliere.
Im aktuellen ZDF-Politbarometer verliert die Union einen Prozentpunkt und liegt jetzt bei 29 Prozent. Merz' Strategie - ein Drahtseilakt.
Beim Thema Migration gibt es viele, die der Union inhaltlich folgen. Jedoch ist das Thema für die meisten nicht das wichtigste, so das ZDF-Politbarometer. 30.01.2025 | 1:31 min
Ist Schwarz-Grün jetzt vom Tisch?
Noch am Mittwochabend veröffentlicht Grünen-Chefin Franziska Brantner ein Video bei Instagram. Darin fragt sie sich, sichtlich geknickt, "was eigentlich aus dieser CDU geworden" sei. Eigentlich fehlt nur noch der Satz: Wie sollen wir jetzt bitte noch Schwarz-Grün hinkriegen?
Brantner auf Instagram
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Brantner dürfte wissen, dass der linke Flügel in ihrer Partei eine Koalition mit Friedrich Merz nun nur noch schwerlich absegnen wird. Die Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, hatte sie bereits am Sonntag im ZDFheute-Interview ausgeschlossen. Offizielle Parteilinie ist das aber nicht. Brantner selbst schließt am Donnerstag Schwarz-Grün nicht aus.
Und wie steht es um Schwarz-Rot?
Auch bei der SPD ist der Graben zu Friedrich Merz größer geworden. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte noch am Mittwochabend im Bundestag Merz gefragt, wie seine Partei jetzt noch mit ihm verhandeln solle. Ein Ausschluss dieser Koalitionsoption ist das nicht. Eine Bürde ist es schon. Korte sagt:
Ähnlich sieht es auch Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach. Sie sagt, auf Seiten der SPD sei durch die Aussagen von Friedrich Merz ein Vertrauensverlust entstanden.
Anke Rehlinger kritisiert den CDU-Antrag zur Migration scharf. Merz habe die Mehrheit abseits der politischen Mitte gesucht und gefunden, so die saarländische Ministerpräsidentin. 30.01.2025 | 4:02 min
Wieso redet eigentlich niemand von der FDP?
Das ist eine gute Frage. Denn man könnte auch argumentieren, der Antrag der Union hat nur wegen der FDP eine Mehrheit bekommen. Ohne die FDP hätte Merz ziemlich allein auf weiter Flur gestanden, nur mit der AfD an seiner Seite.
Die FDP hat dem Zustrombegrenzungsgesetz am 6. November im Innenausschuss des Bundestags nicht zugestimmt. Damals war sie noch Teil der Ampel, am Abend desselben Tages platzte die Koalition. Nun aber will die FDP dem Gesetz zustimmen und verteidigt auch, dass sie am Mittwoch dem Unions-Antrag zu einer Mehrheit verholfen hat.
Welche Partei führt in den Umfragen zur Bundestagswahl? Wen hätten die Deutschen am liebsten als Kanzler? Welche Koalitionen wären möglich? Die wichtigsten Zahlen im Überblick.