Streit über Hilfen für Ukraine:Lindner: "Ära Scholz geht unwürdig zu Ende"
von Daniel Pontzen
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Der Streit darüber, wie ein zusätzliches Milliarden-Paket für die Ukraine finanziert werden soll, eskaliert. Das erinnert an die Nacht des Ampel-Aus. Mit ungewöhnlichen Allianzen.
Die gemeinsamen Zeiten sind vorbei: Der ehemalige Bundesfinanzminister Lindner und Bundeskanzler Scholz streiten über die Ukraine-Hilfen.
Quelle: Reuters
Es war der wohl düsterste Moment in der kurzen Geschichte der Ampel. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Abend des 6. November vergangenen Jahres deren Ende verkündete - und dies mit der Weigerung Christian Lindners erklärte, sein Angebot für die weitere künftige Zusammenarbeit anzunehmen.
Unter anderem ging es um die Unterstützung der Ukraine mit einem zusätzlichen Paket in Höhe von drei Milliarden Euro. Für jene Ukraine, so Scholz damals, "die einem schweren Winter entgegen geht. Nach der Wahl in den USA sendet das ein ganz wichtiges Signal: Auf uns ist Verlass." Der Streitpunkt schon damals: die Finanzierung. In der Sache habe man keine Einwände gehabt, beteuern die Liberalen, man habe ein alternatives Finanzierungsmodell über den Haushalt in jener Sitzung unterbreitet. Das aber habe Scholz abgelehnt.
Die Bundesregierung ist sich uneinig über die Frage nach weiteren Hilfen für die Ukraine. Scholz sieht zunächst offenbar keinen Handlungsbedarf, während die Grünen einen zusätzlichen Betrag von drei Milliarden Euro fordern.13.01.2025 | 1:34 min
Scholz will Schuldenbremse aussetzen
Dieselbe Frage nach der Finanzierung flammt nun wieder auf. Allerdings steht Christian Lindner innerhalb der einstigen rot-grün-gelben Regierungskoalition keineswegs mehr so allein da, wie noch in jener historischen November-Nacht.
Scholz bleibt bei seiner Forderung, hierfür die Schuldenbremse auszusetzen. Es sei "eine deutsche Besonderheit" zu meinen, die "Unterstützung für die Ukraine müssten wir durch Kürzung bei Renten, durch Kürzungen bei Zuweisungen für die Kommunen, durch weniger Investitionen in Straßen und Bahnen, durch weniger Unterstützung unserer Wirtschaft finanzieren."
Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter sieht das als Wahlkampfmanöver – und kritisiert den SPD-Kanzlerkandidaten scharf:
Bei seinem Besuch in der Ukraine hat Verteidigungsminister Pistorius dem Land langfristige Hilfen versprochen. 14.01.2025 | 1:37 min
Hofreiter findet Scholz "zynisch"
Hofreiter meint – anstelle des Aussetzens der Schuldenbremse – eine überplanmäßige Ausgabe, die den Haushaltsausschuss des Bundestags passieren müsste. Bei einem Haushalt von 480 Milliarden könnten drei Milliarden kein Grund für eine Haushaltsnotlage sein, so Hofreiter:
"Deshalb ist der Weg, den Olaf Scholz gehen will, einfach nur die CDU und die FDP vorzuführen mit der Schuldenbremse." Auch wenn er deren Position bei der Schuldenbremse falsch finde, sei Scholz‘ Vorgehen "mehr als zynisch, denn es geht um den Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten."
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von Robert Meyer
mit Video
Lindner kritisiert Scholz scharf
Ungewohnte Unterstützung bedeutet das für den ehemaligen Finanzminister. Der kommentiert in der ZDF-Sendung "Berlin direkt":
Lindner weiter über Scholz: "Er will Ukraine gegen Rente ausspielen. Er hat ein fragwürdiges Verhältnis zum Grundgesetz, zu unserer Verfassung, denn er will fortwährend den Verfassungsbruch, indem er für die Ukraine-Hilfe die Schuldenbremse aufheben will. Das ist aus meiner Sicht nicht möglich."
Lindner wirft Scholz fehlende "Staatsklugheit" vor
Lindner verweist auf ein von der FDP-Fraktion in Auftrag gegebenes Gutachten der Universität des Saarlands. "Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges stellen für Deutschland zu Beginn des Jahres 2025 keine außergewöhnliche Notsituation dar", bilanziert darin der Staatsrechtler Christoph Gröpl.
"Deshalb ist ja auch unter anderem die Ampel gescheitert", so Lindner, "weil Herr Scholz mich zu diesem Verfassungsbruch damals provozieren wollte. Jetzt probiert er es ein weiteres Mal, im Wahlkampf. Ich finde, das ist Ausdruck von Hilflosigkeit und im Übrigen nicht von Staatsklugheit."
Das ZDF-Politbarometer zeigt: 80 Prozent der Befragten erwarten, dass die CDU mit Spitzenkandidat Merz die stärkste Partei wird. Kleinere Parteien kämpfen um den Einzug.10.01.2025 | 1:24 min
Miersch stellt sich hinter Scholz
Auch innerhalb der SPD selbst gab es kritische Stimmen zu Scholz‘ Bedingung – Generalsekretär Matthias Miersch allerdings unterstützte Scholz: "Wir können der Ukraine nichts geben, was wir unseren Rentnern oder Kommunen wegnehmen müssen", so Miersch in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", insofern seien nun die anderen Parteien am Zug, für den Überschreitensbeschluss der Schuldenbremse zu stimmen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte diese Bedingung zuletzt dagegen nicht genannt – abgelehnt wird sie zudem von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Baerbock ist am Abend um 19:10 Uhr zu Gast bei "Berlin direkt".
SPD-Chef Klingbeil hat Robert Habeck vorgeworfen, sich zu wenig um die Wirtschaft gekümmert und stattdessen ein Buch geschrieben zu haben. Alle News hier im Wahlkampf-Ticker.