Oslo-Abkommen vor 30 Jahren: Nahost - Ein Traum in Trümmern

    30 Jahre Oslo-Abkommen:Nahost: Ein Traum in Trümmern

    Michael Bewerunge
    von Michael Bewerunge
    |

    Vor 30 Jahren wurde das Oslo-Abkommen unterzeichnet. Israelis und Palästinenser vereinbarten Schritte zum Frieden. Mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt, heute eine leere Formel.

    Unterzeichnung des Oslo Friedensabkommens 1993
    Am 13. September 1993 einigten sich Israel und Palästinenser in Washington auf ein Friedensabkommen. (Archivfoto)
    Quelle: epa

    Wie viel Sehnsucht nach Frieden in diesem ersten historischen Abkommen nach Jahrzehnten der Kriege und des Terrors steckt, mag man ermessen, wenn man die Präambel des Oslo-Abkommens noch einmal nachliest:

    Die Regierung des Staates Israels und die palästinensische Verhandlungsgruppe, welche das Palästinensische Volk repräsentiert, stimmen überein, dass die Zeit gekommen ist, den Jahrzehnten der Konfrontation und des Konflikts ein Ende zu setzen, ...

    Präambel des Oslo-Abkommens

    "... die gegenseitigen legitimen und politischen Rechte anzuerkennen und ein Leben in friedlicher Koexistenz und beiderseitiger Würde und Sicherheit anzustreben, eine andauernde und umfassende Friedensvereinbarung und eine historische Versöhnung zu erreichen und zwar durch einen einvernehmlichen politischen Prozess," - wie es in der Präambel weiter heißt.

    Weder Befriedung noch friedliche Koexistenz in Nahost

    Doch eine wirkliche Befriedung des Nahost-Konflikts wurde nie erreicht, geschweige denn die friedliche Koexistenz zweier unabhängiger Staaten.
    Zwar wurde die Selbstverwaltung der Palästinenser in einem zweiten Abkommen 1995 (Oslo II) präzisiert. Doch die Gewalt hörte nie auf. Auf beiden Seiten sabotierten die Gegner einer friedlichen Lösung einen echten Ausgleich.
    Extremistische Israelis führten in der Folge Attentate mit nachhaltiger Wirkung aus. Der Siedler Baruch Goldstein verübte 1994 ein Massaker unter betenden Palästinensern in einer Moschee in Hebron. Und ein orthodoxer Extremist ermordete 1995 die israelische Schlüsselfigur im Friedensprozess, Jitzchak Rabin.
    Mit Benjamin Netanyahu kam 1996 ein Gegner des Friedensprozesses ins Amt, der die Politik Rabins zuvor massiv bekämpft und denunziert hatte. Statt Rückzug der Siedler wurde der Siedlungsbau im Westjordanland nun wieder intensiviert.

    Eigener palästinensicher Staat war greifbar

    Von palästinensischer Seite hörten die blutigen Terroranschläge gegen Israelis nie auf. Noch einmal war der Frieden zum Greifen nah, diesmal sogar die Zweistaatenlösung. Im Jahr 2000 wurde unter amerikanischer Führung in Camp David verhandelt. Dabei konnte weitgehend Annäherung in territorialen Fragen erzielt werden.
    Ein palästinensischer Staat innerhalb von 97 Prozent der Grenzen von 1967 stand im Raum, die restlichen 3 Prozent sollten durch Gebietstausch mit den Israelis ausgeglichen werden.
    Doch in der Frage der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und des Status von Jerusalem konnte trotz Fortschritten keine Einigung erzielt werden. Daraufhin rief Jassir Arafat die zweite Intifada aus, mit über tausend Toten auf israelischer und 3.500 auf palästinensischer Seite.

    Israel: Politik der Abschottung statt der Annäherung

    Die Folgen der zweiten Intifada bestimmen bis heute den Status quo. In Israel gab es einen Rechtsruck, eine große Mehrheit der Israelis verlor den Glauben an einen dauerhaften Frieden mit den Palästinensern.
    Zur Abwehr von Terroristen wurde der Grenzzaun zum Westjordanland errichtet. Auf die Politik der Annäherung folgte die Politik der Abschottung.
    auslandsjournal: 75 Jahre Israel
    Israels 75. Jahrestag steht im Schatten der schwersten innenpolitischen Krise seit Staatsgründung. Das Land ist gesellschaftlich, politisch und religiös tief gespalten.04.05.2023 | 29:12 min
    Fatah und Hamas zerstritten sich - ein blutiger Machtkampf, der das Ende der Einheitsfront und demokratischer Wahlen bis heute bedeutet.
    In Gaza herrscht die Hamas in einer Art islamischen Diktatur. Bis heute propagiert sie Terror gegen Israel, dessen Existenzrecht sie noch immer nicht anerkennt.

    Terror und Militäraktionen als Spirale der Gewalt

    Die Konsequenz: Ein Hochsicherheitszaun nach Israel macht Gaza zu einem Gefängnis für über zwei Millionen Menschen. Im Westjordanland hat das korrupte und undemokratische Regime von Mahmud Abbas in weiten Teilen die Kontrolle über die sogenannten Autonomiegebiete verloren.
    Palästinensischer Terror und militärische Gegenaktionen der Israelis steigern sich gegenseitig ungebremst zu einer Spirale der Gewalt.
    Der Designer Shady Francis Majlaton auf Straße geschmückt mit israelischen Flaggen
    Mein Nachbar, mein Feind? Wie arabische Israelis im jüdischen Staat leben.09.10.2021 | 36:32 min
    Gleichzeitig siedeln immer mehr Israelis im Westjordanland. In einem tagtäglichen Verdrängungskampf versuchen gewalttätige Siedler, die Palästinenser aus ihrem angestammten Land zu vertreiben, weitgehend toleriert von der israelischen Armee, die als Besatzungsmacht eigentlich für Recht und Ordnung sorgen soll.

    Oslo-Abkommen: Plan in Schutt und Asche?

    Die derzeitige israelische Regierung, die zu großen Teilen aus zionistischen und religiösen Extremisten besteht, strebt mehr oder minder offen die Annexion des Westjordanlandes an.
    Was bleibt also von Oslo? Nur buchstäblich Schutt und Asche? Nicht ganz. Der Plan war gut und richtig. Autonomie für Anerkennung, Land für Frieden. Doch die Karte, auf dem der Weg dahin eingezeichnet war, ist verbrannt.
    Und niemand ist gewillt, auch nur einen Plan zu skizzieren zu einer Expedition nach dem verlorengegangenen Weg. Vielleicht aber macht die Präambel von Oslo ja doch irgendwann irgendjemandem Mut, sich auf die Suche zu machen.
    Michael Bewerunge ist Korrespondent und Leiter des ZDF-Studios in Tel Aviv.
    Anmerkungen der Redaktion, 13.9.2023: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es in einer Bildunterschrift, dass "u.a. die Staatschefs Clinton und Rabin und Palästinenserführer Arafat in Washington das Oslo-Abkommen" unterzeichneten. Richtig ist: Das Abkommen wurden von dem Verhandlungsführer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Mahmoud Abbas, und dem Außenminister Israels, Shimon Peres und den Außenministern der USA und Russlands in Anwesenheit von Clinton, Rabin und Arafat unterzeichnet. Zudem hieß im Text irrtümlicherweise, Hamas sei Teil der PLO gewesen. Wir haben den Beitrag entsprechend angepasst.

    Mehr zum Nahost-Konflikt