Historiker: Endete unter Netanjahu die Hoffnung auf Frieden?

    Historiker zu Israels Politik :Endete unter Netanjahu Hoffnung auf Frieden?

    Alica Jung
    von Alica Jung
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    Netanjahu bestimmt seit Jahren die Politik Israels und damit die Verhandlungen mit den Palästinensern. Von Frieden ist dabei laut Historiker Moshe Zimmermann lange keine Rede mehr.

    Israelische Nationalflagge vor Porträt von Netanjahu
    Benjamin Netanjahu ist bereits seit Jahren an der Macht in Israel und bestimmt damit auch die Verhandlungen mit Palästinensern.
    Quelle: AP

    Es gab eine Zeit, da gab es Hoffnung auf Frieden zwischen Israelis und den Palästinensern, sie liegt bereits drei Jahrzehnte zurück.
    Die Unterzeichnung des Oslo-Abkommen im September 1993 durch den israelischen Premierminister Jitzhak Rabin und den Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) Jassir Arafat sollte der Startschuss für den Friedensprozess sein, der eine Zweistaatenlösung anstrebte.

    Mosche Zimmermann
    Quelle: Marius Becker/dpa-Bildfunk

    ...ist ein israelischer Historiker und Antisemitismusforscher. Bis 2012 lehrte er als Professor für neuere Geschichte insbesondere deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. Außerdem war er als Gastprofessor in Jena, Halle, Heidelberg, Kassel, München und Princeton.

    Zimmermann befürwortet eine Zweistaaten-Lösung und steht der Politik von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisch gegenüber.

    Was wurde aus dem Osloer Prozess?

    Doch nach der Ermordung Rabins im November 1995 durch einen jüdischen Fanatiker geriet der Oslo-Prozess schnell ins Stocken. Nur ein halbes Jahr später wurde Benjamin Netanjahu, der heute wieder amtierende Premier, ins Amt gewählt. Die Wahl Netanjahus sei ein Zeichen dafür gewesen, dass mindestens die Hälfte der Israelis mit dem Osloer Prozess nicht einverstanden war, sagt der israelische Historiker Moshe Zimmermann.
    Netanjahu habe von Beginn an eine Politik betrieben, die nicht im Sinne der Idee von Oslo war. Er gewann die Wahl mit dem Slogan: "Netanjahu ist gut für die Juden". Er komme aus einer Familie, mit einem Vater, dem Historiker und Aktivist, Benzion Netanjahu, der für den revisionistischen Zionismus und eine Idee von Groß-Israel steht, die nicht auf Kompromisse ausgelegt ist, erklärt Zimmermann. Der Friedensprozess hätte von Beginn seiner Regierungszeit an keine Chancen gehabt.

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    Netanjahu - ein pragmatischer Taktiker

    Als Praktiker hätte Netanjahu aber durchaus zunächst eine Politik betrieben, die nicht sofort von Partnern wie den USA abgelehnt wird. "Das ist eine doppelzüngige Art von Politik, die er betreibt", nach innen sehr konkret, nach außen nebulös, so der Historiker. So habe er bislang immer weitermachen können mit der Rückendeckung der Amerikaner, sagt Zimmermann. Doch hatte er immer das Ziel Groß-Israel vor Augen und inzwischen Partner in seiner Regierung, die noch radikaler sind als seine Partei Likud.
    1999 verlor Netanjahu zunächst die Wahlen gegen die Arbeiterpartei und auch den Parteivorsitz, erlangte beide Ämter aber wieder zurück und wurde 2009 erneut zum Premier gewählt. Er regiert seitdem, mit einer kurzen Unterbrechung 2022, bis heute.
    Die Verhandlungen mit den Palästinensern hätten in all diesen Jahren immer ins Nichts geführt, nicht nur, weil die Palästinenser in Gaza und dem Westjordanland gespalten sind, sondern weil dies die Taktik Netanjahus sei, erklärt Zimmermann.
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    Spaltung der Palästinenser

    Im vergangenen Jahr hätten sich auch die israelischen Wähler in Bezug auf die Palästina-Frage radikalisiert und für das Programm einer Koalition mit ultrarechtem Flügel gestimmt. Netanjahu habe laut Zimmermann eine Situation geschaffen, wo er den Israelis erklären konnte: Wenn die Palästinenser nicht bereit sind, Israel als Nationalstaat der Juden zu akzeptieren, dann sind sie keine Partner.

    Im November 1988 rief die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) den "Staat der Palästinenser" aus. Dabei wurden das Westjordanland sowie der Gazastreifen als Staatsgebiet beansprucht, sowie Ost-Jerusalem als Hauptstadt.

    Weltweit erkennen 138 Staaten den Staat Palästina an, Deutschland und weitere EU-Staaten allerdings nicht. Aus Sicht der Vereinten Nationen gilt Palästina als Nichtmitgliedstaat mit Beobachterstatus. Unter Staatsrechtsexperten ist umstritten, ob Palästina die Kriterien eines Staates erfüllt.

    Die Spaltung der Palästinenser in den von der Hamas kontrollierten Gaza-Streifen und die Fatah-Regierung im Westjordanland habe ihm dabei genutzt. Zimmermann meint, die Hamas konnte entstehen, weil Israel eine Konkurrenz zur damals noch regierenden PLO haben wollte.

    Netanjahu war eigentlich dafür, dass die Hamas weiter Gaza regiert, weil man dadurch die Spaltung im palästinensischen Lager aufrechterhält.

    Moshe Zimmermann, israelischer Historiker

    Deshalb sei er auch bereit gewesen, nach jeder kriegerischen Auseinandersetzung eine Einigung mit Hamas zu finden - obwohl die Hamas auf die Vernichtung Israels abziele.

    Frieden in Nahost nicht in Sicht

    Die jetzige Eskalation der Situation zeige, dass diese Taktik wie ein Boomerang gewirkt habe. Jede Waffenruhe war ein gewonnenes Zeitfenster für die Hamas, um sich wieder aufzurüsten.

    Langfristig war das keine Politik, sondern ein Debakel auch für die Israelis.

    Israelischer Historiker Moshe Zimmermann

    Die Fortsetzung der Verhandlungen mit der Führung der Autonomiegebiete war seit 2014 tot. Zimmermann fürchtet, dass es nun nicht möglich sei, die Hamas zu zerstören, weil sie in den Köpfen der Menschen bleibe, wenn man ihnen keine Alternative anbiete.
    Die Vorstellung von Frieden der Parteifreunde Netanjahus beinhalte allerdings keine Zwei-Staaten-Lösung und auch keinen Verzicht auf die Siedlungspolitik im Westjordanland.
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    von K. Wolff, N. Metzger, P. Riffel
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    Opposition in Israel gewinnt an Zuspruch

    Die Friedensbewegten in Israel seien zudem über die Jahre immer weniger geworden. Die Sozialdemokraten und die Liberalen in Israel haben so stark an Zustimmung verloren, dass sie nichts mehr für die Friedenspolitik erreichen könnten.
    Das erkläre auch, warum die Rückkehr zu einer Friedenspolitik wie zu Rabins Zeiten unter Netanjahu blockiert war. Doch die Opposition gegen Netanjahus Regierung, die zu Massendemonstrationen seit Amtsantritt seiner rechtsradikalen Regierung 2023 führte, gewinne seit dem 7. Oktober an Zuspruch und lasse auf eine Wende hoffen, sagt Moshe Zimmermann.

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