Engel bei "Lanz": "Stilles Waffenembargo gegen Israel"

    Disput bei "Markus Lanz":Engel: "Stilles Waffenembargo gegen Israel"

    von Michael C. Starke
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    Wie weit geht die deutsche Staatsräson wirklich? Über diese Frage gab es viel Disput bei "Markus Lanz". Journalist Philipp Peyman Engel wirft der Bundesregierung Bigotterie vor.

    Philipp Peymann Engel zu Gast bei "Markus Lanz".
    Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 9. Oktober 2024 in voller Länge.09.10.2024 | 73:34 min
    7. Oktober 2023 - dieses Datum ist zur Chiffre für das größte Pogrom an Juden seit dem Zweiten Weltkrieg geworden. Ein Jahr später, mit Blick auf die Entwicklungen in Deutschland, klang Philipp Peyman Engel am Mittwochabend bei "Markus Lanz" fast verbittert: "Das ist ein Ausnahmezustand, der tatsächlich bis heute andauert."

    Engel: Verstärkter Judenhass und ein immenses Gewaltpotenzial

    Das machte der Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen" unter anderem daran fest, was als Reaktion auf den Straßen zu sehen sei. Dort stellte Engel einen verstärkten Judenhass und ein immenses Gewaltpotenzial fest:

    Es gibt Demonstrationen mit 2.000, 3.000, 4.000 Leuten, wo skandiert wird: 'Wer sich an die Seite Israels stellt, den werden wir vernichten.'

    Philipp Peyman Engel, Journalist

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    Ein Jahr nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel haben vor allem in Europa und in den USA antisemitische Straftaten dramatisch zugenommen. 07.10.2024 | 2:57 min
    Dieser Sicht konnte Kristin Helberg nicht viel abgewinnen. In Engels Richtung sagte die Nahostexpertin, die Mehrheit der Menschen, die demonstrieren und einen Waffenstillstand für Gaza fordern, seien "natürlich getrieben von ihrer eigenen Verzweiflung und Wut angesichts dessen, was in Gaza passiert".
    Diese Wut könne nicht in dem Maße geäußert werden, "wie sie das tun wollen würden, weil sie sehr schnell kriminalisiert werden". Es entsteht der Journalistin zufolge vielmehr der Eindruck, dass jeder, der gegen den Gaza-Krieg auf die Straßen ginge, zugleich als antisemitisch gelte.
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    Wort-Duelle zwischen Engel und Helberg

    Während es zwischen Engel und Helberg zumindest Konsens darüber gab, dass nur eine Zwei-Staaten-Lösung dauerhaft zum Frieden in Nahost führen könne, ging es zwischen beiden im Folgenden weiter kontrovers zu. Vor allem bei der Frage, ob Israels militärisches Vorgehen noch verhältnismäßig ist, zeigten beide unterschiedliche Auffassungen.

    Engel: "Israel dreht nicht an Gewaltspirale"

    Für Helberg war es etwa nachvollziehbar, dass Israel daran gelegen sei, die Hisbollah im Libanon zu schwächen, die Journalistin gab aber zu bedenken:

    Man schafft doch keinen Frieden, indem man zehntausende Zivilisten tötet innerhalb von einem Jahr.

    Kristin Helberg, Nahostexpertin

    Das könne man nicht allein Hamas und Hisbollah anlasten, so Helberg weiter.
    Direkter Widerspruch kam von Engel, er entgegnete: "Israel muss sich wehren, gegen die Hisbollah, gegen den Iran, sonst wird es untergehen." Sein Kernargument: Wenn das Land sich nicht verteidige, würde der Beschuss in der Folge noch extremer.
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    Beim Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah ist keine Entspannung in Sicht, beide Seiten verschärften ihre Angriffe. ZDF-Korrespondentin Golineh Atai berichtet aus Beirut.09.10.2024 | 1:22 min

    Engel beklagt Doppelstandards

    Von Einigkeit war auch wenig zu spüren, als es um die Haltung der Bundesregierung gegenüber Israel ging. Engel kritisierte, dass deutsche Politiker "in Sonntagsreden" beteuerten, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson sei.
    Wenn man aber konkret darauf schaue, was die Bundesregierung tue, um Israel wehrhaft zu machen, zog der Chefredakteur ein nüchternes Fazit:

    Es gibt tatsächlich jetzt gerade ein stilles Waffenembargo gegen den Staat Israel.

    Philipp Peyman Engel, Journalist

    Dass Deutschland seine Waffenlieferungen nach Israel in den vergangenen Monaten drastisch heruntergefahren hat, nannte Engel "bigott".
    Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spricht während eines Treffens mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten und ehemaligen US-Präsidenten Trump in dessen Anwesen Mar-a-Lago.
    Israel hat dem internationalen Vorschlag für eine Waffenruhe eine Absage erteilt. Er hat bei seiner Ankunft in New York erklärt, die Hisbollah mit voller Kraft zu bekämpfen.27.09.2024 | 0:18 min

    Helberg: "Gaza-Krieg keine Selbstverteidigung mehr"

    Hier hakte erneut Nahost-Expertin Helberg ein - und äußerte Verständnis für die deutsche Zurückhaltung: "Dieser Krieg, wie er in Gaza geführt wird, ist keine Selbstverteidigung mehr."
    Zugleich sprach sich die Journalistin für einen differenzierteren Blick aus:
    "Das, was diese israelische Regierung macht, die eine rechtsradikale Regierung ist, in Teilen mit faschistischen Positionen, kann kein enger Partner sein im Sinne von bedingungsloser Unterstützung."

    Der Staat Israel hat unsere volle Solidarität verdient, aber nicht diese Regierung.

    Kristin Helberg, Nahostexpertin

    Gerade, weil sich Deutschland wegen des Holocaust dem Völkerrecht verpflichtet fühle, stecke man "in einem Dilemma", räumte Helbig ein.
    Jahrestag 7. Oktober 2023 · Kanada
    Der Krieg gegen die Terrororganisation Hamas ist nur einer von gleich mehreren Konflikten Israels im Nahen Osten. 07.10.2024 | 2:39 min

    Teuteberg: Verhältnismäßigkeit zu leicht in Abrede gestellt

    Dieses Stichwort brachte auch Linda Teuteberg auf den Plan. Die frühere FDP-Generalsekretärin beklagte, in Bezug auf Israel werde hierzulande "der Begriff der Verhältnismäßigkeit mit einer bemerkenswerten Routine angewandt".
    Doch die FDP-Bundestagsabgeordnete argumentierte, gerade Israels Dilemmata würden bei einer Beurteilung zu wenig berücksichtigt, wenn es um sein "verbrieftes Recht zur Selbstverteidigung" gehe. Konkret ging Teuteberg auf die Situation in Gaza ein. Dort würden Menschen und zivile Gebäude von der Hamas als Schutzschilde missbraucht.
    Das spiegele sich auch im berühmten IGH-Rechtsgutachten wider: Laut Teuteberg gibt es darin vier abweichende Stimmen, denen die israelische Position zu wenig gewürdigt wurde.

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