IGH-Prozess begonnen:Völkermord-Klage: Was Israel vorgeworfen wird
von Marie Sophie Hübner
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Südafrika hat vor dem Internationalen Gerichtshof Klage gegen Israel eingereicht. Der Vorwurf: Völkermord. Nun hat der Prozess begonnen. Was ist davon zu erwarten?
Wegen des Vorgehens im Gaza-Streifen muss sich Israel vor dem Internationalen Gerichtshof verantworten. Geklagt hat Südafrika, ein Land mit langer Apartheid-Geschichte. 11.01.2024 | 1:53 min
Südafrika hat vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) Klage gegen Israel eingereicht und das Land des Völkermords an den Palästinensern beschuldigt. Südafrika fordert die Einstellung der Kampfhandlungen im Konflikt im Nahen Osten.
Am Donnerstag und Freitag werden Südafrika und Israel vor dem Internationalen Gerichtshof angehört. Was ist von dem Prozess zu erwarten? Welche Folgen hätte ein Urteil für Israel?
Was bedeutet Völkermord?
In der politischen Debatte wird Völkermord häufig mit der Tötung vieler Menschen gleichgesetzt. Im juristischen Sinne ist aber das zentrale Element "die Absicht, eine nationale oder ethnische Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören", sagt Florian Jeßberger, Professor für Internationales Strafrecht an der Humboldt-Universität Berlin.
Die Vereinten Nationen verabschiedeten die "Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes" 1948 als Reaktion auf den Holocaust. Als Völkermord oder Genozid werden in der Konvention Handlungen bezeichnet, die in der Absicht begangen werden, eine "nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören."
Dabei gehe es nicht darum, wie groß die Anzahl der getöteten Menschen sei, sondern um die Intention dahinter. Die Definition stelle "sehr hohe Anforderungen in subjektiver Hinsicht, die entsprechend schwierig nachzuweisen sind", so Jeßberger.
"Zum Teil gibt es Anzeichen, dass Israel seine Kriegsführung ändert", berichtet ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge, aber wohl "mehr auf Druck der Amerikaner, als unter dem Eindruck dieses Prozesses in Den Haag."12.01.2024 | 2:12 min
Wie begründet Südafrika die Anklage?
Südafrika nennt in der Anklageschrift Zitate israelischer Politiker, die den Vorwurf des Völkermordes belegen sollen. So wird etwa der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant mit einer Aussage vom 9. Oktober 2023 zitiert, in der er erklärt, dass der Gazastreifen nicht mehr sein werde wie vorher:
Zudem bezieht sich die Anklageschrift auf eine Aussage von Präsident Isaac Herzog vom 12. Oktober: "Es ist eine ganze Nation da draußen, die verantwortlich ist. Es ist nicht wahr, dass die Zivilisten nicht wissen, dass sie nicht beteiligt sind. Es ist absolut nicht wahr. Und wir werden kämpfen, bis wir ihnen das Rückgrat brechen." Südafrika macht jedoch nicht deutlich, dass Herzog in der gleichen Rede sagt, dass er zustimme, dass es viele unschuldige Palästinenser gebe, die damit nicht einverstanden seien.
Blinken hat auf seiner Nahost-Reise in Israel Halt gemacht, um über die Lage in Gaza zu sprechen. Bundesaußenministerin Baerbock sprach darüber mit ihrem ägyptischen Kollegen.09.01.2024 | 0:20 min
Wie reagiert Israel?
Israel wies die Anschuldigungen Südafrikas zurück und beruft sich auf das Recht zur Selbstverteidigung nach den Angriffen der Hamas vom 7. Oktober. Für das Leid der Palästinenser im Gazastreifen sei ausschließlich die Terrororganisation verantwortlich. Präsident Herzog sagte über die Vorwürfe, dass es "nichts Abscheulicheres und Absurderes" gebe.
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"Die Vergewaltigungsmaschine der Hamas trägt volle moralische Verantwortung für alle Opfer in diesem Krieg." Alles werde getan, um zivile Bürger zu schützen, hieß es.
Die Forderung von Außenministerin Baerbock nach mehr Hilfsgütern für Gaza berge einige Probleme, so ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge. "Das Hauptproblem sind die aufwendigen Kontrollen, auf die die Israelis bestehen."10.01.2024 | 2:17 min
Was hat Israel zu erwarten?
Am Donnerstag und Freitag finden die Anhörungen Südafrikas und Israels statt. Die Anhörungen diese Woche beziehen sich zunächst nur auf die vorsorglichen Maßnahmen, die Südafrika fordert. Das Gericht könnte Israel gegebenenfalls dazu aufrufen, die Kampfhandlungen sofort einzustellen. Das Urteil zu dieser Dringlichkeitsfrage wird kurzfristig, also voraussichtlich in ein paar Wochen gefällt. Bis das Gericht ein endgültiges Urteil zu der Frage fällt, ob Israel im Gazastreifen Völkermord begeht, kann es Jahre dauern.
ZDF-Korrespondenten Michael Bewerunge in Tel Aviv und Isabelle Schaefers in Den Haag berichten über den Völkermord-Vorwurf gegen Israel. Allein der Prozess werde eine "Symbolwirkung haben".11.01.2024 | 4:53 min
Selbst wenn das Gericht Israel dazu auffordert, die militärischen Handlungen einzustellen, bleibt die Durchsetzung fraglich: "Eine Schwierigkeit für die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs besteht darin, dass sich die Entscheidungen nicht so ohne Weiteres durchsetzen lassen", erklärt Jeßberger.
Das hat sich auch im vergangenen Jahr gezeigt, als das Gericht im Eilverfahren angeordnet hat, dass Russland die Militäraktionen in der Ukraine einstellen müsse.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.