Armeesprecher: "Wollen besonnen, ruhig und präzise vorgehen"
Interview
Israelischer Armeesprecher:"Wollen besonnen, ruhig und präzise vorgehen"
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Nach dem Kanzlerbesuch in Tel Aviv ordnet der deutsch-persisch-israelische Politologe Shalicar die Ergebnisse ein. Der israelische Armeesprecher spricht über Strategien und Pläne.
Arye Sharuz Shalicar ist Sprecher der israelischen Streitkräfte (IDF). Bei ZDFheute live spricht er über die Statements der beiden Regierungschefs Olaf Scholz (SPD) und Benjamin Netanjahu nach ihrem gemeinsamen Gespräch in Tel Aviv.
Er habe beiden gespannt zugehört, "weil ich mich mit beiden Regierungschefs auch identifiziere als jemand, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, aber sein Leben nach Israel verlegt hat", sagt Shalicar. "Ich finde, dass beide genau das gesagt haben, was ich mir sowohl als Deutscher als auch als Israeli wünschen würde."
Shalicar erklärt, warum Netanjahu von einer "doppelten Krux" spricht
Es sei ein Riesenspagat, so der Armeesprecher: einerseits die zivile Bevölkerung im Gazastreifen, Menschen die nicht Israels Feinde seien: darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen.
Deshalb habe Israel auch die letzten fünf Tage alles getan, damit die Menschen den Sicherheitskorridor Richtung Süden nähmen, weil man die Hamas bekämpfen und vernichten wolle.
Andererseits die Hamas-Terroristen, die eine Art doppeltes Kriegsverbrechen begingen. Auf der einen Seite Israelis ermordeten, Kinder, Frauen "auf brutalste Weise, wie an Juden Massaker nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht begangen wurde" beschreibt der Politologe. "Und natürlich auf der anderen Seite die palästinensischen Zivilisten: Frauen, Kinder, Krankenhäuser, Schulen, das alles als, ich sage mal als menschliche und zivile Schutzschilde zu nutzen.
Quelle: Copyright Bernd Lammel
... ist deutsch-persisch-israelischer Politologe und Sprecher der israelischen Streitkräfte.
Shalicar ist Sohn iranischer Juden, die 1970 vor dem Antisemitismus aus ihrer Heimat nach Deutschland flohen. Er lebte und studierte in Berlin.
2001 wanderte er nach Israel aus und trat dort seinen Wehrdienst an. Er lebt heute bei Jerusalem.
2021 wurde sein autobiographischer Roman "Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude. Die Geschichte eines Deutsch-Iraners, der Israeli wurde" unter dem Titel "Ein nasser Hund" mit Doguhan Kabadayi als Soheil verfilmt.
Warum die Offensive, noch nicht gestartet ist
Die israelische Armee habe nie einen Zeitpunkt genannt, zu dem eine mögliche Offensive starten sollte, so Sprecher der IDF, Arye Shalicar. Man habe einen Mehr-Phasenplan aufgestellt, um gezielt die Terroristen und die Terror-Infrastruktur außer Gefecht zu setzen. Natürlich habe man sich am internationalen Recht messen lassen wollen und gleichzeitig alles daran gesetzt, die Menschen auf allen möglichen Kanälen aufzurufen, den nördlichen Gazastreifen, insbesondere die Umgebung Gaza City Richtung Süden zu verlassen um dann gezielt die Hamas ins Visier nehmen können.
Der südliche Gazastreifen sei um einiges sicherer als der nördliche. "Wir haben gewisse Safe Zones eingerichtet und das meinen wir vollkommen ernst." Hunderttausende Palästinenser seien schon Richtung Süden gegangen, hätten sich in Sicherheit gebracht.
"Und da bin ich sehr glücklich, dass auch Regierungschef Scholz nach Ägypten weiterreist, weil im Endeffekt Ägypten und der Gazastreifen eine Grenze teilen. Beides sind arabisch-muslimische Gegenden, beziehungsweise Staaten", sagt der Militärsprecher.
Welchen Sinn Luftangriffe machen, wenn die Hamas sich in Tunneln verschanzt
"Das sind nicht wenige Kopfschmerzen, die wir haben. Und das nicht seit gestern und nicht seit dem 7. Oktober, sondern tatsächlich, seit die Hamas den Gazastreifen 2007 übernommen hatten", sagt Shalicar. Die Hamas habe in den letzten 17 Jahren jeden Euro, der in den Gazastreifen floss, doppelt benutzt.
Einmal natürlich, um dort das Leben irgendwie zu managen. Bei zwei Millionen Menschen muss man einen Mindest-Lebensstandard sicherstellen.
Andererseits jedoch habe man das Geld in Raketen-Produktion, Drohnen-Produktion, in Terror-Tunnelbau investiert. Es gebe Gänge, Tunnel, Höhlen im gesamten Bereich des Gazastreifens von Norden zum Süden gebaut.
Die Terrororganisation Hamas nutzt seit Jahren ein weit verzweigtes Tunnelnetz - zum Schmuggel und um Israel anzugreifen. Was ist über die "Metro in Gaza" bekannt?
von Julia Klaus
mit Video
Und genau in diesen Tunneln bewegen sich die Terroristen. Das sind über 20.000, bewaffnete, schwerbewaffnete Terroristen, die zu allem bereit sind." Wahrscheinlich seien auch Geiseln in diesen Terror-Tunneln.
Ob die Hamas einen Propaganda-Krieg mit Bildern führe?
Klar sei, sagt Shalicar, dass die Aktionen der Hamas-Terroristen von vielen Kameramännern begleitet wurden. Die hätten Hunderte wenn nicht mehr Videos und Fotos aufgenommen. Das sei psychologische Terror-Kriegsführung, weil ganz Israel diese Videos natürlich gesehen hat und die Hamas damit natürlich bezweckt, dass die Menschen hier in Israel auf den Barrikaden gehen und die israelische Armee und die Politik unter Druck setzten sofort massiv vorzugehen.
Aber genau das wolle man "natürlich nicht, weil wir wollen besonnen, ruhig und präzise vorgehen, weil dieses Mal wollen wir nicht eine zwei oder dreiwöchige Operation führen. Sondern in diesem Krieg, da wollen wir die Hamas vernichten." Wenn der Krieg vorbei sei, werde die Hamas im Gazastreifen nicht mehr regieren.
Die Terrorgruppe Hamas hat ein erstes Video veröffentlicht, das eine mutmaßliche israelische Geisel zeigt. Die israelische Armee teilte mit, sie sei in Kontakt mit der Familie.
Was wäre die langfristige Strategie?
"Also ich bin mir sicher, dass sowohl der Regierungschef als auch die hohe Politik, das Sicherheitskabinett und andere sich jetzt wirklich tatsächlich die Tage damit befassen", hofft der Politologe Shalicar. Das Militär sei fokussiert auf die aktuelle Situation.
Aus seiner Sicht sagt der deutsch-persisch-israelische Armeesprecher: "Wünschenswert wäre, das: Die arabische Welt und sehr viele arabische Staaten stehen mit Israel mittlerweile in guten Beziehungen und in Frieden, wie die Abraham-Abkommen der letzten Jahre gezeigt haben."
Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
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Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.