Politiker-Aussagen im Check:"Wie geht's, Deutschland?" - Der Faktencheck
von J. Schneider, O. Klein, N. Niedermeier, M. Ates, L. Klein
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Bei "Wie geht's, Deutschland?" gab es etliche Fragen, die in der Sendung nicht geklärt werden konnten. ZDFheute liefert Kontext und Erklärungen zu zentralen Aussagen.
Wo steht Deutschland im Bundestagswahljahr 2025? Wie geht es den Menschen, was sind die drängendsten Probleme im Land – und wie wollen die Parteien sie angehen?28.01.2025 | 89:45 min
90 Minuten Sendezeit, acht Politikerinnen und Politiker im Studio und jede Menge Fragen und Herausforderungen: Nicht alle Themen konnten bei "Wie geht's, Deutschland?" bis ins letzte Detail ausdiskutiert und aufgeklärt werden. Bei einigen gab es starke Meinungsverschiedenheit oder die Behauptung, Tatsachen würden falsch dargestellt. ZDFheute hat die Sendung analysiert und zentrale Aussagen einem Faktencheck unterzogen.
Streit um Steuerpläne der AfD
Eine erste Auseinandersetzung gab es rund um die Steuerpläne der AfD: Kanzler-Kandidatin Alice Weidel wurde gefragt, warum ihre Partei reiche Menschen am meisten entlasten würde. Weidel widersprach:
Der Hintergrund: Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hatte berechnet, welche finanziellen Auswirkungen die Steuerpläne der verschiedenen Parteien auf das Einkommen verschiedener Beispiel-Haushalte hätten. Dabei kam heraus: Die AfD-Pläne hätten den Berechnungen zufolge auf geringe Einkommen kaum Auswirkung. Haushalte mit maximal 20.000 Euro Jahreseinkommen hätten höchstens 0,2 Prozent mehr im Jahr. Dagegen könnten Haushalte mit einem Jahreseinkommen ab 150.000 Euro mit 7,7 Prozent mehr Geld rechnen.
Veränderung des verfügbaren Einkommens: AfD
ZDFheute Infografik
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Ein Rechenbeispiel: Ein Alleinverdiener-Paar mit zwei Kindern hätte mit den AfD-Plänen bei einem Jahreseinkommen von 180.000 Euro fast 20.000 Euro mehr in der Tasche.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zum gleichen Ergebnis:
Veränderung im verfügbaren Einkommen - Beispielhaushalt
ZDFheute Infografik
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Welche Aspekte der Berechnungen Alice Weidel genau anzweifelt, ist unklar. In einer ähnlichen Situation in der ARD-Sendung "Maischberger" erklärte sie, das ZEW habe "wichtige Parameter" bei den Berechnungen außen vor gelassen. Als Beispiel nannte sie "die Konsumentensteuer", konkreter wurde sie aber auch hier nicht.
Das ZEW erklärt auf Anfrage von ZDFheute, dass es bei der Berechnung nicht die kompletten Parteiprogramme, sondern eine Reihe von Maßnahmen zu Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Vermögenssteuer, Bürgergeld, Mindestlohn und Klimageld untersucht hat. Im Falle der AfD habe man sich hauptsächlich auf den Leitantrag der Bundesprogrammkommission der AfD bezogen, der auf dem Parteitag in Riesa beschlossen wurde, erklärt Holger Stichnoth, der an der Berechnung beteiligt war.
Auch die FDP hatte Kritik an der Berechnung des ZEW geäußert. Alle Infos zur Diskussion um die Studie, finden Sie hier:
Laut Studie wirkt sich das FDP-Wahlprogramm negativ auf kleine Einkommen aus. Die FDP unterstellt methodische Fehler. Was steckt dahinter?
von Nils Metzger
Analyse
Elektroautos mit polnischem Braunkohlestrom?
Als es um die Frage der Zukunft der deutschen Automobilindustrie ging, sagte FDP-Chef Christian Lindner, man wisse ja nicht, ob es nicht schon in den 30er-Jahren wettbewerbsfähige, synthetische Flüssigkraftstoffe aus der Golfregion gebe.
Zur Einordnung: Deutschland exportierte nach Polen im vergangenen Jahr mehr Strom, als andersherum aus Polen nach Deutschland floss. Während Deutschland 5,88 Terawattstunden nach Polen exportierte, lieferte Polen gerade mal 2,37 Terawattstunden nach Deutschland. Zudem baut Polen die Stromerzeugung aus Solar- und Windenergie kontinuierlich aus. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung lag dort zuletzt bei knapp 28 Prozent. Zugleich ist die Braunkohleverstromung um 32 Prozent gesunken und machte im letzten Jahr 21 Prozent der Stromerzeugung in Polen aus. Der Strommarkt-Experte Bruno Burger sagte deshalb ZDFheute:
Auswertungen von im Jahr 2020 zugelassenen Kraftfahrzeugen in Deutschland zeigen einen Klimavorteil von Elektroautos von 40 Prozent gegenüber Verbrennern, gerechnet über den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge. Das ist das Ergebnis einer 2024 erschienenen Analyse des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) im Auftrag des Umweltbundesamtes. Demnach steigt dieser Wert auf 55 Prozent für in 2030 zugelassene Pkws, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien "zügig" voranschreite.
Klimaneutrale Mobilität könnte so einfach sein: CO2 aus der Atmosphäre und ein bisschen Wasserstoff mischen, das Ganze in ein stinknormales Auto tanken, fertig. Geht das?06.04.2023 | 21:56 min
Und wettbewerbsfähige, synthetische Flüssigkraftstoffe für Autos? Die Internationale Energieagentur rechnet in ihren Szenarien bis ins Jahr 2050 nicht damit. Falko Ueckerdt, der am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung zu synthetischen Kraftstoffen forscht, sagt:
Van Aken: Alle Milliardäre haben ihr Vermögen nur geerbt
Jan van Aken von den Linken positionierte sich und seine Partei als die "Steuersenkungspartei". Während der Erläuterung seiner Pläne behauptete van Aken:
249 Milliardäre gibt es derzeit dem "Manager-Magazin" zufolge in Deutschland. Deren Vermögen ist tatsächlich zum Großteil geerbt: So stammen laut einer Oxfam-Studie, die gerade zum Weltwirtschaftsgipfel in Davos erschien, 71 Prozent des Gesamtvermögens der Milliardäre in Deutschland aus Erbschaften.
Linken-Chef Jan van Aken spricht sich bei "Wie geht's, Deutschland?" für eine Vermögenssteuer für Superreiche aus. Für diese sei die Linke die "Steuererhöhungspartei".28.01.2025 | 1:23 min
Die Aussage, dass alle Milliardäre in Deutschland ihre Milliarden geerbt haben, ist so pauschal jedoch nicht richtig - es gibt etliche Beispiele für Selfmade-Milliardäre: Beispielsweise die SAP-Gründer Dietmar Hopp und Hasso Plattner oder der Gründer der Drogeriemarktkette Dirk Roßmann. Der in den Medien oft als "Schraubenkönig" bezeichnete Reinhold Würth übernahm sein Unternehmen zwar von seinem Vater, machte aus dem Zweimannbetrieb aber selbst ein international tätiges Großunternehmen. Und auch Dieter Schwarz, Gründer von Lidl und Kaufland, hat sein Milliardenvermögen nicht geerbt. Er gilt als der reichste Deutsche.
Lindner: Grüne wollen "Schlepper" finanzieren
Gegen Ende der Sendung wurde es noch mal hitzig. FDP-Chef Christian Lindner warf den Grünen vor:
Das stehe sogar im Wahlprogramm der Grünen, so Lindner. Annalena Baerbock reagierte empört: Das sei eine Lüge, entgegnete sie. "Herr Lindner, bleiben Sie bitte bei den Fakten."
Hunderttausende suchen in Europa Zuflucht vor Krieg und Vertreibung. In ihrer Not vertrauen sich viele Schlepperbanden an, die sie gegen hohe Summen nach Europa bringen sollen.29.11.2023 | 43:34 min
Was meint Lindner mit seinem Vorwurf? Seine Aussage bezieht sich vermutlich auf staatliche Finanzierung privater Seenotrettungen, die er hier mit "Schlepperkriminalität" gleichstellt. Über das Thema hatte die FDP schon mit den Grünen gestritten, als die beiden Parteien noch in der Ampel zusammen regierten: Bereits im Oktober hatte die FDP-Fraktion von Baerbock gefordert, die private Seenotrettung im Mittelmeer nicht länger staatlich zu fördern. Denn Schleuser würden von der staatlichen Unterstützung ebenfalls profitieren, so die Argumentation.
Im Jahr 2023 wurden erstmals Förderungen aus dem Bundeshaushalt für die zivile Seenotrettung in Höhe von knapp zwei Millionen Euro bewilligt. Weitere sechs Millionen Euro an staatlicher Unterstützung sind für die Jahre 2024 bis 2026 vorgesehen. Die Grünen setzen sich für eine staatliche EU-Seenotrettungsmission ein. Solange es diese nicht gibt, müsse die zivile Seenotrettung weiter gefördert werden.
Katastrophenschutz statt Klimaschutz?
Ein Zuschauer aus der ZDF-Mitreden-Community fragte Sahra Wagenknecht, wie das BSW dafür sorgen will, dass das Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten wird und Schäden durch den Klimawandel wie auch ein weiterer Temperaturanstieg verhindert werden soll. Wagenknecht sprach daraufhin den Katastrophenschutz an:
Zur Einordnung: Richtig ist, dass es im Nachgang Kritik am Katastrophenschutz und dem Katastrophenmanagement im Ahrtal gab. Der Abschlussbericht des Untersuchungsauschusses des Landtages hielt fest, dass die befragten Experten zu einem klaren Schluss gekommen seien, dass ein “vorschriftgemäß vorgehaltenes und ausgestattetes Führungssystem und ein pflichtgemäß anwesender und geschulter Landrat” Maßnahmen hätten in Gang setzen können, durch die Menschenleben hätten gerettet werden können.
Vor einem Jahr ereignete sich die fatale Flutkatastrophe im Ahrtal. Jetzt ist klar: Die vorangegangenen Warnungen haben nicht alle erreicht. Was lernen wir daraus für die Zukunft?12.07.2022 | 8:51 min
Richtig ist aber auch, Extremwetterlagen wie die im Ahrtal werden durch den Klimawandel in Zukunft noch heftiger und wahrscheinlicher. Will man das Ahrtal vor Flutkatastrophen wie der in 2021 schützen, müssten zahlreiche Regenrückhaltebecken gebaut werden mit Staumauern mit bis zu 40 Metern Höhe, zeigen Gutachten. Die Umsetzung würde mehrere Jahrzehnte dauern und nach Schätzungen etwa eine Milliarde Euro kosten, berichtete der SWR.
Das BSW fordert im Wahlkampf, das Ziel einer raschen Treibhausgasneutralität aufzugeben. Gewarnt wird vor einer drohenden Deindustrialisierung. Die Abkehr vom Verbrennungsmotor und das Gebäudeenergiegesetz will die Partei rückgängig machen. CO2-Preise einschließlich des EU-Emissionshandels will das BSW abschaffen, zumindest solange es keine globalen Lösungen gibt. Gefordert werden neue Gaskraftwerke, dafür soll die Nord-Stream-Pipeline für russisches Gas wieder geöffnet werden. Den Neubau von konventionellen Atomkraftwerken lehnt das BSW ab, Wind- und Solarenergie sollen weiter ausgebaut werden.
Kanzler Scholz hat die Bundestagsabstimmung zur Migrationspolitik als "Tabubruch" bezeichnet. Er könne Merz nun nicht mehr trauen. Alle Nachrichten im Wahlkampf-Ticker.
Liveblog
Quelle: dpa
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