Thema
Interview
Israels Botschafter Prosor:"Wir können jetzt nicht über Frieden nachdenken"
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Ein Jahr nach dem Hamas-Überfall auf Israel gleicht Nahost einem Pulverfass. Der israelische Botschafter Ron Prosor spricht im Interview über Antisemitismus, Scholz und Frieden.
Ron Prosor, Botschafter von Israel in Deutschland, spricht im Interview über Antisemitismus in Deutschland. (Archivbild)
Quelle: dpa
Der Überfall der Hamas auf Israel jährt sich und an vielen Orten weltweit und in Deutschland wird der Opfer gedacht. Zwischen solchen Terminen treffen wir den israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor. Er sagt an diesem Montag, dem 7. Oktober 2024, an Frieden in der Region sei heute nicht zu denken.
ZDFheute: Herr Botschafter, ein Blick zurück: Heute vor einem Jahr hat die radikalislamische Hamas Israel überfallen. Mindestens 1.200 Menschen wurden getötet, mindestens 240 Menschen entführt. Wie schauen Sie auf den 7. Oktober 2023?
Botschafter Ron Prosor: Erstmal zur Sprachregelung: Es waren nicht Radikale. Es waren Terroristen. Die Menschen wurden nicht getötet, sondern ermordet, hingerichtet, in Brand gesteckt. Es ist unheimlich wichtig, dass wir genau darstellen, was da stattgefunden hat.
Aus meiner Sicht ist klar: Nach dieser Tragödie müssen wir - nicht nur wir in Israel - verstehen, mit wem wir es eigentlich zu tun haben. Die tödliche Ideologie, die eigentlich nicht nur Israel vernichten will, sondern alle demokratischen Werte, lehrt: Wir müssen zusammenhalten, gegen diese Ideologie, die alles zerstören will.
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ZDFheute: Verstehen Sie die internationale Kritik an der israelischen Kriegswehr?
Prosor: Nein. Ursache und Wirkung: Haben wir angefangen? Nein. Am 7. Oktober wurde ein Massaker verübt. Die Hamas hat daran Freude gehabt und gejubelt. Wir haben uns verteidigt. Es kann nicht sein, dass, immer wenn Israel sich verteidigt, man von 'Flächenbrand, Zurückhaltung und zivilen Opfern' spricht.
Natürlich gibt es zivile Opfer, aber die Verantwortlichen sind Hamas. Hamas missbraucht ihre Bevölkerung. Hamas benutzt die Bevölkerung, um ihre Waffen zu beschützen. Israel schützt seine Zivilisten mit unseren Abwehrsystemen. Das ist der große Unterschied. Wenn wir zurückschlagen, ist es plötzlich ein Flächenbrand.
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ZDFheute: Welche Erwartungen haben Sie an deutsche Politik als Reaktion auf den 7. Oktober 2023 und das ganze Jahr, was jetzt dazwischenliegt?
Prosor: Dieser Krieg ist nicht nur ein Krieg im Militärischen. Wir haben einen Krieg auch in den internationalen Gremien. In der UNO, der Europäischen Union, in den Gerichtshöfen. Deutschland ist zweitwichtigster strategischer Partner, der sich an der UNO in zwei Resolutionen enthalten hat. Dies sind wirklich schamlose Resolutionen. Eine Enthaltung ist keine Haltung. Deutschland sollte auf der Israel-Seite stehen. Wie es Kanzler Scholz eigentlich auch gesagt hat: Deutschland ist auf der Israel-Seite. Aber man muss es auch in den internationalen Gremien tun.
ZDFheute: Es gibt in Deutschland viele pro-palästinensische Demonstrationen, das sind laute Stimmen. Auch der zunehmende Antisemitismus, den Sie ja auch täglich bemerken - was bedeutet das für Sie?
Prosor: Ich mache einen Unterschied: erstens sind das nicht Palästinenser. Es ist die Hamas. Und ob die irgendetwas für die Palästinenser tun? - Genau im Gegenteil. Diejenigen, die jetzt auf die Straßen gehen mit der Hamas, die auch in Neukölln gejubelt haben, sich freuen - das sind Barbaren. Dagegen müssen wir alle angehen.
Das muss auch in der Gesetzgebung sein. Aus meiner Sicht kann das nicht so weitergehen. Was wir hier auf den Straßen in Deutschland sehen, dass Juden Angst haben, mit einer Kippa in der S-Bahn oder U-Bahn, mit jüdischem Stern, das sind deutsche Staatsangehörige... An der Uni haben Studenten Angst, müssen per Zoom ihre Prüfungen ablegen.
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ZDFheute: Was konkret erwarten, was fordern Sie von der deutschen Politik?
Prosor: Ich fordere gar nichts. Ich habe viel Vertrauen in die deutsche Demokratie. Aber man muss handeln. Sonntagsreden helfen nicht. Wir sehen, wie katastrophal die Situation mit dem Antisemitismus ist. Und man muss die Sache ganz klar angehen, etwas dagegen tun, nicht nur mit Worten.
Wenn wir nichts tun, dann werden wir alle daran leiden. Die Menschen müssen verstehen, wenn sie nicht gegen diese Ideologie, die jetzt auf den Straßen Deutschlands, zu sehen ist - die in Essen und Hamburg das Kalifat fordert - wenn man gegen die heute nicht handelt, wird man morgen weinen.
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ZDFheute: Wie kann Frieden möglich sein?
Prosor: Der Iran hat 200 ballistische Raketen auf Israel gezielt. Auf Tel Aviv, auf Jerusalem, überall hin. Mein Sohn, mein Enkelsohn, meine Tochter, sie alle müssen im Schutzraum sein. Wir können jetzt nicht über Frieden nachdenken.
Aber wir müssen eine Sache tun: Wir müssen über den Tag danach denken, wie wir dieses neue Nahost irgendwie gestalten. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, was am Tag zuvor war. Wir haben versucht, die Realität zu sehen, wie wir die Realität uns wünschen, nicht wie sie ist. Wir müssen Klarheit haben, mit wem wir es zu tun haben.
Ich bin immer optimistisch. Es ist unser Neujahr und ich wünsche uns allen, dass die Geiseln wieder zurück zu ihren Familien kommen. Und dass wir etwas Neues gestalten können, nachdem wir all die Verrückten, die uns wirklich umbringen wollen, beseitigt haben. Dann können wir zusammen etwas Neues aufbauen.
Das Interview wurde aus redaktionellen Gründen gekürzt. Das Interview führte Henriette de Maizière, Redakteurin im ZDF-Hauptstadtstudio.
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