Haftbefehlsantrag: Vorwürfe gegen Netanjahu und Hamas-Führer
FAQ
Gegen Netanjahu und Hamas-Führer:Das bedeuten die Anträge auf Haftbefehl
von S. Langer und D. Heymann
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Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs hat Haftbefehle gegen die Hamas-Führung sowie den israelischen Premier Netanjahu beantragt - ein Überblick über die Vorwürfe.
Der Internationale Strafgerichtshof könnte Haftbefehl erlassen.
Quelle: picture alliance / ANP / Phil Nijhuis
Der Antrag auf Erlass der Haftbefehle schlägt politisch hohe Wellen. Im Zentrum der derzeitigen Diskussion steht, dass der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim A.A. Khan, im gleichen Atemzug Haftbefehle sowohl gegen drei Hamas-Führer als auch gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Joav Galant beantragt hat.
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Es geht dabei zum einen um die politische Deutung dieser gleichzeitigen Antragstellung: War diese Ausdruck dafür, dass das Völkerstrafrecht für beide Konfliktparteien gleichermaßen gilt? Oder ist damit eine demokratisch legitimierte Regierung mit einer Terrorgruppe gleichgesetzt worden?
Zum anderen stellt sich die Frage, wie sich die durch den Chefankläger erhobenen Vorwürfe juristisch im Einzelnen darstellen - hierzu ein Überblick:
Wie lauten die Vorwürfe gegen die Hamas-Führung?
Der Antrag auf Erlass der Haftbefehle richtet sich gegen die drei zentralen Figuren der Hamas:
Yahya Sinwar, Chef der Hamas in Gaza
Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (genannt Deif), Anführer des militärischen Arms
Ismail Haniyeh, Leiter des Politbüros
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Es geht um das Geschehen ab dem 7. Oktober 2023: die Massaker an Zivilisten in israelischen Dörfern und die Verschleppung von mindestens 245 Geiseln. Im Vordergrund steht der Vorwurf der Geiselnahme. Darüber hinaus werden der Hamas-Führungsriege weitere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen: Ausrottung, Mord, Vergewaltigungen und weitere Sexualverbrechen, Folter sowie unmenschliche Behandlung.
Der Chefankläger ist der Überzeugung, dass die drei Hamas-Führer diese Verbrechen geplant haben und für die Tötung Hunderter israelischer Zivilisten sowie die Entführungen verantwortlich sein sollen.
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Was wird Netanjahu und Galant vorgeworfen?
Grundlage für die beantragten Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten und seinen Verteidigungsminister ist die humanitäre Notlage in Gaza, die infolge der israelischen Gegenoffensive entstanden ist. Der zentrale Vorwurf: Aushungern der Zivilbevölkerung. Israel habe die palästinensische Bevölkerung in allen Teilen Gazas systematisch von lebenswichtigen Gütern wie Essen und Medizin abgeschnitten.
Das Aushungern sei gezielt als Mittel dafür eingesetzt worden, die Hamas zu eliminieren, eine Freilassung der Geiseln zu sichern und die Zivilbevölkerung Gazas kollektiv zu bestrafen. Verantwortlich hierfür seien Netanjahu und Galant als Mittäter.
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Zugleich betont der Chefankläger, dass Israel das Recht habe, Maßnahmen zum Schutz seiner eigenen Bevölkerung zu ergreifen. Die Grenze bilde dabei aber das humanitäre Völkerrecht.
Auf welche Beweise stützt sich der Chefankläger?
Als Beweis für seine Vorwürfe führt der Chefankläger an, mit Opfern und Augenzeugen sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite vor Ort gesprochen zu haben. Weiterhin verweist er jeweils auf Audio-, Foto- und Videomaterial sowie medizinische Berichte.
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Darüber hinaus konnte der Chefankläger auf den Rat eines Expertengremiums zurückgreifen, das sich einheitlich für die Beantragung der Haftbefehle ausgesprochen hat. Das Gremium ist mit renommierten Juristen besetzt - unter anderem auch mit Theodor Meron, einem führenden Völkerrechtler und Überlebenden des Holocausts.
Wie geht es nun weiter?
Ob der IStGH den Anträgen folgt und die Haftbefehle erlässt, muss jetzt die sogenannte Vorverfahrenskammer bestehend aus drei Richterinnen entscheiden. Diese wird nun insbesondere prüfen, ob ein begründeter Verdacht besteht, dass Netanjahu, Galant und die Hamas-Führer die genannten Verbrechen begangen haben.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist ein unabhängiger Gerichtshof mit Sitz in Den Haag, Niederlande. Seit 2003 hat er die Aufgabe, besonders schwere Straftaten wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression zu verfolgen. Der IStGH soll dazu beitragen, das humanitäre Völkerrecht und das internationale Völkerstrafrecht wirksamer durchzusetzen und gravierende Lücken bei der Strafverfolgung zu schließen. Einige Staaten äußern Bedenken hinsichtlich möglicher Eingriffe in ihre Souveränität. Die USA, Russland und China erkennen die Legitimität des Gerichtshofs nicht an. Israel erkennt das Gericht ebenfalls nicht an. Allerdings erstreckt sich die Gerichtsbarkeit des IStGH auf die palästinensischen Gebiete. Deshalb darf der Chefankläger auch in diesem Fall ermitteln.
Sollte der IStGH die Haftbefehle erlassen, kann er diese nicht selbst vollstrecken. Zur Festnahme und Auslieferung wären die 124 Mitgliedsstaaten verpflichtet, sobald die jeweilige Person das entsprechende Staatsgebiet betreten würde.
Sebastian Langer und Daniel Heymann arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz