"Kinderstartgeld": Kinder an der Börse - Sinnvoller Ansatz?

    "Kinderstartgeld":Kinder an der Börse: Ein sinnvoller Ansatz?

    von Dennis Berger
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    Was wäre, wenn schon Grundschüler lernten, clever in Aktien zu investieren? Führende Ökonomen schlagen vor, Kinder mit staatlicher Unterstützung an den Kapitalmarkt heranzuführen.

    Tablets im Klassenzimmer sind schon recht verbreitet.
    Mit dem "Kinderstartgeld" sollen Kinder an den Kapitalmarkt herangeführt werden. (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Die Deutschen sind bekanntlich vorsichtig bei Geldanlagen. Das Sparbuch oder Bausparkonto steht bei vielen immer noch an erster Stelle, während sie vor Aktien und Fonds zurückschrecken. Doch das könnte sich bald ändern - zumindest, wenn es nach den sogenannten "Wirtschaftsweisen" geht. Ihr Plan: Kindern staatliches Geld zur Verfügung stellen, damit sie früh an der Börse investieren.

    Deutschland hat Nachholbedarf

    Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der die Bundesregierung in wirtschaftlichen Fragen berät, schlägt ein "Kinderstartgeld" vor. Mädchen und Jungen ab sechs Jahren sollen monatlich etwa zehn Euro in einen Fonds mit hohem Aktienanteil einzahlen können. Ab dem 18. Lebensjahr können sie mit dem Vermögen machen, was sie wollen.
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    "Weniger als 20 Prozent der Bevölkerung haben Geld in Aktien oder Aktienfonds angelegt", sagt Ulrike Malmendier, eine der "Wirtschaftsweisen" und Professorin an der Universität Berkeley in Kalifornien. "In den USA sind es über 60 Prozent." Mit seiner niedrigen Aktionärsquote befinde sich Deutschland heute ungefähr dort, wo die USA vor vierzig Jahren standen, sagte sie in einem Zeitungsinterview.

    Früh anfangen - langfristig profitieren

    Den Ökonomen geht es beim "Kinderstartgeld" nicht nur um Renditen, sondern um Finanzbildung. Deutschland könnte sich dabei ein Beispiel an Hongkong nehmen. In einer aktuellen OECD-Umfrage zur Finanzkompetenz belegt Deutschland zwar einen der Spitzenplätze, aber Hongkong führt die Liste an. Die dortige Zentralbank veranstaltet regelmäßig Meisterschaften für Schüler, um deren Finanzkompetenz zu fördern.
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    In deutschen Schulen findet man Finanzthemen selten. Das ist laut Carmela Aprea einer der Flaschenhälse auf dem Weg zu finanzmündigen Bürgern. Aprea leitet das Mannheim Institute for Financial Education und ist Expertin für Finanzbildung. Sie findet das frühe Anlegen eine gute Idee, sieht aber die vorgeschlagene Umsetzung kritisch:

    Wir wissen aus der Lernpsychologie, dass nur Praxis alleine keine verhaltenswirksamen Lernerfolge erbringt, sondern nur reflektierte Praxis erfolgversprechend ist.

    Professorin Dr. Carmela Aprea, Direktorin Mannheim Institute for Financial Education

    Kinder und Familien sollten einordnen können, was da an der Börse passiert. Das Auf und Ab verstehen. Dazu brauche es eine pädagogische Begleitung der Kinder und Familien, denn es sei unwahrscheinlich, dass alle Eltern die komplexe Welt der Börse allein bewältigen können, so Aprea.
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    Pädagogische Finanzprofis dringend gesucht

    Verena von Hugo, Vorstandsvorsitzende des Bündnis Ökonomische Bildung, tauscht sich oft mit Bildungspolitikern aus. Sie sieht kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Positiv am Vorstoß sei, dass Menschen, die bisher keinen Zugang zu den Kapitalmärkten hatten, erleben könnten, wie sich langfristiges Sparen auswirke und der Zinseszins anfange zu wirken.

    Die exponentielle Mehrung des angelegten Geldes können wir Menschen uns schwer vorstellen. Aber sie kommt einem 'achten Weltwunder' gleich, so hat Albert Einstein sie bezeichnet.

    Verena von Hugo, Vorstandsvorsitzende Bündnis Ökonomische Bildung

    Familien könnten Erfahrungen sammeln und Risiken und Chancen erleben. "Nur, wenn reflektiert und eingeordnet wird, was beim Investieren im Rahmen des Kinderstartgeldes an Erfahrungen und Beobachtungen gemacht wurde und die Fragen dazu beantwortet werden, wird aus der Lernoption eine echte Lernkurve", betont von Hugo.

    Schlecht angelegtes Steuergeld?

    Optimal wäre es, wenn Wirtschafts- und Finanzbildung fest in der Schule verankert würde, meint von Hugo. Carmela Aprea fragt sich, ob das Steuergeld im Falle eines "Kinderstartgeldes" wirklich gut angelegt sei: Die mehr als eine Milliarde, die der Staat investieren würde, wäre womöglich in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften besser aufgehoben.
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    Auch wenn es den meisten im Land "gut" geht, steht die junge Generation vor massiven Herausforderungen: Wie zahlen sie in Zukunft die Miete? Wer zahlt ihre Rente? Vor allem finanzschwache Familien sind betroffen. Frühe Finanzbildung könnte überlebenswichtig für die Wirtschaft Deutschlands sein.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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